Wir haben uns als Spezies weit genug entwickelt, um zu wissen, dass an „Zu viel des Guten“ durchaus was dran ist – sogar zu viel Wasser oder Sport können dir schaden. Aber zu viel Serotonin? Der hormonelle Neurotransmitter, der deine Stimmung reguliert und wortwörtlich als „Glückshormon“ bekannt ist? Ja, auch hier macht die Dosis das Gift. Wenn du nämlich zu viel von dieser Glückschemikalie bekommst, kann das zum sogenannten „Serotonin-Syndrom“ führen – und das ist nicht so schön, wie es sich anhört.
Aber lass uns kurz einen Schritt zurück machen. Was genau ist Serotonin überhaupt? Das Hormon ist ein wichtiger Stoff, der unserem Gehirn dabei hilft, mit unserem restlichen Körper und dessen Nervensystem zu kommunizieren. Gleichzeitig beeinflusst er zahlreiche Körperfunktionen – wie Stimmung, Schlaf, Libido, Blutgerinnung, Knochengesundheit, Lernfunktion, Gedächtnis und mehr. Rund 90 Prozent vom körpereigenen Serotonin werden im Darm produziert, die restlichen zehn Prozent im Gehirn.
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Ein Serotoninmangel kann unter anderem zu Depressionen, Unruhe, Schlaf- und Verdauungsproblemen führen. Das Serotonin-Syndrom, das entsteht, wenn unser Körper zu schnell zu viel Serotonin bekommt, äußert sich hingegen durch milde Symptome wie Erbrechen, Übelkeit, Durchfall, Schüttelfrost, Schweißausbrüche, Herzrasen und Fieber, kann aber auch ernste Symptome wie Nierenversagen, Krampfanfälle und Tod mit sich bringen. Der Allgemeinmedizinerin Dr. Jill Grimes zufolge sollten wir über das Serotonin-Syndrom vor allem wissen, dass es überhaupt existiert. Das ist entscheidend, um damit einhergehende potenziell lebensgefährliche Situationen zu erkennen – und dazu solltest du auch wissen, wodurch das Syndrom ausgelöst werden kann.
Tatsächlich gibt es mehrere Dinge, die das Serotonin-Syndrom bewirken können. Dr. Grimes erklärt, dass es aber meist mit Medikamenten zusammenhängt. „Die meisten Betroffenen sind junge Menschen, die SSRIs (Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, die als Antidepressiva verwendet werden) wie Lexapro, Zoloft oder Fluoxetin und gleichzeitig ADHS-Medikamente einnehmen – beides kann den Serotoninspiegel anheben –, und dann zusätzlich etwas anderes konsumieren, wie Ginseng-Getränke, Kokain, LSD oder auch nur ein Migräne-Medikament“, sagt Dr. Grimes. Um es kurz fassen: Das Serotonin-Syndrom entsteht am ehesten, wenn verschiedene Substanzen miteinander kombiniert werden, die den Serotoninspiegel heben. Abgesehen von SSRIs und anderen Medikamenten sind dazu laut Dr. Grimes auch Hustensaft oder Erkältungsmittel mit Dextromethorphan imstande. Die meisten Symptome des Syndroms zeigen sich innerhalb von einer bis sechs Stunden nach der Einnahme.
Du kannst das Serotonin-Syndrom aber auch entwickeln, ohne Medikamente einzunehmen. Die 27-jährige Monique erzählt, sie habe im letzten Oktober nach dem Konsum eines adaptogenen Drinks Symptome erlebt, die sie einem Serotonin-Syndrom zuschreibt. (Adaptogene sind pflanzliche „Stresskiller“.) „Ich arbeite als Camgirl und gönne mir gerne Drinks, wenn ich dauernd streame“, sagt sie. Nachdem sie auf TikTok dazu inspiriert wurde, weniger Alkohol zu trinken, wollte sie ein dort beliebtes alkoholfreies Getränk probieren. Der enthielt allerdings 5-HTP – ein Wirkstoff, der die Serotoninproduktion stimuliert. Monique trank vier Dosen innerhalb von zwei bis drei Stunden, ein absolutes No-Go. Die Marke, deren Drink sie kostete, empfiehlt, nicht mehr als vier Dosen in 24 Stunden zu trinken, und rät ganz von dem Konsum des Getränks ab, wenn du unter 18 oder schwanger bist, stillst, SSRIs einnimmst oder eine chronische Krankheit hast.
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Monique fielen die ersten Symptome rund 30 bis 45 Minuten nach der vierten Dose auf. „Ich glaube, ich konnte die letzte nicht mal austrinken, weil ich so stark zitterte. Mir war schlecht und ich schwitzte kalten Schweiß“, erzählt sie. „Das fühlte sich an wie eine Reaktion auf eine Droge. Ich war total verwirrt.“ Also googelte sie ihre Symptome – und das Erste, was auf alle davon zutraf, war das Serotonin-Syndrom. „Ich war total überrascht, weil ich keine Medikamente einnehme“, sagt sie. „Aber ich hatte eben zu schnell zu viel von dem Drink getrunken.“
Obwohl Monique mit ihren Symptomen nicht direkt zum Arzt ging, sprach sie später mit ihrer Therapeutin darüber. „Wir waren uns einig, dass [5-HTP und] Ginseng in diesen Mengen vermutlich nicht gut für mich ist“, sagt sie.
Wenn es um pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel geht – nicht nur um die in adaptogenen Getränken –, empfiehlt Dr. Grimes, immer Vorsicht walten zu lassen, wenn du schon ein serotoninsteigerndes Medikament einnimmst – und vor allem, wenn es mehr als eins ist. „Wenn Firmen alkoholfreie Getränke bewerben, die trotzdem eine Art ‚Rausch‘ erzeugen sollen, enthalten diese Getränke vermutlich Wirkstoffe, die sich auf den Serotoninspiegel auswirken“, erklärt sie. „Das Syndrom wird fast nie durch nur ein Getränk oder ein Supplement ausgelöst, aber wenn drei oder vier dieser Elemente zusammenkommen, kann dieses seltene, aber doch ernste Syndrom entstehen.“
Wenn du glaubst, selbst ein Serotonin-Syndrom zu erleben, solltest du dir am besten medizinische Hilfe holen – idealerweise in der Notaufnahme, meint Dr. Grimes. „Das ist nichts, was du abwarten solltest“, sagt sie, „sondern ein eindeutiger Notfall.“ Es gibt keinen Test, der das Serotonin-Syndrom bestätigen oder ausschließen kann. Daher lohnt es sich, sofort eine:n Profi um Rat zu bitten. Die Behandlungsform hängt davon ab, wie ernst deine Symptome sind.
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Obwohl es sich unheimlich anhört, sollten wir uns vor dem Serotonin-Syndrom nicht mehr fürchten als nötig, meint Dr. Grimes. Trotzdem: Wenn du dir das nächste Mal einen kleinen Serotonin-Boost gönnen willst – immer mit der Ruhe.
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