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Wie ich trotz meiner Geschlechtskrankheit One-Night-Stands habe

Foto: Karen Sofia Colón.
Stell dir vor, du sitzt neben einem süßen Typen im Park. Eins führt zum anderen, ihr geht zusammen zu dir nach Hause und habt da fantastischen Sex. – Klingt für dich vielleicht gar nicht so außergewöhnlich. Tricia Wise stellte sich ihre Zukunft 2020 aber noch vollkommen anders vor. Tricia ist eine Sex-Aktivistin aus New York, die sich bei einem One-Night-Stand an Halloween Genitalherpes einfing. Anfangs dachte Tricia, dass sie von da an dann wohl enthaltsam leben müsse. Heute schreibt sie ihre Krankheit aber sogar in ihre Dating-App-Profile und bekommt darauf größtenteils positive Reaktionen. Ihr Instagram-Account Safe Slut hat aktuell über 55.000 Follower.
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Leider findet man auf Instagram, TikTok und Co. nur wenige Content Creators, die so offen und positiv mit ihrer Geschlechtskrankheit (kurz „STI“, für „sexually transmitted infection“) umgehen. Diese fehlende Repräsentation und der Mangel an Informationen führen leider häufig dazu, dass es Betroffenen sehr schwer fällt, ihre Diagnose zu akzeptieren. Noch schlimmer ist, dass der Großteil der Gesellschaft eine Geschlechtskrankheit immer noch als „schmutzig“ ansieht und von Infizierten nicht bloß erwartet, keinen lockeren Sex mehr zu haben, sondern die Infektion auch noch als „Bestrafung“ für ihren häufigen Partner:innenwechsel anzusehen. Genau solche Vorstellungen befeuern die Angst davor, sich selbst je eine STI einzufangen und verstärken die Stigmatisierung dieser Erkrankungen, womit niemandem geholfen ist. Schließlich heilen einige Geschlechtskrankheiten nie aus und sind deutlich weiter verbreitet, als du vielleicht denkst. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind beispielsweise rund 67 Prozent der globalen Bevölkerung unter 50 Jahren Träger:innen von Herpes Typ 1. Wenn du dich infizierst, kommt dir das vielleicht erstmal vor wie ein Weltuntergang – dabei ist eine STI kein Grund, dich zu schämen, und bedeutet auch nicht das automatische Ende deines Sexlebens.
Wie viele andere STI-Betroffene war die 29-jährige Cara* erstmal am Boden zerstört, als sie von ihrem Genitalherpes erfuhr. „Ich fühlte mich irgendwie ‚beschädigt‘, weniger wert und weniger begehrenswert“, sagt sie. Trotz ihrer neuen Zukunftsängste und ihrer Sorge, womöglich abgelehnt zu werden, beschloss Cara, mit ihrer Diagnose so umzugehen, wie es eigentlich jede:r tun sollte: als sei das kein großes Drama. Und ihr wurde schnell klar, dass viele Leute viel lernwilliger waren, als sie vorher geglaubt hatte. „In Dating-Apps war ich sehr direkt und ehrlich, wenn ich von meiner Diagnose erzählte. Die meisten Typen akzeptierten das sofort, und einige sagten mir sogar, ihre Ex-Partner:innen hätten das auch gehabt und es sei kein Problem gewesen“, erinnert sie sich. „Andere hatten daraufhin erstmal viele Fragen zu den Risiken, aber alle entschieden sich dann doch für ein Date mit mir!“ In Dating-Apps von deiner Geschlechtskrankheit zu erzählen, kann erstmal angsteinflößend sein, ist aber eine sehr schöne Möglichkeit, zu deiner Diagnose zu stehen.
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Obwohl natürlich nicht jede:r zwangsläufig positiv reagiert, sind doch viele Menschen dem gegenüber offen, etwas über die Krankheit zu lernen. Der Exfreund von Lara*, 22, reagierte ziemlich negativ; ihre lockeren Partner:innen hingegen hatten mehr Verständnis. „Ein Freund, mit dem ich ab und zu Sex hatte, nahm das Ganze sehr gut auf, stellte mir ein paar Fragen und machte sich die Mühe, selbst ein bisschen zu recherchieren. Danach beschloss er, dass es ihm das Risiko wert war“, sagt sie.
Als ich positiv auf HPV (Humane Papillomviren) getestet wurde, die zwar genau genommen nicht als STI gezählt, aber doch hauptsächlich beim Sex weitergereicht werden, hatte ich mehr Angst vor der Reaktion anderer Leute als vor den Auswirkungen der Krankheit auf meine Gesundheit. Ich bekam negative Kommentare von meinen Matches in Dating-Apps, die behaupteten, selbst „clean“ zu sein, obwohl es keinen Test gibt, um HPV in Männern festzustellen. Als ich meinen jetzigen Partner matchte, war mein Schamgefühl mittlerweile so stark, dass ich ihm sagte, ich könne keinen Sex haben, anstatt ihm meine Situation zu erklären.
Auch Cara war nicht immer ganz ehrlich zu ihren Partner:innen und erzählte einmal erst nach dem Sex von ihrer Herpesdiagnose. „Ich rechnete damit, dass er wütend und gekränkt sein würde. Stattdessen reagierte er aber total verständnisvoll und übernahm selbst Verantwortung für unsere Situation“, sagt sie. „Wir hatten die Themen STI und Safer Sex nämlich beide vorher nicht angesprochen.“
Obwohl viele Menschen eine riesige Angst davor haben, eine Geschlechtskrankheit zu bekommen, spricht eben auch nicht jede:r vor dem Sex über die sexuelle Gesundheit. Genau deswegen empfand ich es als wahnsinnig unfair, dass ich quasi dafür geächtet wurde, meine HPV-Diagnose offen zu kommunizieren, obwohl mich keine:r meiner Ex-Partner:innen je nach meiner Gesundheit gefragt oder sich selbst hatte testen lassen. Noch dazu war mir gesagt worden, ich sei gar nicht dazu verpflichtet, allen Bescheid zu sagen. „Wir empfehlen generell nicht, alle Partner:innen über eine HPV-Diagnose in Kenntnis zu setzen, weil es so eine weit verbreitete Infektion ist und sich die Symptome oft erst nach langer Zeit äußern“, erklärt Jodie Crossman, Pflegefachkraft für sexuelle Gesundheit. „Es gibt über 100 verschiedene HPV-Stämme, und acht von zehn Menschen infizieren sich im Laufe ihres Lebens damit. Bei den meisten Leuten ist HPV harmlos und verschwindet auch ohne Behandlung innerhalb von etwa zwei Jahren.“ Wichtig ist hier zu betonen, dass HPV noch gründlicher erforscht werden muss. Die Tatsache, dass derzeit nur Frauen darauf getestet werden können, verstärkt den Irrglauben, es sei eine weibliche Infektion. 
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Trotzdem ist es eine gute Idee, offen über deine sexuelle Gesundheit zu sprechen. Wie auch Tricia betont, sollten wir über unsere sexuelle Gesundheit selbst entscheiden können. Als ich mich meinem Partner endlich anvertraute, versicherte er mir, dass er das nicht als großes Ding ansah. Das ermutigte mich dazu, mein HPV nicht mehr länger wie ein furchtbares Geheimnis zu behandeln. „Wir müssen reden“ ist aber nicht die beste Art, ein solches Gespräch einzuleiten (wie ich selbst lernen musste). Stattdessen sollte das Ganze in einem entspannteren, direkteren Kontext stattfinden, zum Beispiel, indem du etwas sagst wie: „Ich habe eine Geschlechtskrankheit, nämlich [diese]. Hast du dazu irgendwelche Fragen?“
Es kann außerdem helfen, dir professionelle medizinische Unterstützung zu holen. „Wenn du mit deinem:deiner Partner:in gemeinsam zu einer Fachkraft gehst, bekommt ihr dort direkt alle Fakten, die ihr braucht“, rät Crossman. Einfach ist das nicht, aber es hat eindeutige Vorteile. Die 26-jährige Lia* hatte HPV und daraus resultierende Genitalwarzen. Es fiel ihr anfangs sehr schwer, ihren Partner:innen von ihrer Diagnose zu erzählen; heute ist sie davon überzeugt, dass das „ein guter Charaktertest“ des Gegenübers ist. Und Cara findet, dass sich ihr Sexleben nach der Diagnose sogar verbessert hat, weil sie jetzt besser erkennt, wem sie wirklich wichtig ist. Crossman sieht das ähnlich. „Obwohl es dich in eine verletzliche Situation bringt, etwas so Persönliches zu teilen, ist es kein gutes Zeichen, wenn dein:e Partner:in verständnisvoll reagiert. Er:sie sieht dich dann scheinbar als ganze Person, mit all den komplizierten Facetten, die damit einhergehen.“ Wenn du von deiner Erkrankung erzählst, wirst du dabei sicher auch mal von deinem Gegenüber verurteilt werden; das sagt aber etwas über diese Person aus, nicht über dich, und liegt meist an fehlendem Wissen.
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Und während viele Leute weiter den Irrglauben verbreiten, STI- oder HPV-Betroffene seien „unsauber“ oder „verantwortungslos“, ignorieren sie dabei die Tatsache, dass es sowas wie „sicheren Sex“ gar nicht gibt. Kondome können die Übertragungsrate reduzieren, sind aber auch nicht zu 100 Prozent effektiv; noch dazu sind einige Krankheiten (wie Herpes) oft völlig symptomfrei. Ich persönlich weiß nicht mal, ob ich mir das HPV durch sexuellen Kontakt eingefangen habe – und das ist auch egal.
„Eines, was ich bei der Arbeit in der Sexualmedizin gelernt habe, ist, dass es nicht ‚den einen Typ Mensch‘ gibt, der sich eine Geschlechtskrankheit holt“, betont Crossman. „Du kannst bloß einmal Sex haben und dir dabei eine STI einfangen, oder hundertmal und verschont bleiben. Obwohl es einiges gibt, was du tun kannst, um dich vor manchen Infektionen zu schützen, ist das oft nur eine Frage von Glück oder Pech.“ Das Risiko, an einer STI zu erkranken, ist etwas, das wir als Teil eines aktiven Sexlebens akzeptieren sollten. Genau deswegen ist es so wichtig, Safer Sex zu praktizieren – und dazu gehören auch offene Gespräche über sexuelle Vergangenheit, Einverständnis und Verhütung.
*Name wurde von der Redaktion geändert.

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