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Eine „gute Partnerin“ zu sein, ist ein Teilzeitjob

Foto: Getty Images.
Stell dir mal vor, du wurdest zu zwei Hochzeiten eingeladen, die am selben Tag stattfinden. Eine ist die einer Freundin, mit der du seit zehn Jahren eng befreundet bist, und du weißt seit sieben Monaten von dem Termin. Die andere ist die der Schwester deines Freundes, mit dem du seit zwei Jahren zusammen bist, und du weißt erst seit ein paar Tagen von dem Termin. Und trotzdem entscheidest du dich für die zweite Hochzeit.
Dieses Dilemma kursiert seit Kurzem auf TikTok, und seit Wochen wird online darüber diskutiert, wer sich hier „richtig“ und „falsch“ verhalten hat. „Die Wahl deines Partners bzw. deiner Partnerin ist die wichtigste Entscheidung deines Lebens. Sie bestimmt alles andere. Die Person hat sich hier für das Leben entschieden, das sie aufbauen will. Ich verstehe ihre Wahl“, schreibt jemand zum Beispiel. Andere hingegen bezeichnen diese Entscheidung als „Grund fürs Ende einer Freundschaft“ oder als „Verrat“.
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In den sozialen Medien sind solche Freundschaftsdramen pures Entertainment. Dieses spezielle Beispiel wirft aber eine viel größere Frage auf: Welche Beziehungen haben für dich die größte Priorität, sobald du eine Partnerschaft eingehst?
Wenn du eine Partnerin in einer heterosexuellen Beziehung bist, wird von dir erwartet, deinem Partner enthusiastisch und konsequent zur Seite zu stehen. Es gehört zum Prozess dazu, dich den Freund:innen und Verwandten deines Partners zu „beweisen“, um ihren Segen zu bekommen.

So machen das Freundinnen in einer heterosexuellen Beziehung nun mal. Sie planen, priorisieren und stellen ihre Partner zufrieden. Eine Partnerin zu sein, ist ein Teilzeitjob. 

So ging ich zum Beispiel jahrelang jede Woche zu den Hallenfußballspielen meines Freundes. Er bat mich nie darum, zu kommen; ich empfand es aber als meine „Pflicht“, quasi zu seiner „Spielerfrau“ zu werden. Also hielt ich mir meine Mittwochabende frei, um in der nach Schweiß duftenden Turnhalle rumzusitzen, gemeinsam mit anderen treuen Freund:innen und Partner:innen.
Selbst Taylor Swift, wohl einer der berühmtesten und meistbeschäftigten Menschen dieser Welt, war seit September schon bei zehn Footballspielen der Kansas City Chiefs dabei, weil ihr Freund Travis Kelce dort mitspielt. Und natürlich tanzt sie dort im Trikot und mit passendem roten Lippenstift in der Tribüne – selbst wenn die Temperatur unter null Grad fällt. 
So machen das Freundinnen in einer heterosexuellen Beziehung nun mal. Sie planen, priorisieren und stellen ihre Partner zufrieden. Eine Partnerin zu sein, ist ein Teilzeitjob. 
Eine Freundin hat mir letztens erzählt, dass von ihr erwartet wird, pro Jahr bei 20 bis 30 Familienveranstaltungen ihres Freundes dabei zu sein. Das ist quasi alle zwei Wochen ein Geburtstag, eine Taufe oder eine andere Feier. Dabei haben wir ohnehin schon kaum Freizeit, wenn wir in Vollzeit arbeiten; das Wochenende macht nur 28 Prozent unserer Woche aus. Diese heilige Zeit für Privates schrumpft aber noch weiter zusammen, wenn du daneben noch eine:n Partner:in und deren oder dessen Termine zu berücksichtigen hast.
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Das an sich ist natürlich noch nichts Schlimmes. Wenn zwei Leben zusammenkommen, ist das in vielerlei Hinsicht ein Gewinn; dadurch hast du zum Beispiel plötzlich doppelt so viele Freund:innen und Verwandten. Leider ist dabei nicht immer ganz ausgeglichen, wer wie viel für diese Beziehung opfert.
In heterosexuellen Beziehungen herrscht nämlich eine genderabhängige Erwartungshaltung. Nachdem sie von dem Hochzeitseinladungs-Dilemma gehört hatte, fiel der TikTok-Userin Brittany Paige der folgende Auszug aus Dolly Aldertons Memoiren Everything I Know About Love ein:  
„Eine Frau fügt sich immer besser in das Leben eines Mannes ein als er in ihres… Sie ist diejenige, die sich mit all seinen Freunden und deren Freundinnen anfreundet. Sie ist diejenige, die seiner Mutter zu ihrem Geburtstag einen Blumenstrauß schickt.
„Frauen mögen diesen ganzen Zirkus ebenso wenig wie Männer. Sie sind aber besser darin – sie ziehen es einfach durch. Das heißt, dass sich die Prioritätenliste einer Frau in meinem Alter, die sich in einen Mann verliebt, wie folgt verändert: Aus ‚Familie, dann Freund:innen‘ wird ‚Familie, dann Partner, dann Familie des Partners, dann Freunde des Partners, dann Partnerinnen der Freunde des Partners, dann Freund:innen.“
Aufgrund dieses Phänomens scheinen viele Frauen die Familie und Freundschaften ihres Partners den eigenen vorzuziehen. Das ähnelt dem Ursprung der Ehe – früher verließen Frauen ihre eigene Familie, um sich der ihrer Männer anzuschließen, symbolisiert durch den Auszug aus dem alten Zuhause und der Übernahme des Nachnamens ihres Mannes. 
Die Definition dessen, eine „gute Partnerin“ zu sein, hat zahlreiche Schichten. Du musst gleichzeitig eine beste Freundin, eine Cheerleaderin, eine Liebhaberin und ein wandelnder Google-Kalender sein. Du solltest gleichzeitig das Potenzial haben, eine gute Ehefrau und Mutter zu sein. Von uns wird erwartet, all diese teils widersprüchlichen Erwartungen in uns zu vereinen. Aber müssen Männer in heterosexuellen Beziehungen eigentlich denselben Idealen entsprechen? Natürlich nicht.
Wenn wir viel Zeit, Mühe und Energie in etwas investieren, zeigen wir damit unsere Zuwendung. Um es ihrem Partner recht zu machen, werfen Partnerinnen dafür oft ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche über Bord. Die Prioritätenhierarchie verlagert sich, wie es auch Alderton beschreibt. Romantische Liebe gilt in der westlichen Welt als die ultimative Form der Bindung, und scheint dabei alle anderen wichtigen Bindungen in deinem Leben in den Schatten zu stellen. Frag dich einfach mal selbst: Wenn du für den Termin deines Freundes einen von deinen verpasst – sollte dir dann nicht auch mal das Umgekehrte zustehen? 

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