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Intime Fotos der Schwangerschaft einer jungen Schwarzen Frau

Foto: Jade Carr-Daley.
„Ich hatte erst zwei Wochen, bevor ich von meiner Schwangerschaft erfuhr, mit meinem Masterstudium begonnen“, erzählt die 24-jährige Fotografin Jade Carr-Daley. „Damals hatte ich mir schon eine kleine Sammlung aus Bildern aufgebaut, die meine Erfahrung mit meinen britischen und jamaikanischen Wurzeln darstellte. Damit kam ich aber nur sehr langsam voran, und ehrlich gesagt war ich auch nicht mit voller Leidenschaft dabei.“ Auf der Suche nach einem Thema für eine Bilderreihe, die ihr mehr am Herzen liegen würde, fing Carr-Daley an, mit Fotos ihren Übergang ins Mutterdasein zu dokumentieren – zuerst nur für sich selbst, bis sie sich drei Monate später eingestand: Diese Fotos sollten ihr großes Projekt werden. „Das Ganze fühlte sich so natürlich an und entfaltete sich wie von selbst“, erzählt sie. „So, als sei das das Projekt, mit dem ich mich wirklich befassen sollte.“
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Die daraus entstandene Fotoreihe trägt den Titel Not Ready Not Steady Go! (z. Dt.: „Nicht auf die Plätze, nicht fertig, los!“) und ist voller wunderschöner, intimer Bilder, die alle emotionalen Facetten des bevorstehenden Elternseins darstellen. Im Laufe der Reihe können wir dabei zusehen, wie sich Carr-Daleys Körper auf das Leben in ihr einstellt, und wie sich die Beziehung zu ihrem Partner währenddessen entwickelt. Auf Schwarzweiß- und Farbbildern verschwimmen Momente der Zärtlichkeit zwischen den beiden mit einem Gefühl der gespannten Erwartung. Denn natürlich gehören zu einer Schwangerschaft auch gewisse Ängste – und Carr-Daley wollte sich nicht davor drücken, diese auch abzubilden.
Foto: Jade Carr-Daley.
Foto: Jade Carr-Daley.

In den sozialen Medien werden schwangere Körper oft bearbeitet, um dem gesellschaftlichen Ideal einer perfekten Schwangerschaft zu entsprechen. Wenn diese schwangeren Körper dann noch Schwarz sind, werden sie umso mehr bearbeitet oder auf eine Weise porträtiert, die dem weißen Schönheitsideal entspricht.

JADE CARR-DALEY
„Die ersten drei Monate meiner Schwangerschaft waren die schwierigsten“, erinnert sie sich. „Damals wussten nur mein Partner und ich davon. Ich hatte ein paar Zwischenblutungen, wurde oft und lange untersucht und machte mir durchgehend Sorgen, dass irgendwas nicht stimmte oder ich etwas getan hatte, was ich nicht hätte tun sollen. Daraufhin stürzte ich in ein kleines Tief. Es fiel mir schwer, über meine Gefühle zu sprechen. Als ich anfing, mich und mein Umfeld zu fotografieren, wurde das für mich zu einer Form der Selbsttherapie. Anstatt allein in diesen Momenten und Gedanken festzusitzen, konnte ich sie, mich, fotografieren. Das erleichterte es mir, meine Gefühle zu verstehen, meine körperlichen Veränderungen wahrzunehmen und meinen Liebsten zu erklären, wie es mir in manchen Situationen ging.“
Foto: Jade Carr-Daley.
Carr-Daley ist im britischen Bristol aufgewachsen, in einem Bezirk namens Easton, den sie als besonders multikulturell beschreibt. Als sie noch Kind war, zog ihre Familie aber in eine andere Ecke der Stadt namens Henbury. Dort wohnt sie bis heute. „Hier ist alles sehr anders als in Easton“, erzählt sie. „Vor allem, weil Henbury damals vorrangig weiß war und meine Hautfarbe dort in der Minderheit war. Manchmal bekam ich Rassismus zu spüren – nichts so Dramatisches wie die Geschichten, die mir meine Eltern oder andere Verwandte erzählten, aber viele Mikroaggressionen, feindselige Körpersprache oder fiese Kommentare von Kindern oder Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln.“
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Als sie auf die Oberschule kam, war sie wieder von Jugendlichen aller Hautfarben umgeben. Zu der Zeit entwickelte sie ein erstes Gefühl für ihre Identität. Sie belegte einen Kurs in Fotografie und schrieb sich schließlich für ein Fotografiestudium ein. „Das war vermutlich der entscheidendste Punkt in meinem Werdegang. Ich war die einzige Schwarze Studentin im ganzen Studiengang und fühlte mich unzählige Male wie fehl am Platz. Oft glaubte ich, meine Werke passten einfach nicht rein“, sagt sie. „In meinem zweiten Jahr überlegte ich, das Studium abzubrechen. Ein Dozent wollte das aber nicht zulassen. Er erkannte mein Potenzial und meinte oft sowas wie: ‚Wir brauchen mehr Stimmen wie deine.‘“ Das gab ihr den Antrieb, sich auch für ein Masterstudium zu bewerben, das sie 2021 begann.

Bei Untersuchungen fühlte ich mich oft nicht wohl, nicht verstanden oder gehört und hatte häufig den Eindruck, keine Kontrolle über meinen Körper zu haben.

Jade Carr-Daley
Abgesehen von den Fotos selbst war Carr-Daley während ihres Projekts auch die Recherche zu ihrem Thema sehr wichtig – vor allem, weil sie Schwierigkeiten hatte, andere Projekte zu finden, die die Erfahrungen Schwarzer schwangerer Frauen dokumentierten. Das frustrierte sie; auch, weil sie selbst negative Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem gemacht hatte und andauernd für sich selbst hatte kämpfen müssen, um ernst genommen zu werden. „Ich hätte gern mehr Schwarze Frauen im Gesundheitswesen gesehen. Bei Untersuchungen fühlte ich mich oft nicht wohl, nicht verstanden oder gehört und hatte häufig den Eindruck, keine Kontrolle über meinen Körper zu haben“, erzählt sie. „Ich hatte das Gefühl, manche Hebammen und Ärzt:innen konnten mir nur bis zu einem bestimmten Grad helfen, weil das Grundwissen rund um Schwangerschaft und Frauenkörper seit Jahrzehnten von einem weißen Standpunkt aus vermittelt wird. Das kann alles verkomplizieren.“ Dann war da noch die Sache mit ihrem Alter, weswegen sie oft den Eindruck hatte, von oben herab behandelt zu werden. „Ich fühlte mich manchmal dafür verurteilt, wie ich meine Schwangerschaft angehen wollte. Zum Beispiel, weil ich an öffentlichen Orten meinen Bauch nicht bedeckte oder zu Hause entbinden wollte“, erzählt sie.
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Foto: Jade Carr-Daley.
Auf die Frage hin, wie es sich für sich anfühlte, die Kamera auf sich selbst und ihre Beziehung zu richten, hat Carr-Daley eine klare Antwort. „Um ganz ehrlich zu sein: Ich hasste es“, sagt sie. „Ich fühlte mich vor der Kamera sehr verletzlich und unwohl. Auf manchen Bildern sieht man auch, dass ich verschiedene Gegenstände benutze, um mein Gesicht zu verbergen. Je weiter ich aber mit dem Projekt vorankam, desto weniger störte mich die Kamera.“ Ihr Partner fühlte sich vor der Linse wohler, weil sie ihn schon vorher so oft fotografiert hatte. Trotzdem führten sie ein Gespräch darüber, was für ihn im Kontext dieser neuen Erfahrung okay war.
Foto: Jade Carr-Daley.
Foto: Jade Carr-Daley.
„Während der Schwangerschaft liegt der Fokus zum Großteil auf der Frau – und das aus gutem Grund. Nach meiner eigenen Erfahrung werden die Gefühle des Partners oder der Partnerin aber häufig übersehen. Dabei ist es so eine große Veränderung für beide Beteiligten, Eltern zu werden. Manchmal vergessen wir, auch bei dem oder der anderen nachzufragen, ob alles in Ordnung ist. Daher war es mir sehr wichtig, ihn zu fragen, wo seine Grenzen waren. In der Hinsicht würde ich sagen, dass mein Projekt manchmal sogar eine Zusammenarbeit zwischen uns beiden war, weil er mich auch oft fotografierte. Wenn wir zusammen arbeiteten, sprachen wir immer über die Gründe hinter den Bildern, die wir aufnahmen. Aus diesen Gesprächen entwickelten sich dann tiefgründigere Diskussionen rund um unsere Ängste als neue Eltern, über Dinge, auf die wir uns freuten, darüber, wie unser Baby wohl aussehen würde, und über unsere Pläne dazu, wie wir unser Kind gemeinsam großziehen würden.“
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Foto: Jade Carr-Daley.
Foto: Jade Carr-Daley.
Carr-Daley brachte ihren Sohn Knox im Juli 2022 zur Welt. Eins ihrer liebsten Bilder aus der Reihe ist eine Nahaufnahme von Knox’ kleinen Füßen, eingerahmt von ihren eigenen Beinen. Das Bild trägt den Titel „The Big Question?“ (z. Dt.: „Die große Frage?“), und zwischen den Beinen der beiden ist ein kleiner Spucke-Fleck zu sehen. „Ich machte das Bild mit meinem iPhone. Es war ein schöner Zufall, weil der Fleck aussah wie ein Fragezeichen. Dabei musste ich an die Fragen denken: ‚Was kommt als Nächstes?‘ Soll heißen: Was kommt als Nächstes in diesem Projekt, für mich selbst und meine neue Familie? Aktuell nehme ich jeden Tag, wie er kommt. Ich lerne, Knox’ Mutter zu sein und mein Leben als Fotografin mit meinem Leben als Elternteil unter einen Hut zu bringen. Ich liebe jeden Tag, den mir das Elternsein beschert – selbst an den Tagen, an denen ich mich beschissen fühle. Ich will definitiv weitere Werke rund um das Muttersein und unser Gesundheitssystem erschaffen und würde gerne öffentlich über die Themen dieses Projekts sprechen, weil sie einfach so wichtig sind.“
Foto: Jade Carr-Daley.
Letztlich wünscht sich Carr-Daley, dass ihr Projekt zur öffentlichen Diskussion rund um die Darstellungen Schwarzer schwangerer Körper beiträgt. „In den sozialen Medien werden schwangere Körper oft bearbeitet, um dem gesellschaftlichen Ideal einer perfekten Schwangerschaft zu entsprechen. Wenn diese schwangeren Körper dann noch Schwarz sind, werden sie umso mehr bearbeitet oder auf eine Weise porträtiert, die dem weißen Schönheitsideal entspricht“, meint sie. „Mit diesem Projekt will ich es Menschen ermöglichen, die entweder gerade etwas Ähnliches durchleben oder es schon erlebt haben, sich gesehen und verstanden zu fühlen. Ich will, dass wir öfter über die Bedeutung von Repräsentation sprechen – insbesondere für Schwarze Menschen oder Menschen of color. Mein Rat für all diejenigen, die das alles gerade zum ersten Mal durchmachen: Sei geduldig mit dir selbst, und informiere dich über deine Rechte als schwangerer Mensch. Denke immer daran: Es ist dein gutes Recht, auch Nein zu sagen.“
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