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Ich bin 27 – sollte ich bei Dates erzählen, dass ich eher keine Kinder will?

Foto: Tanyel Mustafa.
Ich habe mich noch nie sonderlich „mütterlich“ gefühlt – zumindest nicht gegenüber Kindern. Während des Studiums übernahm ich schon mal die Mutterrolle für meine Freund:innen, wenn feucht-fröhliche Nächte ein bisschen zu stark eskalierten. Mir fällt es aber schwer, mir mich selbst als echte Mutter vorzustellen. Abgesehen davon, dass ich gelegentlich mit meinen viel jüngeren Cousins und Cousinen spiele, einmal ein verirrtes Kind seinen Eltern zurückgebracht und während meiner späten Teenie-Jahre als Lehrassistentin in einem Jugendtheater gearbeitet habe, habe ich kaum Erfahrung im Umgang mit Kindern. Und das möchte ich eigentlich auch so belassen. Allein das löst in mir aber schon einen inneren Konflikt aus: Ich bin mittlerweile in einem Alter, in dem einige meiner Freund:innen Kinder bekommen – oder zumindest mit dem Gedanken spielen. Und deswegen frage ich mich: Sollte ich potenziellen Partnern von jetzt an direkt sagen, dass ich vermutlich keine Kinder bekommen möchte?
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So stelle ich mir meine Zukunft vor: Ich wünsche mir eine Langzeitbeziehung mit einem Mann, den ich im kleinen Kreise heirate, mit dem ich mit Ende 30 ein Sabbatical einlege, um ein bisschen zu reisen, und der sich ebenfalls eine Katze wünscht. Ich habe mir sogar schon den Namen für diese Katze ausgesucht (und nein, den verrate ich dir nicht). Wenn meine Freund:innen Kinder bekommen, bin ich die „coole Tante“, die gelegentlich mal babysittet – und dann aber wieder zu ihrem Schreiben zurückkehrt und sich auf den Wochenendtrip voller Kunst und gutem Essen freut. Das klingt für mich nach einem ziemlich schönen Leben.
Als meine Freund:innen während unserer Schulzeit darüber sprachen, wie viele Kinder sie bekommen wollten – obwohl sie damals ja selbst noch Kinder waren –, wie diese heißen sollten und dass sie schon nach sechs Monaten Beziehung heiraten wollten, war ich jedes Mal baff. „Sechs Monate?! Ich würde niemals jemanden heiraten, ohne ihn vorher mindestens vier Jahre gekannt zu haben. Und selbst dann hätte ich erst vier Geburtstage mit ihm gefeiert. Ich würde ihn kaum kennen.“ Ich war 11, und schon damals eine Realistin. Und ich kann mich nicht daran erinnern, selbst jemals über meine zukünftigen Kinder nachgedacht zu haben. Vielleicht, weil ich den Reiz nie verstand. Die Tatsache, dass um mich herum alle Mädchen ihre große Pause zu nutzen schienen, um sich genau solche Tagträume auszumalen, zeigt aber, wie früh uns die Vorstellung des Mutterseins eingetrichtert wird – und wie stark der Mutterinstinkt von uns erwartet wird. Eine Studie ergab sogar, dass die Spielzeugvorlieben eines Kindes schon mit drei bis acht Monaten vom Gender abhängig sind.
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Heute, mit fast 28 Jahren, geht es mir genauso wie damals: Der Gedanke, ein Kind zu bekommen, lässt mich weiterhin kalt. Ich mag die Vorstellung nicht, alle meine Lebensbereiche von einem Kind bestimmen zu lassen, und ich hasse es, wie häufig es passiert, dass Frauen der Mutterrolle zuliebe ihre eigenen Identitäten verlieren (während viele Väter selbst nach der Geburt immer noch weitestgehend dasselbe Leben führen). Ich mache mir außerdem Sorgen darüber, wie ich ein Kind beeinflussen würde; immerhin haben wir alle einige Macken von unseren Eltern mitbekommen. Trotzdem möchte ich nicht zu 100 Prozent ausschließen, jemals ein Kind zu bekommen. Mir gefällt die Idee vom „Gentle Parenting“ („sanfte Erziehung“, ein Verzicht auf Belohnung und Bestrafung mit einem Fokus auf Grenzen und Verständnis). Ich weiß, dass es mir als Mutter unheimlich wichtig wäre, das Selbstwertgefühl meines Kindes zu stärken. Und ich bin großer Fan von Adoption und Pflege. Manchmal stelle ich mir vor, in meinen 40ern Pflegemutter für Teenager zu sein – bis dahin bin ich (hoffentlich) finanziell gesichert und eher dazu bereit, mehr von mir zu geben, um anderen zu helfen. Das fühlt sich für mich besser an, als darauf zu bestehen, mein eigenes „Fleisch und Blut“ in die Welt zu setzen, obwohl es bereits zahlreiche Kinder gibt, die Liebe und Pflege brauchen und verzweifelt darauf warten.
Das Problem: In letzter Zeit denke ich oft darüber nach, wie und wann ich all das den Männern erklären soll, die ich date – vor allem, weil es immer Männer Anfang 30 sind. In dem Alter stehen viele von uns vor der Entscheidung für oder gegen Kinder, und ich möchte niemandem die Zukunft einer traditionellen Familie nehmen. Mir ist klar, dass meine Wünsche im Vergleich dazu unerwartet und unkonventionell wirken. Ich weiß aber auch, dass ich nicht die Einzige bin, die das Modell hinterfragt, das uns als junge Mädchen präsentiert wird – mit unseren Puppen und Puppenhäusern. 
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Es gibt so viele Dinge, die wir uns für unser Leben vorstellen, weil sie als „normal“ gelten, bevor wir überhaupt mal hinterfragen, ob sie unseren eigenen Wünschen entsprechen – oder den Träumen anderer. Letztes Jahr saß ich bei einem ersten Date mit einem 33-Jährigen hinten in einem Uber und erwähnte, dass ich vermutlich keine Kinder haben möchte. Ihn schien das nicht zu stören, also trafen wir uns weiter. In diesem Moment war ich so erleichtert, das ausgesprochen zu haben. Ich hatte erwartet, damit die Stimmung zu versauen. Es fühlte sich an wie ein Geständnis, wie ein Tabuthema – als hätte ich diesen Mann direkt gewarnt, damit er später nicht behaupten könnte, ich hätte es vor ihm verheimlicht. Mir ist klar, dass diese Gedanken einfach nur meiner Angst entspringen, jemand könnte mir Vorwürfe dafür machen, dass ich keine Mutter werden will. Trotzdem war es mir sehr wichtig, es anzusprechen.
Mein anderes Problem ist die Tatsache, dass ich mir ja noch gar nicht sicher bin. In den letzten fünf Jahren habe ich mich weiterentwickelt, und obwohl sich mein Blick auf Kinder seitdem nicht geändert hat, kann ich nicht garantieren, dass das für immer so bleibt. Ich will mich nicht festlegen müssen; genau deswegen bin ich eben so zögerlich, das Thema gegenüber meinen Dates überhaupt anzuschneiden. Viele Leute lieben es, Frauen ein „Ich hab dir doch gesagt, dass du deine Meinung noch ändern würdest!“ vor die Füße zu werfen, wenn sie sich dann doch dazu entscheiden, ein Kind zu bekommen. In der Radiosendung BBC Women’s Hour sagte die Schauspielerin Jodie Comer vor Kurzem über ihren neuesten Film The End We Start From: „Bevor ich diese Rolle als Mutter spielte, hatte ich nie das Gefühl, einen Mutterinstinkt zu haben.“ Durch die Rolle habe sie festgestellt, dass ihr die Vorstellung immer mehr gefiel. Das Leben ist nicht in Stein gemeißelt, und ich will nicht, dass irgendwer meine eventuellen zukünftigen Kinder als Geständnis dafür betrachtet, dass ich „falsch lag“ oder mich selbst nicht genug kannte. Denn ist unsere freie Wahl nicht eine der Säulen vom Feminismus?
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In einer patriarchalen Gesellschaft fühlt es sich fast schon radikal an, sich gegen das Muttersein zu entscheiden. Auf Instagram folge ich einem Account namens We Are Childfree, der sich mit den Gründen von Frauen dafür auseinandersetzt, wieso sie willentlich kinderlos geblieben sind. Der Account soll diese Entscheidung legitimieren. Obwohl ich es traurig finde, dass absichtlich kinderlose Frauen so oft dazu gezwungen sind, sich für diese Entscheidung zu rechtfertigen, ist es doch tröstlich, soziale Räume wie diesen Account zu finden. Ich selbst habe nämlich keine kinderlosen Vorbilder in meinem Umfeld. Alle Frauen in meiner Familie haben Kinder, und viele meiner Freund:innen wünschen sich welche – oder zweifeln genauso wie ich.
Die biologische Uhr tickt für Männer anders als für Frauen. Ich weiß daher, dass die meisten Männer, die ich date, nicht denselben Druck zu einer Entscheidung empfinden wie ich; das wäre vielleicht anders, wenn ich Frauen daten würde. Trotzdem geht es mit der Spermienkonzentration bei Männern schon seit Langem bergab. Männliche Unfruchtbarkeit ist nur selten ein Thema, aber ein immer stärker verbreitetes Problem. Ich habe noch Zeit, um Kinder zu bekommen – und dasselbe gilt (hoffentlich) auch für die Männer, die ich date. Ich halte mit meiner Entscheidung niemanden von etwas ab. Trotzdem möchte ich meinen Dates ganz offen von meinen Gedanken erzählen. Sie sind ein Teil von mir. Das gehört dazu, wenn man mich kennenlernen will.
Dennoch weiß ich immer noch nicht, wie früh ich dieses Gespräch führen sollte. Wenn mir ein Mann sagt, dass er davon träumt, Vater zu werden, spreche ich es natürlich direkt an. Wenn aber niemand von uns das Thema erwähnt und wir bei den ersten Dates lieber nur Spaß haben, anstatt über ernste Dinge zu reden – sollte ich es dann gezielt zum Thema machen? Mit 27 bin ich immerhin noch jung. Dennoch nähere ich mich einem Jahrzehnt voller Erwartungen, und dazu gehört auch eine Schwangerschaft. Ich weiß nur: Jetzt gerade bin ich mir einfach noch unsicher.

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