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Wie luzide Träume mein Leben verschönert haben

Foto: Flora Maclean.
Meine erste Erfahrung mit luzidem Träumen (auch „Klarträumen“ genannt) war, wie viele nächtliche Visionen, sowohl bizarr als auch banal. Ich stand in einem U-Bahnhof, und als der Zug am Gleis einfuhr, wurde mir bewusst, dass er dabei viel anmutiger auf den Schienen entlangglitt als sonst. Die Räder kreischten nicht über das Metall am Boden, und die Waggons glänzten silber. Das kann nicht echt sein, dachte ich mir. Ich muss wohl träumen. Als sich die Türen öffneten, hob ich sanft meine Füße vom Boden und schwebte in den Zug. Nach mehreren Nächten, während der ich versucht hatte, mir während eines Traums darüber bewusst zu werden, dass ich träumte, hatte ich es endlich geschafft. Und dann wachte ich auf.
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Was ist „luzides Träumen“?

„Klarträume sind Träume, in denen du merkst, dass du träumst, und den Traum daraufhin kontrollieren kannst“, erklärt mir die Psychologin Dr. Shelby Harris, die sich auf die Schlafverhaltensmedizin spezialisiert hat. „Sie fühlen sich für jede:n anders an. Die meisten luziden Träume wirken aber sehr real und lebhaft.“ Das Phänomen wurde erstmals 1913 vom holländischen Psychiater Frederik van Eeden beschrieben, aber die tibetanischen Buddhist:innen praktizieren luzides Träumen schon viel länger als Form der Meditation. Selbst Aristoteles hatte davon gehört und schrieb: „Wenn jemand schläft, weist ein Teil des Bewusstseins darauf hin, dass das, was sich hier abspielt, lediglich ein Traum ist.“
Die Kontrolle des wachen Lebens, gepaart mit dem Eskapismus eines Traums – ich habe mich immer schon gefragt, ob es sich für einen unruhigen Menschen wie mich lohnen könnte, das luzide Träumen zu erlernen. Und damit bin ich nicht allein: Der TikTok-Hashtag #luciddreams voller Tipps für luzides Träumen hat über 940 Millionen Views angesammelt, und der Subreddit r/LucidDreaming zählt 478.000 Mitglieder. Es scheint, dass wir uns im gegenwärtigen Klima der steigenden Kosten und politischen Umbrüche mehr denn je danach sehnen, nachts das Fliegen zu erlernen oder im Traum auf Wunsch an jeden Ort der Welt reisen zu können.

Was passiert während eines Klartraums?

„Während eines luziden Traums arbeiten bestimmte Bereiche deines Gehirns ähnlich wie tagsüber, obwohl du weiterhin schläfst“, erklärt Dr. Harris. „Dein frontaler Cortex – der Teil deines Gehirns, der für Erinnerungen, Gefühle und Problemlösungen zuständig ist – ist ebenfalls aktiv. Das kann während eines luziden Traums zu deinem Bewusstsein und deiner Fähigkeit, dich selbst zu reflektieren, beitragen.“
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Abgesehen davon, dass du während eines Klartraums also den Hauptcharakter in einem fantastischen Szenario spielen kannst, bringt das luzide Träumen noch weitere Vorteile. „Klarträume können die Fähigkeit steigern, bei kreativen Aufgaben Lösungen für Probleme zu finden“, meint die Psychotherapeutin Heather Darwall-Smith, die sich mit der Beziehung zwischen Schlaf und geistiger Gesundheit beschäftigt.
Ihr zufolge kann luzides Träumen auch für verbesserte motorische Fähigkeiten und weniger Albträume sorgen. „Das therapeutische Potenzial davon, zu wissen, dass du träumst, und den Traum kontrollieren zu können, ist eine effektive Behandlungsmöglichkeit gegen Albträume“, erklärt sie. Ich beschloss, zwei Wochen lang zu versuchen, mir das Klarträumen beizubringen und so herauszufinden, ob ich im Schlaf somit auch mein waches Leben verbessern könnte – der ultimative Selbstoptimierungs-Hack für faule Menschen wie mich.
Ich lud also die Shape-App auf mein Handy, mit deren Hilfe man luzides Träumen erlernen können soll, und arbeitete mich durch die Lektionen. Die brachten mir bei, mir Ziele zu setzen und mich vor dem Schlaf zu entspannen. „Realitäts-Checks“ wurden zum festen Bestandteil meines Alltags. Jedes Mal, wenn die Benachrichtigung auf meinem Handy aufleuchtete, fragte ich mich, ob ich gerade wach war – in der Hoffnung, dass sich diese Gewohnheit irgendwann auch in meine Träume übertragen würde.
Dr. Harris empfiehl mir außerdem, ein Traum-Tagebuch zu führen. „Wenn du direkt nach dem Aufwachen deine Träume notierst, kann das dabei helfen, Details zu bemerken und Träume leichter als solche zu erkennen“, erklärt sie. Ich fing also an, jeden Morgen ordentlich meine Träume aufzuschreiben, bevor ich das Bett verließ. Ein paar Nächte lang passierte quasi gar nichts. Einmal erinnerte ich mich nach dem Aufwachen bloß noch an eine Excel-Tabelle – ein nicht ganz so subtiler Beweis für meine Deadline-Panik. Aber dann kam der U-Bahn-Traum, und die Erfahrung, mich selbst zum Schweben gebracht zu haben, verlieh mir einen Motivations-Kick, zur Profi-Klarträumerin zu werden.
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Ein paar Nächte später gelang es mir zum ersten Mal, während eines Traums einen Realitäts-Check durchzuführen. Ich stand in einem Café und schaute mir die Getränkekarte an der Wand an: Latte Macchiato, Cappuccino, Filterkaffee… Während ich mir die Namen der Getränke durchlas, erinnerte ich mich an den Rat, dass ich anhand von Text herausfinden sollte, ob ich gerade träumte. Ich schaute ein paar Sekunden lang weg und wieder zurück auf die Getränkeliste, um zu sehen, ob sie sich verändert hatte. Direkt in der Mitte der Liste war ein weiteres Getränk aufgetaucht: „Bejewelled Latte: Eine schaumige Kombi aus Milch, Matcha und Kaffee mit Schlagsahne und echten Diamanten.“ Es war also ein Traum! Ich tat das, was jede:r Taylor-Swift-Fan getan hätte, und bestellte mir den Drink.
Der tauchte daraufhin sofort in meiner Hand auf, und ich redete mir ein, ein Schluck würde mich direkt auf eine tropische Insel transportieren. Ich hob die Tasse an meine Lippen – und wachte prompt enttäuscht auf. Als ich dann jedoch wieder wegdöste, befand ich mich am Sandstrand einer scheinbar endlosen Insel voller Zypressen-Bäume. Dort verbrachte ich einen langen, faulen Nachmittag – der laut meines Weckers in Wahrheit nur rund 20 Minuten dauerte.
Ich habe jetzt zwei Wochen lang versucht, das Klarträumen zu erlernen, und obwohl ich es sicher noch nicht gemeistert habe, werden meine Träume immer klarer und lebhafter. Meine motorischen Fähigkeiten hingegen haben sich überhaupt nicht verbessern – ich bin tollpatschig wie eh und je –, aber ich hatte seit einigen Wochen keinen Albtraum mehr. Bevor ich abends die Augen schließe, setze ich mir meine Ziele und rede mir ein, dass mir schöne, glückliche Träume bevorstehen. Als chronische Schlafenszeit-Verdrängerin lerne ich außerdem, zielstrebig und zu einer vernünftigen Uhrzeit ins Bett zu gehen. Weil ich weiß, dass ich nachts womöglich spannende Abenteuer erlebe, fällt mir das immer leichter.
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Ein Traum-Tagebuch zu führen, hat meine Fantasie bestärkt, und das Ritual ist eine schöne Ergänzung meiner morgendlichen Routine. Anstatt direkt nach dem Aufwachen meine E-Mails zu checken, mache ich mir ein paar ruhige Gedanken zu meinen Träumen und meinem Schlaf in der letzten Nacht, bevor ich mich mit dem bevorstehenden Tag auseinandersetze. Die täglichen Realitäts-Checks lassen mich außerdem innehalten. Ich betrachte die Benachrichtigungen inzwischen als eine Art Erinnerung daran, mal durchzuatmen und in mich hineinzuhören. Dabei frage ich mich nicht nur, ob ich gerade träume, sondern auch, wie ich mich prinzipiell fühle. Ist mir kalt? Habe ich Hunger? Bin ich nervös?
Es ist allerdings wichtig zu bedenken, dass luzides Träumen nicht allen guttut – vor allem denjenigen, die unter Schlafstörungen oder Psychosen leiden. „Schlaf spielt in der geistigen Gesundheit und dem generellen Wohlbefinden so eine große Rolle. Dadurch kann sich alles, wodurch du ihn störst, enorm auf deine emotionale Regulierung, Erinnerungsverarbeitung und andere alltägliche Aspekte auswirken“, erklärt Heather. „Luzide Träume können, in Kombination mit bruchstückhaftem Schlaf, für Menschen mit bestimmten geistigen Erkrankungen oder Störungen die Grenze zwischen Realität und Fantasie verschwimmen lassen.“ Wenn du dir unsicher bist, ob Klarträume für dich geeignet sind, solltest du dir daher unbedingt vorher medizinischen Rat einholen.
Vielleicht werde ich eines Tages im Schlaf fliegen oder uralte Zivilisationen erkunden können. Bis dahin macht es mir aber schon Spaß, mein Unterbewusstsein ein bisschen besser kennenzulernen – und eine Schlafroutine zu erschaffen, die mir dabei hilft, meinen aufgeregten Kopf ein bisschen zu beruhigen.
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