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Alles, was ich gern über trans Sex in der Schule gelernt hätte

Foto: Karen Sofia Colon.
Ich war schon Mitte 20, als ich endlich rausfand, wieso es mir einfach überhaupt nicht gefiel, einen Blowjob zu bekommen. Der Begriff „Dysphorie“ war mir zwar neu, das Gefühl dahinter aber nicht.
Dysphorie beschreibt das Unwohlsein mit dem Geschlecht, das dir bei der Geburt zugeschrieben wurde. Viele, aber nicht alle, trans Menschen kennen das Gefühl. Und nachdem ich schon jahrelang bei One-Night-Stands quasi mental ausgecheckt hatte, wurde mir klar, dass dieser Begriff auch meine Erfahrung beschrieb. Ich erkannte, dass ich mich als trans und nicht-binär identifizierte – eine Einsicht, die mein Sexleben auf die bestmögliche Art in seinen Grundfesten erschütterte. Ich fing an, t4t-Erotika (für „trans-for-trans“, also „von trans Menschen für trans Menschen“) zu lesen, und löste mich immer weiter von dem Mythos, beim Sex gehe es nur um Penetration. Ich entdeckte neue Möglichkeiten, mich selbst anzufassen und zu befriedigen, was wiederum dazu führte, dass ich mit neuen Partner:innen verstärkt über Dysphorie, Grenzen und sexuelle Vorlieben sprach.
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Sexualkunde in der Schule ist meistens… unzureichend, gelinde gesagt. Trans Menschen wird dort aber gar nichts mitgegeben. Stattdessen müssen wir uns mit Mund-zu-Mund-Propaganda, sexy (oder nicht so sexy) Anekdoten und persönlichem Ausprobieren durchschlagen. Das kann schwierig sein – vor allem, weil es online schwer ist, vertrauenswürdige Quellen herauszufiltern. 
Zum Glück hat Sex-Autor Kelvin Sparks ein Buch verfasst, das für die trans Community zu einer Art heiligem Gral werden könnte: Trans Sex, ein detaillierter Guide zu trans Sex für Erwachsene. „Dieses Buch ist kein ‚kompletter‘ Guide für Sex als trans Person“, schreibt er in der Einleitung. Wir alle haben schließlich so „verschiedene Erfahrungen, Körper und Perspektiven auf die Welt“. Dennoch eröffnet uns das Buch, das Sparks zufolge rund drei Jahre in Arbeit war, unheimlich viele neue Einblicke – und ist voller wertvoller Weisheiten für trans und cis Leser:innen. Einige der wichtigsten Punkte des Buches haben wir hier festgehalten, ergänzt durch Zitate von Sparks selbst.

Penetration

Das ist kein Synonym für Sex. Es gibt viele verschiedene Formen der Penetration!

Sprache

Vor allem im Umgang mit trans Menschen ist die richtige Sprache entscheidend – und auch beim Sex, wie zum Beispiel beim Dirty Talk. Manche Menschen haben vielleicht genderlose Namen für ihre Genitalien. Andere wiederum haben hingegen kein Problem damit, wenn die als „Schwanz“ bezeichnet werden, oder als „Klitoris“, und so weiter. Ein „guter Junge“ oder „gutes Mädchen“ könnte die Stimmung ruinieren – oder sie zusätzlich anheizen.

Kommunikation

Klar ist diese Weisheit inzwischen ein bisschen ausgelutscht, aber: Kommunikation ist nun mal das A und O! Sparks empfiehlt, schon vor dem Sex außerhalb des Schlafzimmers darüber zu sprechen (schon via Dating-App oder beim ersten Date, zum Beispiel). Dadurch bekommen alle Beteiligten einen guten Eindruck, wie der Sex aussehen könnte. „Ich bin großer Fan von einer Herangehensweise à la ‚Ich teile Informationen, damit es meinem Gegenüber leichter fällt, ebenfalls Infos zu teilen‘“, erklärt Sparks. „Wenn du das Ganze als Fragen formulierst, ergibt sich daraus eher ein beidseitiges Gespräch. Wenn du aber einfach keine Antwort zu bekommen scheinst, versuch’s lieber mit dem ‚X oder Y?‘-Format, anstatt offene Fragen zu stellen.“ Diese Gespräche können den Unterschied zwischen mittelmäßigem und grandiosem Sex ausmachen.
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Dysphorie 

Es gibt kein garantiertes Erfolgsrezept gegen Dysphorie. Solo-Sex kann dir aber dabei helfen, deine Vorlieben und potenziellen Trigger herauszufinden. Dysphorie kann sich zum Beispiel in bestimmten Stellungen, bei der Berührung mancher Körperstellen oder durch die verwendete Sprache ergeben. Sie lässt sich aber auch durch gender-bestätigende Tools oder Handlungen besänftigen – zum Beispiel durch Penis-Prothesen, Sextoys oder gender-bestätigenden Dirty Talk. Die Übung macht den:die Meister:in, und alleine zu üben, ist für viele weniger „riskant“. „Erstmal rauszufinden, was du dir vom Sex erhoffst, bevor du überhaupt eine zweite Person ins Boot holst, kann wirklich helfen“, meint Sparks.

Einverständnis

Safe Words sind oft im BDSM-Kontext ein Thema, können aber auch beim trans Sex hilfreich sein. Wenn dir der Sex aus irgendeinem Grund keinen Spaß macht, kannst du dein Einverständnis sofort zurückziehen und das Ganze abbrechen. Dysphorie kann jedoch dafür sorgen, dass du dich vorübergehend komplett verschließt und dir Kommunikation schwer fällt. In dem Fall können Safe Words sehr wertvoll sein.

Manueller Sex

Damit ist „Hand-Sex“ gemeint, und dazu zählen Fingern (vaginal und anal), Prostata-Stimulation, Trockensex und mehr. „Das ist gender- und körperneutral“, erklärt Sparks. Manueller Sex kann auch dabei helfen, genitale Dysphorie zu bewältigen. „Manueller Sex lässt sich unabhängig von deinen oder den Genitalien deines Partners oder deiner Partnerin machen und muss auch gar nicht unbedingt die Genitalien beinhalten, wenn du die lieber vermeiden möchtest.“

Anal

Wir alle haben ein Poloch, und dessen Stimulation kann sehr schön sein (ob mit Prostata oder ohne). Analsex ist weder eklig noch falsch, egal, was dir homophobe Stereotypen einzureden versuchen; um das Ganze möglichst sauber zu halten, solltest du vorher deinen Darm entleeren und dich mit Seife und warmem Wasser gründlich waschen. Eine Analdusche ist optional, aber nicht Pflicht. Latex-Handschuhe können beim Anal-Fingern oder Fisting verwendet werden (vorausgesetzt, ihr habt euch vorher gründlich darüber unterhalten und darauf vorbereitet!), und Gleitgel sollte gründlich und wiederholt zum Einsatz kommen. Und auch hier gilt: Wenn’s wehtut, hör sofort auf.
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Penetration, Teil 2

Trans Körper kommen in allen möglichen Formen, und nicht alle von uns erfahren genitale Dysphorie. Penetration kann durch Hormontherapie verkompliziert werden (zum Beispiel bei Nebenwirkungen wie vaginaler Trockenheit oder Schwierigkeiten mit der Erektion), aber nicht alle Formen von Penetration müssen zwangsläufig mit den Genitalien stattfinden. Werd kreativ und probier’s mit den Händen, der Zunge oder Sexspielzeugen.

Hormone

Die Auswirkungen einer Hormontherapie variieren von Mensch zu Mensch. „Ich glaube, was trans Sexualität so erschwert, ist nicht bloß das sehr begrenzte wissenschaftliche Wissen dazu, sondern auch die Tatsache, dass diese Untersuchungen meist von cis Forschenden mit cis Interessen durchgeführt werden“, meint Sparks. Wir wissen aber, dass maskulinisierende Hormone zu einer Vergrößerung der Klitoris führen können, umgangssprachlich bekannt als „T-dick“ („Testosteron-Schwanz“). In manchen Fällen lässt sich diese zwei bis fünf Zentimeter lange „Erektion“ zum penetrativen Sex nutzen. Bei anderen Menschen führt sie womöglich dazu, dass sich ändert, was sich gut anfühlt – zum Beispiel, wenn Saugen plötzlich angenehmer ist als Lecken oder Rubbeln.
Femininisierende Hormone können die Brust wachsen lassen und deren Empfindlichkeit steigern. Erektionen lassen sich womöglich schlechter aufrechterhalten und werden manchmal schmerzhaft; die Genitalien können leicht zusammenschrumpfen und Orgasmen werden eventuell im ganzen Körper empfunden. Im Video der YouTuberin ContraPoints erfährst du mehr zum „girl-dick“, doch betont Sparks, wie beschränkt das akademische und allgemeine Wissen zu dem Thema bisher ist. Die meisten von uns sind immer noch mit eigenen „Untersuchungen“ beschäftigt.

Toys

Sparks hat jahrelang seine persönlichen Favoriten bewertet – er mag externe Vibratoren für Solo-Sex, und Umschnalldildos für Sex mit Partner:innen. Abgesehen von der puren Lustbefriedigung können Sexspielzeuge aber auch noch einen anderen Zweck erfüllen: den der Identitätsbestätigung. Von Penis-Prothesen (entweder weich oder hart genug für die Penetration) bis hin zu Anal-Toys für transfeminine Personen mit genitaler Dysphorie: Toys können trans Sex so viel heißer gestalten.
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Verhütung

„Hormone sind keine Verhütungsmittel“, stellt Sparks klar. Maskulinisierende Hormone sorgen nicht garantiert dafür, dass du schwanger wirst, und femininisierende Hormone machen dich nicht definitiv unfruchtbar.

Vaginismus

In Trans Sex beschreibt Sparks von Erzählungen, laut denen Testosteron den Vaginismus mancher Betroffener verbesserte, bei anderen wiederum verschlimmerte. Wenn die Penetration schmerzhaft wird, können Östrogen-Cremes helfen.

Operationen

Es gibt diverse Kategorien von geschlechtsanpassenden Operationen, die sich immer stärker an individuellen Wünsche orientieren können. Unterkörper-OPs – also vor allem Phalloplastie oder Metoidioplastik für transmaskuline Menschen, Orchiektomie und Vaginoplastie für transfeminine Menschen – erfordern meist mehrere Eingriffe, und es lohnt sich, mit den Chirurg:innen darüber zu reden, wie sich die maximale Sexualfunktion erhalten lässt.
In diesem Kontext kursieren leider jede Menge Mythen und Irrglauben. Sparks erzählt, er habe vor Kurzem gelesen, „operierte Menschen könnten sich keine Geschlechtskrankheiten einfangen oder andere infizieren, was absolut nicht stimmt“. Was sehr wohl stimmt, ist, dass solche Eingriffe erogene Zonen und die Art, wie du Sex hast, verändern können. Solange du dich aber für sexuelle Experimente öffnest und mit Partner:innen ehrlich kommunizierst, ist großartiger Sex weiterhin möglich.
Für trans Sex gibt es nicht die eine Herangehensweise – wie auch für Sex generell. Wie Sparks in seinem Disclaimer betont, haben wir schließlich alle verschiedene Körper, Erfahrungen, Wünsche und Vorlieben. Trotzdem kann es einen enormen Unterschied machen, die Basics zu lernen, Mythen zu entkräftigen und unsere gesellschaftlichen Vorstellungen davon anzufechten, wie Sex aussehen sollte.
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