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„Mein Gesicht blutete“: Die Gefahren vom DIY-Microneedling

Design: Meg O'Donnell.
Wer neue Beauty-Trends ausprobiert, macht das oft nach dem Motto: „Wer schön sein will, muss leiden“. Dabei schauen wir allerdings viel zu häufig über die extremen Risiken hinweg, die entstehen, wenn professionelle Beauty-Tools in unprofessionelle Hände gelangen – insbesondere beim Microneedling.
Bei der auch als Dermarolling bekannten Behandlung kommt ein mit Nadeln versehenes Handgerät zum Einsatz, das über das Gesicht bewegt wird, um idealerweise die Kollagen- und Hyaluronsäureproduktion der Haut anzuregen. Das funktioniert, indem es die körpereigene Wundheilungsreaktion auslöst. „Durch neues Kollagen versiegeln sich die mikroskopisch kleinen Wunden. Dadurch können wir Narbengewebe neu formen und feine Falten reduzieren. Effektiv wird dabei das Kollagen wiedergewonnen, das beim Alterungsprozess verloren oder durch Akne beschädigt wird“, erklärt der Hautexperte und Kosmetiker Andy Millward. Nadeln zu benutzen, um die Haut zu regenerieren, hört sich vielleicht gruselig an (und das wird durch die Hunderten schaurigen, aber irgendwie faszinierenden Bilder, die du im Internet dazu findest, auch nicht gerade besser) – aber Millward zufolge ist der Prozess quasi schmerzfrei und nur wenig riskant, wenn er korrekt und mit einer örtlichen Betäubung durchgeführt wird.
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Und wie es aussieht, wird uns der Microneedling-Trend wohl auch noch eine Weile erhalten bleiben. Da wir uns in Sachen Skincare gerne von anderen inspirieren lassen, treiben Instagram und Co. die Beliebtheit von Microneedling immer weiter in die Höhe, wo Promis und Influencer die Behandlung als Geheimnis ihres strahlenden Teints anpreisen. Ihnen zufolge soll Microneedling leichte Falten und Narben reduzieren, die Hautoberfläche glätten, die Haut elastischer machen und den Teint ausgleichen – kein Wunder also, dass sich immer mehr eine eigene Microneedling-Maschine für zu Hause zulegen. Im Vergleich zur DIY-Ansatzblondierung oder -Maniküre ist es aber deutlich gefährlicher, die eigene Haut mit Hunderten kleiner Nadeln zu durchstechen, und kann sogar zu langfristigen Schäden führen.
Millward zufolge gibt es außerdem einen großen Unterschied zwischen kosmetischem (wobei die Epidermis, also die oberste Hautschicht, behandelt wird) und klinischem Microneedling, oft auch als „Medical Needling“ bezeichnet (hierbei geht es an die Dermis, die Hautschicht darunter). „Ein Gerät für zu Hause hat typischerweise zwischen 0,1 und 0,3 Millimeter lange Nadeln und wurde hauptsächlich dafür entwickelt, die Aufnahmefähigkeit der Haut für Pflegeprodukte zu verbessern“, sagt er. Bei einer professionellen Behandlung in einem Kosmetikstudio kommen hingegen 0,5 bis 1,5 Millimeter lange Nadeln zum Einsatz (oder sogar bis zu 3 Millimeter in einer dermatologischen Praxis), weil es dabei darum geht, eine „Wunde“ zu hinterlassen, die die Regeneration der Haut auslöst. Leider gibt es diese professionellen Microneedling-Roller inzwischen auch frei verfügbar im Internet zu kaufen. „Früher brauchte man einen medizinischen Hintergrund oder musste ein:e ausgebildete:r Kosmetiker:in sein, um die Maschinen kaufen und die Behandlung durchführen zu dürfen“, erzählt Lisa Montlake, Kosmetikerin und Mitbegründerin der Fern Skin Clinic. „Erst seit ein paar Jahren kann auch die Allgemeinheit online solche Geräte kaufen.“
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Ich fing währenddessen an zu bluten, machte aber weiter, weil ich dachte, das müsste so sein.

Lydia*
Die Preise für professionelle Microneedling-Behandlungen schwanken stark, beginnen aber häufig erst bei rund 100 bis 150 Euro. Eine kurze Google-Suche spuckt hingegen Tausende Microneedling-Roller mit professioneller Nadeltiefe aus, die nur einen Bruchteil davon kosten. Das sind aber oft minderwertige, unregulierte Importprodukte, denen meist nur wenige Informationen über die Herstellerfirma oder zur korrekten Anwendung beiliegen. Auch die Nadeln selbst können dabei gefährlich sein, wenn sie nicht aus hochwertigen Materialien wie Titan oder chirurgischem Stahl bestehen. Dadurch erhöht sich das Risiko, dass sich die Nadeln verbiegen – was nicht immer am Gerät sichtbar ist, der Haut aber ernsthafte Schäden zufügen kann.
Das kann Lydia* bestätigen. Nachdem sie online ein 1-Millimeter-Gerät gekauft hatte und es benutzte, reagierte ihre Haut negativ darauf. „Ich wollte das Microneedling ausprobieren, nachdem ich so viele Leute davon reden gehört hatte. Ich fand ein Gerät mit vielen positiven Reviews und Vorher-Nachher-Fotos“, erzählt sie. „Die Behandlung war so schmerzhaft, weil ich keine Betäubungscreme aufgetragen hatte. Ich fing währenddessen an zu bluten, machte aber weiter, weil ich dachte, das müsste so sein. Danach trug ich ein Aloe-Vera-Gel auf, um mein Gesicht zu kühlen, aber es brannte tagelang. Ich weiß bis heute nicht, ob meine Haut wirklich abgeheilt ist, weil ich noch immer Kratzer auf der Stirn habe, und auch überall sonst fühlt sich meine Haut im Gesicht an wie Schleifpapier.“
Millward erklärt, dass das Ganze umso schlimmer wird, wenn Leute nach der Microneedling-Behandlung zu Skincare-Produkten greifen, die nicht für die Verwendung auf verletzter Haut geeignet ist. „Hautpflege ist dafür gedacht, auf die Hautoberfläche aufgetragen zu werden und enthält häufig Stoffe wie Silikone, ätherische Öle, Duft- oder Konservierungsstoffe, die normalerweise kein Problem wären, weil unsere Haut sie einfach rausfiltert. Wenn solche Produkte aber nachder Nadelbehandlung aufgetragen werden, gelangen sie direkt in die Haut. Dadurch wird womöglich eine Immunreaktion ausgelöst, die die Haut empfindlicher machen und für allergische Reaktionen oder Ausschläge sorgen kann.“ Das kann sich dann beispielsweise in Form von Granulomen zeigen, bei denen weiße Blutzellen einen Fremdkörper umschließen, ohne es eliminieren zu können. Das führt zu kornähnlichen Unebenheiten unterhalb der Haut.
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So erging es Julia, nachdem sie ein Gerät einer angesehenen Marke mit vermeintlich „sicherer“ 0,25-Millimeter-Nadeltiefe verwendet hatte. „Das erste Mal, als ich es benutzte, fühlte es sich einfach wie ein Gesichtspeeling an. Der ganze Prozess kam mir nicht sehr invasiv vor, obwohl die Haut danach ein bisschen brannte und am nächsten Morgen gerötet war. Drei Tage später wiederholte ich das Ganze und spürte diesmal ein schmerzhaftes Brennen. Danach fiel mir eine kleine weiße Beule auf der Wange auf – eindeutig das Anzeichen einer Entzündung. Ich war entweder mit den Nadeln zu tief eingedrungen oder es waren Bakterien in meine Haut gelangt. Ich hörte danach sofort mit dem Microneedling auf.“

Durch zu viel Druck können nicht bloß Druckspuren oder blaue Flecken entstehen, sondern auch Mikrorisse.

Lisa Montlake
Das Infektionsrisiko ist besonders dann enorm hoch, wenn unregulierte Geräte in einer unreinen Umgebung verwendet werden. Es passiert auch leicht, dass man den Roller, ohne es zu ahnen, über eine bereits entzündete Gesichtspartie bewegt. In einer Klinik bzw. einem Studio wird für jede Behandlung ein neuer, steriler Microneedling-Aufsatz verwendet, der nach dem Besuch entsorgt wird, wohingegen Anwender:innen zu Hause denselben Aufsatz oft mehrmals verwenden. Der lässt sich zwar mithilfe von Alkohol desinfizieren, aber nur schwer komplett sterilisieren; meistens werden dabei nicht alle schädlichen Mikroorganismen abgetötet. Bei mehrfachem Gebrauch werden die Nadeln außerdem immer stumpfer, was sich negativ auf die Anwendung auswirkt. „Dadurch können durch zu viel Druck nicht bloß Druckspuren oder blaue Flecken entstehen, sondern auch Mikrorisse, die wiederum zu Narben und/oder Pigmentflecken führen können“, erklärt Montlake.
Noch dazu eignet sich nicht jeder Hauttyp zum Microneedling. „Manchmal ist das Treatment einfach nicht empfehlenswert, weswegen klinisches Medical Needling immer nur von qualifizierten Expert:innen durchgeführt werden sollte, und auch nur nach einem gründlichen Beratungsgespräch, bei dem die Haut untersucht wird“, erklärt Millward. Ihm zufolge sind viele Skeptiker:innen der Überzeugung, diese Beschränkung sei bloß eine Ausrede, um die Profite der teuren Profi-Behandlung einzufahren – dabei geht es dabei eigentlich um die Sicherheit der Kund:innen. Montlake stimmt zu und warnt davor, dass Microneedling zu Hause mit Nadeln, die länger sind als 0,5 Millimeter, mehr Schaden anrichtet als gut tut. „Bei einem Beratungsgespräch kann der:die Expert:in die beste Nadellänge für die individuellen Hautbedürfnisse feststellen. Dadurch ergibt sich eine hocheffektive Behandlung mit minimaler Erholungszeit.“
Klar, Corona hat uns dazu gezwungen, in Sachen Beauty häufiger auf DIY umzusteigen, aber zumindest das DIY-Microneedling ist mit enormen Risiken verbunden. Wer sich einen strahlenden Teint wünscht, sollte dazu vielleicht eher auf Methoden setzen, die keine mikroskopischen Wunden erfordern – und vor allem bei empfindlicher Haut.
*Name wurde von der Redaktion geändert.

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