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Ich bin 24 & habe einen künstlichen Darmausgang – so sieht mein Tag aus

Rund 150.000 Menschen in Deutschland leben mit einem künstlichen Darmausgang, einem sogenannten Stoma. Das Stoma ist ein kleines Loch im Bauch, durch das die Fäkalien in einen speziell dafür entwickelten Beutel fließen können. Dieser Eingriff sorgt dafür, dass der Enddarm bei der Verdauung komplett übersprungen werden kann – und erspart Stoma-Träger:innen das große Geschäft. Ein Stoma bekommen meist Menschen mit Darmkrebs, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder in seltenen Fällen Endometriose. Auch die 24-jährige Content Creator Katie May Chesworth lebt bereits seit fünf Jahren mit einem Stoma – und hier erzählt sie uns, wie ihr Tag mit einem künstlichen Darmausgang aussieht.
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„Ich bekam mit 16 Jahren die Diagnose Colitis ulcerosa. Das ist eine entzündliche Darmkrankheit. Nach zwei Jahren erfolgloser Behandlungen, vieler Schmerzen und Stunden auf dem Klo landete ich stark untergewichtig und sehr krank im Krankenhaus. 
„Ich hatte damals keine andere Wahl, als mir den Darm entfernen zu lassen. Mit 18 Jahren, in meinem ersten Studienjahr, bekam ich dann das Stoma. Das ist jetzt fünfeinhalb Jahre her, und obwohl das Leben mit Stoma sicherlich nicht immer leicht ist, habe ich doch gelernt, den Beutel zu lieben.“

8:00 Uhr – Aufstehen

Das Allererste, was ich morgens mache, ist das Ausleeren des Stoma-Beutels, denn der ist dann immer voll. Das geht aber ganz easy. 
Die meisten Stoma-Beutel kannst du einfach entleeren. Du musst ihn also nicht zwangsläufig austauschen, sobald er voll ist. Ich weiß noch, dass ich zu Beginn im Krankenhaus noch große Schwierigkeiten hatte, den Beutel gut auszuleeren, weil ich nicht wusste, wie ich das am besten machen sollte. Ich war frustriert und genervt. Heute lache ich darüber, weil mir das Ausleeren inzwischen so leicht fällt. Anfangs denkst du aber über sowas natürlich viel mehr nach.

8:10 Uhr – Frühstück

Frühstück, die wichtigste Mahlzeit des Tages! Ich würde auch sagen, dass es eine der wichtigsten Mahlzeiten ist, wenn du ein Stoma hast. Du musst damit nämlich regelmäßig kleine Mahlzeiten essen, und morgens ist mein Beutel immer LAUT. Das liegt meistens daran, dass viel Luft drinnen ist, und morgens ist das bei mir am schlimmsten.
Heute habe ich mich beim Frühstück für Rührei und Toast entschieden, weil ich viel zu tun und großen Hunger habe. Nach dem Frühstück suche ich mir ein Outfit aus dem Schrank. Ich arbeite von zu Hause aus, also mache ich es mir danach bequem.
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9:00 Uhr – Arbeiten

Ein Stoma bedeutet nicht zwangsläufig, dass du nicht arbeiten kannst. In meinem Fall hat es meine Karriere aber völlig verändert. Ich habe früher Jura studiert, stellte irgendwann aber fest, dass das nichts für mich war. Während des Studiums gründete ich einen Blog darüber, wie es ist, mit einer chronischen Krankheit zu leben. Dabei verliebte ich mich ins Schreiben – und wurde zur Freelance-Content-Creator. Gleichzeitig mache ich eine Fortbildung zur Gesundheits- und Wellness-Coach.
In meiner Familie sind viele Leute selbstständig, und auch für mich wirkte das wie die beste Option. Neben meinem Stoma habe ich nämlich noch chronische Schmerzen und bin sehr leicht erschöpft. Manchmal geht es mir demnach total gut – und an anderen Tagen komme ich nicht mal aus dem Bett. Deswegen war es superwichtig, einen Job zu finden, der es mir erlaubt, zu arbeiten, wann und wo ich will – und zwar auch aus dem Bett.

13:00 Uhr – Mittagessen

Ich bin ein Morgenmensch und versuche deswegen, immer schon so viel wie möglich vor dem Mittagessen abzuhaken. Vor allem, weil ich bis 13 Uhr Essen brauche und mich nachmittags ausruhen muss.
Heute gibt es Reste zum Mittagessen – der Vorteil, wenn man von zu Hause arbeitet! –, und zwar einen Flammkuchen mit Pilzen. Pilze sind unter Stoma-Träger:innen ein kontroverses Essen: Viele haben nämlich Probleme damit. Ich normalerweise aber nicht. 
Ich weiß noch, dass ich mir in den ersten Wochen mit Stoma große Sorgen darüber machte, wie das mit dem Essen funktionieren sollte. Ich konnte mir nämlich einfach nicht vorstellen, wie das Essen in mir verdaut werden sollte, und war mir sicher, dass es zu einer Verstopfung kommen würde.
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Weil meine Colitis vor der OP so schlimm war, konnte ich damals vieles gar nicht essen. Nach der OP war ich demnach hin- und hergerissen: Einerseits hatte ich Angst vorm Essen, andererseits freute ich mich total darauf. Fish & Chips waren auf meiner „Kann’s gar nicht abwarten!“-Liste ganz oben, und als ich sie nach der Operation zum ersten Mal aß, waren sie das Warten definitiv wert.

14:00 Uhr – Gassi mit dem Hund

Meine Nachmittage sind immer ziemlich entspannt. Entweder verbringe ich sie mit einem langen Lunch oder mit stundenlangem Netflixen. Ich stopfe meine Nachmittage ungern zu voll, weil ich nie vorhersagen kann, wie es mir geht.
Was ich mir aber nie entgehen lasse, sind meine Spaziergänge mit meinem Border-Collie Arthur. Das Gassigehen mit ihm gehört schon sehr lange zu meiner täglichen Routine, und ich versuche, es immer durchzuziehen, egal, wie es mir geht.
Nach der OP haben mir diese Spaziergänge dabei geholfen, wieder Kraft aufzubauen. Sie sind außerdem wichtig für meine mentale Gesundheit – ob ich nun am Meer entlangspaziere oder kurz mal die Straße runterlaufe.
In diese Nachmittage baue ich auch immer gerne eins meiner Hobbys ein: die Fotografie. Das Fotografieren hat eine beruhigende Wirkung auf mich. Deswegen zücke ich bei jeder Gelegenheit die Kamera.

18:00 Uhr – Joggen

Das Joggen ist ein ganz neuer Teil meiner wöchentlichen Routine, und ich hätte nie gedacht, dass ich das mal machen würde. In den letzten fünf Jahren bestand mein Sport größtenteils aus Spazierengehen, Yoga und Tanzen. Letzten Sommer habe ich mich aber einer örtlichen Laufgruppe angeschlossen, die mir das Joggen beibringt.
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Klar bin ich noch Anfängerin, aber es fühlt sich einfach so gut an. Wenn ich darüber nachdenke, dass ich vor fünf Jahren wegen meiner Anämie kaum gehen konnte, ohne schnell nach Luft zu schnappen, ist es unglaublich, dass ich heute fünf Kilometer rennen kann.
Sport mit einem Stoma kann erstmal einschüchternd sein, und es dauert eine Weile, bis man sich damit wirklich wohl fühlt. Als ich mich nach der OP zum ersten Mal wieder sportlich betätigen wollte, holte ich mir deswegen eine Trainerin zur Seite, die sich mit der Rehabilitation nach OPs oder Verletzungen auskennt. Das war für mich das Beste, weil es mir Selbstbewusstsein und einen sicheren Raum zum Ausprobieren gab.
Seitdem habe ich mir viel Kraft aufgebaut und habe weniger Angst vor neuen Formen der Bewegung. Es ist nicht immer leicht, und ich bin definitiv keine schnelle Läuferin, aber es fühlt sich so gut an, mich einfach zu bewegen!

20:00 Uhr – Stoma-Beutelwechsel

Nach meinem Joggen und dem Abendessen gehe ich duschen. Anfangs hatte ich noch große Angst davor, mit einem Stoma zu duschen. Muss der Beutel dafür ab? Oder kann er dranbleiben? Vor dem Essen, oder danach? Ich hatte so viele Fragen.
Die erste Dusche nach der OP dauerte ewig, und ich musste mich danach erstmal hinlegen. Heute bekomme ich das Duschen und den Beutelwechsel innerhalb von 15 Minuten hin. Ich dusche immer mit dem Beutel – das ist für mich leichter und sauberer. Ich habe einen künstlichen Dünndarmausgang, weswegen ich keine Kontrolle darüber habe, wann da was rauskommt. Und weil ich gerade gegessen habe, ist es definitiv leichter, mit Beutel zu duschen.
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Nach der Dusche wechsle ich dann den Beutel, denn mit einem feuchten Beutel will ich nicht ins Bett. Der Beutelwechsel an sich war für mich früher sehr einschüchternd. Ich weiß noch, dass mir alle Schritte gezeigt wurden, und ich mich daraufhin fragte: Wie soll ich das jemals selbst hinbekommen? Man gewöhnt sich aber dran, und wenn das Stoma nicht gerade sehr aktiv ist, kann es sogar schnell gehen.
Das Ganze funktioniert so: Du schneidest ein Loch in den neuen Stoma-Beutel, damit er auf dein Stoma passt. Mit einem Lösungsmittel-Spray entfernst du dann den alten Beutel, reinigst das Stoma mit Wasser, wischst mit einem pflegenden Tuch über die Haut und klebst den neuen Beutel ran. Voilà!
Nach meiner Dusche und dem Beutelwechsel entspanne ich mich dann vorm Fernseher, bevor es ins Bett geht.

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