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Was würdest du tun, um weiter im Homeoffice arbeiten zu können?

Foto: Gabby Jones.
Ganz ehrlich: Es nervt langsam, immer wieder zu hören, das Homeoffice sei der Anfang vom Ende unserer Gesellschaft. Als Corona so richtig losging, waren viele von uns dazu gezwungen, sich schnell daran zu gewöhnen, von zu Hause aus zu arbeiten – und das so produktiv wie möglich. Und obwohl zahlreiche Leute von sich behaupten, im Homeoffice sogar produktiver zu sein als im Büro, gibt es auch heute, Jahre später, noch viele überzeugte Gegner:innen des Konzepts. Ein Beispiel dafür ist ein Artikel, der vor Kurzem in der New York Times erschien und die Frage stellt, ob der Zuwachs an hybrider Arbeit und Homeoffice dafür gesorgt habe, dass Amerika „weich geworden“ sei (ja, wirklich). 
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Die Homeoffice-Gegner:innen argumentieren, unsere Einstellung zur Arbeit habe sich seit der Pandemie generell verändert – und zwar zum Negativen. Dabei hat uns Corona ja eigentlich dazu gebracht, mal einen realistischen, kritischen Blick darauf zu werfen, wie uns unsere Arbeit eigentlich beherrscht. Viele von uns räumen uns selbst, unserer Gesundheit und unserem Leben seitdem höhere Priorität ein als unseren Arbeitgeber:innen, unseren Jobs und Ambitionen. Und ist das nicht sogar eher eine positive Veränderung?
Vor der COVID-19-Pandemie arbeitete die 35-jährige Chandler Ford als Office-Managerin in einer Agentur. Bei einem Unfall hatte sie sich ihren Rücken verletzt und daraufhin die Diagnose Fibromyalgie bekommen – eine chronische Krankheit, die für körperliche Schmerzen und Erschöpfungssymptome sorgt. Chandler musste daraufhin eine reduzierte Arbeitsfähigkeit beantragen, damit sie die halbe Arbeitswoche im Homeoffice bleiben konnte. „Als ich noch im Büro arbeitete, musste ich dauernd die Treppen auf- und ablaufen, schwere Gegenstände anheben, den ganzen Tag über mit Leuten reden. Das wurde sehr, sehr schwer für mich, als ich dann mit der Krankheit zu kämpfen hatte“, erzählt sie Refinery29. Ihre Firma hatte Verständnis für Chandlers Situation und gewährte ihre Forderungen. Und dann kam Corona.
Chandler arbeitete von da an in Vollzeit von zu Hause aus und stellte schnell fest, dass diese Arbeitsumgebung am besten zu ihr passte – sowohl körperlich als auch mental. Wegen Corona musste die Firma das Büro schließlich aufgeben, und heute arbeitet Chandler weiterhin in Vollzeit als App-Entwicklerin im Homeoffice, in einem gemeinsamen Betrieb mit ihrer Partnerin. „Ich habe nie das Gefühl, meine eigene Gesundheit für meine beruflichen Verpflichtungen opfern zu müssen. Jetzt kann ich meine beste Arbeit leisten, wann immer ich dazu am besten imstande bin“, erzählt sie weiter. „Wenn ich mich dazu zwinge, die Aufgaben zu machen, obwohl ich gerade nicht mal einen vollständigen Satz über die Lippen bekomme, weil ich einen neurologisch schlechten Tag habe, bringt das absolut niemandem etwas. Auch mir nicht.“
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Auch andere würden gern komplett von zu Hause aus arbeiten. Die 26-jährige Madi wünschte sich eine bessere Work-Life-Balance und hatte schon seit Längerem mit der Idee gespielt, mit ihrem Mann in die Nähe ihrer Familie zu ziehen, als sie einen Job angeboten bekam, den sie zu 100 Prozent im Homeoffice erledigen könnte. Mit diesem Angebot ging sie zu ihren derzeitigen Vorgesetzten, um zu fragen, ob diese ein Gegenangebot für sie hätten. Obwohl ihr der neue Job 20.000 Euro mehr versprach, als sie zu dem Zeitpunkt verdiente, wollte sie gar keine Gehaltserhöhung oder Extra-Urlaubstage einfordern – nur eben die Freiheit, von zu Hause aus arbeiten zu können. Ihre Vorgesetzten sagten dennoch Nein. Letzten Monat hat Madi nun ihre neue Stelle angetreten.
Die 27-jährige Sam* sitzt im selben Boot. Während Corona war sie von ihrem Arbeitsort weggezogen, um näher am Meer zu wohnen. Obwohl sie seitdem dort lebt, wollte ihre Firma eigentlich, dass sie bis März 2022 in die Stadt zurückkehrte. „Ich zögerte die Rückkehr aber immer weiter hinaus. Vielleicht habe ich sogar mal geschwindelt, ich steckte in einem Mietvertrag fest, obwohl das gar nicht stimmte. Ich meinte: ‚Wenn ich den Vertrag breche, wäre das ein großes Problem!‘“ 
Daraufhin suchte sie nach Homeoffice- und Bürojobs an ihrem neuen Wohnort und ergatterte eine Position in einer Firma in der Stadt, die sie auch von zu Hause aus arbeiten ließ. „Ich bin dabei nicht direkt mit der Tür ins Haus gefallen. Ich sagte nichts wie: ‚Hey, ich liebe das Homeoffice, das ist für mich am besten.‘ Ich habe keine Kinder und auch keinen anderen Grund dafür, warum ich zu Hause bleiben müsste. Ich finde den sozialen und kreativen Aspekt der Zusammenarbeit in einem Büro sogar sehr cool, wollte aber eben nicht wieder von meinem Wohnort wegziehen“, sagt sie. „Die Arbeit von zu Hause aus war nicht der einzige Grund dafür, warum ich mir einen neuen Job suchte, gab mir aber definitiv die nötige Motivation dafür.“
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In Branchen, in denen das problemlos funktioniert, ist die Option zum Homeoffice (ob nun in Vollzeit oder nur an ein paar Tagen pro Woche) wirklich wertvoll. Flexible Arbeit erlaubt uns eine stärkere berufliche Selbstbestimmung; wir können besser darüber entscheiden, wie wir eigentlich arbeiten wollen, zu welcher Uhrzeit, und an welchen Tagen. Genau deswegen hängen so viele von uns an ihren Homeoffice- oder Hybrid-Arbeitsmodellen. Sobald diese Selbstbestimmungsmöglichkeiten nämlich in Gefahr geraten, kann sich das wie ein großer Verlust anfühlen. „Das ist so, als würde man mir meine Jobsicherheit oder meine Lieblingsbeschäftigung bei der Arbeit nehmen, weil ich mich eben daran gewöhnt habe“, erklärt Dr. Denise M. Rousseau, Professorin für organisatorisches Verhalten.
Und seien wir mal realistisch: Von der Arbeit im Büro haben schon immer vor allem heterosexuelle, weiße, cis Männer profitiert – insbesondere diejenigen, deren Frauen sich zu Hause um den Haushalt kümmerten. Remote-Arbeit kann eine Art Fluchtweg aus dieser Kultur und den damit einhergehenden Mikroaggressionen bieten. Das gilt vor allem für Menschen aus der LGBTQIA+-Community und Personen of color.
Natürlich lassen sich nicht alle Jobs von zu Hause aus machen; wer diese Option hat, genießt ein enormes Privileg. Es gibt nämlich durchaus Berufe, die ihren Ausführenden abverlangen, tatsächlich vor Ort zu sein – wie Jobs in der Dienstleistungsbranche, im Bauwesen, in der Pflege, in der Schule, und so weiter. Dennoch ist ein gewisses Maß an Kontrolle über den eigenen Beruf ein wichtiger Bestandteil der Jobzufriedenheit, und flexible Arbeitsmöglichkeiten verschaffen eben diese Kontrolle.
Aber auch das Homeoffice hat selbstverständlich nicht nur Vorteile, sondern bringt auch diverse Schwierigkeiten mit sich – wie das Gefühl der Isolation, die „Zoom-Fatigue“ (die Abneigung gegenüber Videoanrufen), das Verschwimmen von Berufs- und Privatleben sowie das konstante Gefühl, von besonders wachsamen Vorgesetzten und/oder Mitarbeitenden via Slack, Teams und Co. „angestarrt“ zu werden, die überprüfen, dass dein Status auch ja immer „Aktiv“ bleibt. Dazu kommt die „zweite Schicht“, nämlich die zusätzliche Bürde der Versorgung von Haushalt und Kindern (meist durch Frauen). Eine Umfrage von McKinsey ergab, dass Mütter während der Pandemie mit einer dreimal so großen Wahrscheinlichkeit wie Väter die Extra-Hausarbeit übernahmen, zusätzlich zu ihren Vollzeitjobs. Und diese „zweite Schicht“ kannten viele schon lange vor der Pandemie.
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Obwohl Chandler in ihrer aktuellen Situation glücklich ist, hat sie dennoch Angst davor, die Firma von ihr und ihrer Partnerin könnte scheitern. Das hieße dann, dass sie erneut nach einem Job suchen müsste. „Ich glaube, dass ich derzeit gar nicht in einen Büro-Alltag zurückkehren könnte, weil ich ehrlich gesagt Angst habe, wegen meiner chronischen Krankheit den körperlichen Erwartungen und Anforderungen nicht entsprechen zu können“, erzählt sie. „Ich weiß einfach, dass ich viel besser arbeite, wenn ich mich nach meinem Bedürfnis nach Erholung oder meinen Schmerzschüben richten kann. Das ist aber sehr schwer, wenn du dich dabei jemand anderem unterwerfen musst, der ganz eigene Erwartungen an dich hat. Ich würde demnach definitiv nach einem Homeoffice-Job suchen. Das schränkt mich aber in der Suche natürlich ein.“
Laut Dr. Xinyu (Judy) Hu, Professorin für industrielle und organisationelle Psychologie, erleben wir seit dem Beginn der Corona-Pandemie einen enormen Zuwachs an Firmen und Branchen, die Remote- oder Hybrid-Arbeitsmodelle anbieten. „Der Trend geht definitiv in diese Richtung, und wir erkennen positive Veränderungen hinsichtlich der Jobleistung sowie der beruflichen Zufriedenheit von Angestellten“, erklärt sie.
Um weiterhin von zu Hause aus arbeiten zu können, würden Chandler und Madi sogar eine Gehaltskürzung in Kauf nehmen. „Ich würde mich auch mit einem Job abfinden, für den ich überqualifiziert wäre – oder sogar nach einem, der meinem Interessenbereich nicht entspricht“, meint Chandler. 
Keine Frage: Die Corona-Pandemie war eine große Tragödie, hat uns aber auch dazu gezwungen, kreative Lösungen für schwierige Probleme zu finden. Das gilt auch für unsere Arbeit. „Wenn du dich damit konfrontiert siehst, dein Leben ändern zu müssen – zum Beispiel wegen einer Krankheit –, musst du dich dieser neuen Normalität hingeben. Das habe ich jedenfalls versucht“, erzählt Chandler. „Ich versuche es als positive Sache anzusehen, dass es mir das Homeoffice erlaubt, immer noch meinen Beitrag zu leisten, wichtige Dinge zu tun und mit anderen in Kontakt zu treten. Ich mache das heute alles einfach anders als früher.“
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Dr. Rousseau zufolge lernen wir jedes Mal, was eigentlich alles möglich ist, wenn wir in einer Krise eine Ausnahme machen oder etwas tun müssen, was wir zuvor nie getan haben. Das Homeoffice funktioniert – natürlich nicht für jede:n. Wer aber gern die Option dazu hätte, sollte sie auch bekommen. Denn ganz egal, ob es nun um eine 100%-Homeoffice-Position, ein Hybridmodell oder eine Vollzeit-Bürostelle geht: Arbeitskräfte sollten immer so arbeiten dürfen, wie es für sie am besten ist.
Die Welt ist heute eine andere als vor Corona – und Firmen, die auch in dieser neuen Welt relevant bleiben möchten, sollten daher unbedingt dafür offen sein.
*Name wurde von der Redaktion geändert.
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