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Was wurde eigentlich aus den Turbo-Beziehungen vom Lockdown-Beginn?

Foto: Karen Sofia Colon
„Mein Hochzeitskleid ist in der Garage“, sagte sie. „Du weißt schon, dass er dich fragen wird, ob du ihn heiraten willst, oder?“ Das war mein erstes Treffen mit der Mutter meines Freundes. Zu diesem Zeitpunkt wusste sie nicht, dass wir uns noch nicht einmal gegenseitig unsere Liebe erklärt hatten.
Ich lernte seine Mutter letzten Sommer kennen – als es noch möglich war, sie zu besuchen. Das war ein wichtiger Moment für mich und ein großer Schritt dafür, dass mein Freund und ich damals erst so kurz zusammen waren. Da aber niemand vorhersehen konnte, wie sich die Pandemie weiterentwickeln und was sie sonst noch mit sich bringen würde, wollten wir auf Nummer sicher gehen. Unsere Beziehung hatte ja bereits einige andere Herausforderungen bewältigt: Mein Freund hatte schon mein Erbrochenes aus der Schublade meiner Mitbewohnerin für mich wegputzen müssen (weil ich in meinem betrunkenen Zustand gedacht hatte, dass sich diese Schublade besser fürs Übergeben eignen würde als der Teppich), während ich bereits seine mormonischen Großeltern bei einem Ausflug kennengelernt hatte. Dieses Treffen würde mich also nicht so leicht aus der Bahn bringen.
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Da ich seit der Pandemie von zu Hause aus arbeitete, war es seine stabile Internetverbindung, die mich immer öfter in seine Wohnung lockte. Zuerst war alles zwischen uns lässig und gemütlich. Dann waren wir auf einmal offiziell ein Paar.
Meine Beziehung entwickelte sich im Eiltempo, von 0 auf 100. Mit dieser Erfahrung bin ich aber nicht allein. 2020 mag sich vielleicht wie ein verlorenes Jahr angefühlt haben, aber für einige Paare beschleunigte die Corona-Krise die Entwicklung ihres Liebeslebens enorm. Viele von uns passten sich den neuen Umständen an, wurden kreativ und machten ernst. Lockdowns wirkten wie ein Gaspedal auf Beziehungen weltweit. Viele Turteltäubchen zogen sogar innerhalb weniger Wochen zusammen. Ein Jahr danach ziehen wir Bilanz: Kann Lockdown-Liebe den Test der Zeit bestehen?
Auch Daniels Beziehung entwickelte sich durch die Pandemie wesentlich schneller, als es sonst der Fall gewesen wäre. An dem Tag, an dem klar wurde, dass es zu einer zweiten Lockdown-Runde kommen würde, zog sein Freund Lewis bei ihm ein. „Uns drei Monate lang nicht sehen zu dürfen, kam mir viel zu lange vor“, sagt Daniel. Zu diesem Zeitpunkt kannten sie sich gerade einmal drei Monate. Sie hatten sich in einer Dating-App kennengelernt und waren sich wegen ihrer gemeinsamen Begeisterung für Musik und Film nähergekommen.
Ein Stoppen war nicht in Sicht, denn bald dachten sie: „Bis jetzt läuft alles wirklich gut. Wir kommen auch zusammen eingeschlossen gut miteinander aus. Warum also nicht zusammenziehen? Das taten wir dann letzten Endes tatsächlich. Rückblickend war es zweifelsfrei die richtige Entscheidung.“
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„[Vor Covid] fühlte sich ein solcher Schritt manchmal zwar auch ‚richtig‘ an, aber ich wollte so etwas nie wagen, weil die anderen mich sonst für verrückt erklärt hätten. Als der Lockdown verhängt wurde, pfiff ich aber auf all diese Bedenken und wir zogen zusammen.“
Eigentlich lief ja auch alles glatt, bis sich dann eine Sache änderte. „Lewis wurde zum Vegetarier“, sagt Daniel. „Am Anfang bereitete mir diese Veränderung Kopfschmerzen. Besorgt fragte ich mich: Wie soll ich jemals wieder etwas kochen?
Clare lernte ihren Partner Leon noch vor der Pandemie auf LinkedIn kennen. Sie chatteten ein paar Mal. Irgendwann wurde ihr klar, dass er mit ihr flirtete. Die zweifache Mutter bat ihre Tochter um Erlaubnis, sich mit ihm zu verabreden. Ihre Familie hieß ihn schnell willkommen, auch wenn sich niemand seinen Namen merken konnte. „Mein Sohn fand, dass er nicht wie ein ‚Leon, sondern wie ein Brad‘ aussehe“, sagte Clare. „Deshalb fing er an, ihn so zu nennen.“
Nachdem sie alle einen gemeinsamen Tag am Strand verbracht hatten, wurde der Name Brad jedoch bald gegen andere ausgetauscht. An diesem Ort überraschte auch Clares eifrige Mutter das sonnenbadende Paar.
„Ich hatte Leon davor gewarnt, dass meine Mutter ganz schön neugierig sein kann“, sagt Clare. Unangenehmerweise fragte sie ständig, ob er denn Fernando hieße. Ich sagte: ‚Mama, wie kommst du denn überhaupt auf diesen Namen?‘ Ich habe keinen Ex, der so heißt, oder so etwas in diese Richtung.“
Leon zog noch vor dem zweiten Lockdown bei ihr und ihrer Familie ein. Im März kauften sie dann ein Haus. „Wir wussten nicht, wie oft wir uns sonst sehen könnten. Deshalb fühlte sich diese Entscheidung nicht unvernünftig oder überstürzt an“, sagte Clare. „Die Umstände bewegten uns dazu, alles etwas schneller als sonst anzugehen.“
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Diese Wirbelwind-Paare müssen sowohl mit den Höhen und Tiefen ihrer Beziehung als auch jener, die die Pandemie so mit sich bringt und die unser aller Leben zweifellos auf den Kopf gestellt hat, zurechtkommen.
Ayoub fing an, die Suche nach einer Partnerin ernst zu nehmen, nachdem er einige Familienmitglieder verloren hatte: Sein Großvater starb, nachdem er positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Er lernte Iman auf einer Dating-App kennen. Die beiden heirateten nur sechs Monate später.
Da er aufgrund der neuen Umstände von zu Hause aus arbeitete, flexibler sein konnte und nicht pendeln musste, hatte Ayoub nach eigener Aussage mehr Zeit, um Iman richtig kennenzulernen. „Wir waren ständig am Telefon“, sagt er.
Das Paar hat mittlerweile nicht nur den Bund der Ehe geschlossen, sondern auch ein Backunternehmen gegründet, während Iman noch dabei ist, ihr Studium an einer internationalen Kochschule zum Abschluss zu bringen. Zu alldem kommt hinzu, dass die zwei vorhaben, sich in Dubai niederzulassen, was den Druck auf die beiden nur noch mehr erhöht.
Ayoub gibt zu: „Natürlich streiten Iman und ich ab und zu. Wir haben zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Aus diesem Grund passen wir aber auch so gut zusammen. Das Ganze ist absolut verrückt, ergibt aber Sinn. Alles ist so, wie es sein soll.“
Mit dem Ende des Lockdowns in Sicht könnte die Lockerung der Corona-Vorschriften selbst eine Herausforderung für jene Pärchen sein, deren Beziehungen mit Spaziergängen zu zweit und endlosen Videoanrufen begonnen haben. Daniel, Clare und Ayoub geben sich aber zuversichtlich.
Die kurze Verschnaufpause, die wir im letzten Sommer hatten, erlaubte uns, eine Vorstellung davon zu bekommen, wie die Dinge laufen werden, wenn sich unsere Umstände wieder normalisieren. Alle drei sagen, dass ihre jeweilige bessere Hälfte sehr gut bei Freund:innen und der Familie ankommt. Sie betonen aber auch, welche wichtige Rolle klare Kommunikation und gemeinsame Werte beim Aufbau einer glücklichen Beziehung spielen.
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„Ich mache mir um viele Dinge Sorgen. Was aber meine Beziehung betrifft, so habe ich überhaupt keine Bedenken“, sagte Daniel. „Vor diesem Jahr ging ich alles immer sehr langsam an. Ich war zurückhaltend, sagte nie, dass ich etwas unternehmen will und hielt andere stets auf Abstand.“
„Als wir uns aber das erste Mal trafen, hatten wir all diese Pläne für Dinge, die wir tun und Orte, die wir besuchen wollten. Endlich in der Lage zu sein, all das in die Wirklichkeit umsetzen zu können, ohne sich [über die Pandemie] den Kopf zerbrechen zu müssen, wird unserer Beziehung nur Wind unter den Flügeln verleihen.“
Da sie lieber Jeans statt High Heels trägt, wenn sie auf Dates geht, fühlt sich Clare durch die Pandemie weniger unter Druck gesetzt, sich für Verabredungen auftakeln zu müssen. „Wir konnten ja nur spazieren gehen, also war der Dresscode viel informeller“, sagte sie. Vor dem Lockdown war sie immer am Arbeiten oder auf Veranstaltungen, sodass sie nie die Zeit hatte, sich auf die Partnersuche zu konzentrieren. „Zu diesem Lebensstil werde ich nicht mehr zurückkehren“, fügt sie hinzu. „Diese Erfahrung hat mir wirklich die Augen geöffnet und mir gezeigt, wie ungesund meine Work-Life-Balance vor Corona war.“
Maya Angelou sagte einst, dass man viel über einen Menschen erfährt, indem man ihn dabei beobachtet, wie er mit drei Dingen umgeht: einem regnerischen Tag, verlorenem Gepäck und ineinander verhedderten Weihnachtsbaumlichtern. Vielleicht können Beziehungen, die inmitten dieses intensiven Chaos' entstanden sind, den Übergang zu Post-Corona-Zeiten überleben und tatsächlich langfristig halten.
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„Wenn du in den letzten zwölf Monaten eine Beziehung eingegangen bist, hattest du die Gelegenheit, deinen Partner oder deine Partnerin in Krisenzeiten mitzuerleben“, sagt Beziehungsexpertin Cheryl Muir. „Wenn eine Beziehung auf solch eine Probe gestellt wird und diese besteht, sehen ihre Zukunftschancen sehr gut aus.“
„Der Zeit-Faktor spielte während der Lockdowns für viele neue Paare ebenfalls eine wichtige Rolle. Zu Hause eingeschlossen ist man ständig zusammen. Damit verbringt man nach einer Woche mehr Zeit miteinander, als es bei gewöhnlichem Dating nach Monaten der Fall wäre. Wenn man dann noch berücksichtigt, wie emotionsgeladen wir alle gerade sind, könnte das gemeinsame Bestehen einer solchen herausfordernden Erfahrung tatsächlich einen Bund fürs Leben bedeuten.“
Wenn du dieses Turbo-Tempo für dein Liebesleben aber aufgrund eines unverarbeiteten Traumas oder ungesunden Bindungen gewählt hast, könnte dein Gasgeben ein frühes Warnzeichen sein. „Menschen überstürzen Dinge manchmal, weil sie ein Bedürfnis nach einer Bindung haben, und bleiben aus Angst vor dem Alleinsein in einer unglücklichen Beziehung – besonders während eines Lockdowns“, sagte Cheryl. „Diese Beziehungen zerbröckeln typischerweise mit der Zeit. Ich bin mir sicher, dass sich zwei Personen in einem solchen Fall auseinanderleben werden, sobald unsere Leben wieder ihren normalen Lauf nehmen. Dann wird manchen Pärchen nämlich klar werden, dass sie sich wesentlich mehr unterscheiden, als ihnen zu Lockdown-Zeiten vielleicht bewusst war.“
„Die letzten zwölf Monate haben gezeigt, wie wichtig zwischenmenschliche, persönliche Bindungen sind. Wir brauchen sie. Wir sehnen uns nach ihnen. Wir sind für sie geschaffen. Online-Dating hat uns zwar durchgeschleust, aber es wird uns nicht voranbringen. Wir müssen uns weiterhin persönlich miteinander verbinden, wenn es möglich ist, um glücklich und gesund bleiben zu können.“
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