Ich komme direkt auf den Punkt: Ich leide seit drei Jahren unter einem wiederkehrenden Scheidenpilz. Im Juni 2019 war ich mit meinem damaligen Freund übers Wochenende weg, als ich ein vertrautes, schmerzhaftes Brennen in der Vagina spürte. Direkt schrillten in meinem Kopf die Alarmglocken. Wie konnte ich denn bitte schon wieder einen Vaginalpilz haben? Der letzte war erst zwei Wochen her. Aber Jammern half mir natürlich auch nicht weiter – also marschierte ich zur Apotheke, holte mir ein Canesten-Vaginalzäpfchen und glaubte, damit sei das Thema abgehackt. Am selben Abend wurde mir aber bewusst, dass ich allein im letzten Jahr sechsmal einen Scheidenpilz gehabt hatte, mit immer kürzeren Abständen.
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Zwei Wochen später schlug er wieder zu. Diesmal ging ich damit direkt zu meiner Frauenärztin – der erste von vielen Untersuchungsterminen. Es wurde ein Abstrich gemacht, Blut abgenommen, und es war plötzlich die Rede von Diabetes Typ 2. Als das Testergebnis kam, teilte man mir mit, dass es tatsächlich eine wiederkehrende Vaginalpilzinfektion war, verursacht vom übermäßigen Wachstum des Hefepilzes Candida (den wir von Natur aus im Körper haben). Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits eine Resistenz gegen frei verkäufliche Pilzmedikamente entwickelt; sie wirkten einfach nicht mehr. Also bekam ich das Antimykotikum Fluconazol verschrieben, das ich über sechs Wochen hinweg einnehmen sollte. Ich war mir sicher, das sei endlich meine Lösung gegen die inzwischen zweiwöchigen Pilzschübe.
Schon damals fand ich das fehlende Mitgefühl meiner Ärzt:innen erschreckend. Sie schienen mir alle vermitteln zu wollen: „Naja, so schlimm ist das ja alles nicht.“ War es aber. Ich bekam am ganzen Körper heftig juckenden Ausschlag – insbesondere an den Wangen, Armen, am Kopf und Rücken –, der jedes Mal ein Warnsignal dafür war, dass mich am nächsten Tag wieder ein neuer Pilz erwartete. Antihistaminika gehörten für mich plötzlich zum Alltag. Auch mein zweiter Einnahmezyklus Fluconazol wirkte nicht – im Gegenteil, er machte das Ganze sogar eher noch schlimmer. Inzwischen schlug ich mich schon seit über einem Jahr mit dem Pilz rum, und der Stress einer globalen Pandemie verstärkte meine Symptome zusätzlich. Weil ich an nichts anderes mehr denken konnte, googelte ich Heilmittel, als hinge mein Leben davon ab.
Meine mentale Gesundheit litt extrem darunter. Ich war in einem Teufelskreis der ewigen Paranoia gefangen, befeuert von der immer wiederkehrenden Hoffnung, jede neue Behandlung könnte dem Pilz ein Ende setzen. Jedes Ziepen in meiner Vagina machte mich völlig fertig, und über anderthalb Jahre hinweg war Sex entweder schmerzhaft oder unangenehm. Das wirkte sich natürlich negativ auf meine Beziehung aus. Ich fühlte mich ekelhaft, als hätte ich versagt. Mein Sexleben musste ich um meinen Pilz herum planen – nicht gerade sexy. Und bei jedem Untersuchungstermin wurde mir immer wieder dasselbe gesagt: „Hör auf, Tampons zu benutzen. Iss keinen Zucker. Trag Baumwollunterwäsche. Zieh dich nach dem Sport so schnell wie möglich um.“ Nach meiner dritten erfolglosen Fluconazol-Einnahme schickte man mich ohne neues Rezept aus der Praxis. Sie konnten nichts mehr für mich tun.
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Als ich irgendwann in Panik geriet, als ich meinen Ex küsste, nachdem er gerade Brot gegessen hatte (ich dachte, dadurch Hefe in meinen Körper aufzunehmen), wurde mir klar, dass ich tief in der Krise steckte.
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Weil ich nicht die Art Mensch bin, die darauf wartet, dass jemand sie rettet, stürzte ich mich in die Alternativmedizinbranche. Ich fand eine Naturheilerin, die mir eine eingeschränkte Ernährung aufdrückte, von der sie mir versprach, sie würde nach nur zwei Monaten wirken. Ich war begeistert – endlich ein konkreter Zeitrahmen! Mein Tag begann daraufhin mit rohem Knoblauch (einem natürlichen Mittel gegen Pilz), der mich jedes Mal kotzen ließ. Ansonsten: kein Zucker, kein Alkohol, keine Kohlenhydrate, kein Obst, kein Tee, kein Kaffee, keine Erdnussbutter. Ich fing an, Essen als den Feind zu betrachten – und war sehr, sehr hungrig. Für jemanden, die Essen liebt, Ernährungswissenschaft studiert hat und sich auf jede Mahlzeit, jeden Snack und jede Tasse Tee freut, war das besonders schwierig, aber ich zog es durch – und mich zurück. Ich wurde immer antisozialer. Meine ewige Traurigkeit und Frustration beeinträchtigte außerdem meine Beziehung.
Am schlimmsten war allerdings, dass sich auch nach zwei (langen!) Monaten nichts geändert hatte. Ich war am Boden zerstört.
Ich habe es seitdem mit Borsäure-, vaginalen Probiotika und homöopathischen Nahrungsergänzungsmitteln versucht. Ich habe dreimal täglich die Unterwäsche gewechselt – oder auch gar keine getragen. Ich habe nur Bambus- oder Baumwollhosen getragen. Ich habe alle Klamotten tiefengereinigt. Ich habe jedes Handtuch nach einmaligem Gebrauch gewaschen. Mein Ex und ich fingen an, Kondome zu benutzen, und ich ließ mir die Spirale entfernen, in der verzweifelten Hoffnung, dass sie die Wurzel allen Übels sein könnte. Als ich irgendwann in Panik geriet, als ich meinen Ex küsste, nachdem er gerade Brot gegessen hatte (ich dachte, dadurch Hefe in meinen Körper aufzunehmen), wurde mir klar, dass ich tief in der Krise steckte. Also brach ich alle Behandlungen ab und fing nochmal ganz von vorne an.
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Mit der Zeit fiel mir ein Muster auf: Der Scheidenpilz folgte einem ganz klaren Zeitplan, abhängig von meiner Periode. Er kam immer exakt fünf Tage vor und fünf Tage nach meiner Tage und blieb dann meist den ganzen Monat. Ich sprach mit weiteren Ärzt:innen und Spezialist:innen darüber und erklärte ihnen diesen Zyklus, die Hautprobleme und die Schmerzen, die einsetzten, sobald der Pilz zurückkehrte. Niemand hörte mir zu. Jedes Mal bekam ich denselben Vortrag darüber zu hören, dass ich keine Leggings oder Strumpfhosen tragen und mich nach dem Sport direkt umziehen sollte. Ob ich denn mal darüber nachgedacht habe, dass mein Freund und ich den Pilz vielleicht einfach hin- und herreichten? Das Ganze war entmutigend und entwürdigend.
Es machte mich unfassbar wütend, nicht ernst genommen zu werden. Die Ärzt:innen gaben mir das Gefühl, als sei es meine Schuld, dass die Medikamente nicht wirkten. Als würde ich ihre Ratschläge ignorieren.
Dabei bin ich mit meinem Problem längst nicht allein. Drei Viertel aller Menschen mit Vagina haben mindestens einmal im Leben einen Scheidenpilz, und auch der immer wieder auftretende, chronische Scheidenpilz („rezidivierende Vaginalmykose“ genannt) ist kein Einzelfall. Davon spricht man, wenn die Symptome öfter als viermal pro Jahr auftreten. Eine solche chronische Infektion lässt sich in den meisten Fällen nur symptomatisch verbessern, indem über Monate hinweg Tabletten oral eingenommen werden; die Rückfallrate ist trotzdem hoch. Das liegt vor allem daran, dass die Ursache einer solchen Infektion oft nicht klar ist. Vermutet werden unter anderem ein geschwächtes Immunsystem, allergische Reaktionen, Stress, chronische Erkrankungen oder Medikamenteneinnahmen (wie zum Beispiel von Antibiotika).
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Dass die Forschung auch hierbei weiterhin größtenteils vor einem Rätsel steht, ist ein weiteres Symptom vom Gender Health Gap: Der (Scheiden-)Pilz ist weitestgehend ein weibliches Problem und daher verhältnismäßig schlecht erforscht. Nur einer von zehn Männern erkrankt in seinem Leben an einer Pilzinfektion, und die meisten von ihnen müssen dafür nicht behandelt werden; viele bemerken den Pilz nicht einmal, da er bei Männern häufig asymptomatisch verläuft.
Nach drei Jahren meiner Leidensgeschichte sind Akupunktur und CBD-Öl die einzigen Behandlungsformen, die mir irgendeine Form der Erleichterung schenken. Dadurch kann ich die Symptome besser kontrollieren und zumindest den Schmerz mindern. Es ist grandios, endlich etwas gefunden zu haben, was auch nur ansatzweise hilft; Akupunktur ist aber leider sehr teuer, und die wöchentlichen Behandlungen haben ordentlich an meinem Ersparten genagt.
Weil sich mein Leben in letzter Zeit verändert hat, sind meine monatlichen Ausgaben deutlich in die Höhe geschossen. Es kann daher sein, dass ich in Zukunft auf die Akupunktur verzichten muss. Diese Vorstellung macht mir große Angst. Nur der Gedanke daran, dass der Scheidenpilz zurückkehren und mein Leben wieder völlig auf den Kopf stellen könnte, lässt mich die Behandlung fortsetzen.
Das Tabu rund um intime Themen wie Scheidenpilz sorgt dafür, dass ich nicht immer so selbstbewusst darüber habe sprechen können. Dabei sollte das echt nicht so sein – vor allem, weil der Pilz so viele Menschen betrifft. Wenn wir Betroffenen mehr Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken, können wir dadurch vielleicht die Forschung zu der Infektion vorantreiben, in der Hoffnung, eines Tages neue Behandlungsmethoden zur Auswahl zu haben. Am wichtigsten ist es aber, Betroffenen den Raum zu bieten, über ihre Beschwerden zu sprechen, ohne sich dafür schämen zu müssen. Das hätte zumindest mir echt geholfen.