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Warum es auch etwas Gutes hat, neidisch auf Freund:innen zu sein

Illustration: Anna Sudit
Ich würde mich selbst als eine ziemlich anständige Person bezeichnen: Ich spende regelmäßig Geld für wohltätige Zwecke, bin nett zu Kindern und habe sogar schon einmal ein Rezept für meine Nachbarin aus der Apotheke geholt, damit sich diese ältere Frau nicht bei Regen nach draußen zu wagen brauchte.
Und doch gibt es Momente, in denen ich heimliche, aber grauenhafte Neidanfälle habe. Nicht einmal diejenigen, die mir am nächsten stehen, sind davor gefeit. Obwohl mir meine Freund:innen und Familienmitglieder sehr am Herzen liegen (auch jene, mit denen ich hauptsächlich in den sozialen Medien kommuniziere), verspüre ich manchmal einen Anflug von Neid, wenn ihnen etwas Tolles passiert. Ein Facebook-Post, der mich darauf aufmerksam macht, dass jemand, den ich kenne, gerade einen tollen Job an Land gezogen hat, an einem exotischen, weit entfernten Ort Urlaub macht oder soeben ein Haus gekauft hat, versetzt mich in einen kurz andauernden – aber nicht unbedeutenden – Panikzustand. Schließlich gelingt es mir aber immer, meine Gefühlsaubrüche in den Griff zu kriegen und auf gesellschaftlich akzeptable Weise zu reagieren: Mit einem „Oh mein Gott, herzlichen Glückwunsch!“ zeige ich, dass ich mich für die Person in Frage freue. Im Anschluss füge ich vielleicht sogar noch einige Smiley-Emojis hinzu, damit ja außer Frage steht, wie toll ich das alles doch finde. Währenddessen ist mein eigentlicher Gesichtsausdruck steinern und lässt das genaue Gegenteil vermuten.
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Obwohl Neid ein zugegebenermaßen unattraktiver Charakterzug ist, bin ich erleichtert, dass ich nicht die einzige Person bin, der es so ergeht. Als ich meine Freundin Aletha nämlich leise frage, ob sie jemals durch die sozialen Medien gescrollt und sich so gefühlt hat, als seien die Leben der anderen viel aufregender, antwortet sie energisch, dass es ihr fast die ganze Zeit so gehe: „Natürlich weiß ich, dass alle auch ihre Problemchen haben. Dennoch kommt es mir unterm Strich so vor, als hätten es meine Freund:innen viel besser als ich.“
Wie es aussieht, geht es nicht nur Aletha und mir so: Laut einer aktuellen Studie sind nämlich 29 Prozent von uns heimlich neidisch auf eine:n Freund:in oder ein Familienmitglied, während 55 Prozent der Befragten ihre:n beste:n Freund:in beneiden. Darüber hinaus gibt es einige ziemlich überzeugende Beispiele dafür, dass wir Neid auf positive Weise nutzen können, anstatt ihn verdrängen zu müssen. Im Folgenden erfährst du, wie dir das gelingt.
„Es ist ziemlich unangenehm, darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass es jemandem gerade besser geht als dir oder dass eine andere Person in deinem Freundeskreis momentan erfolgreicher ist als du. Das ist besonders dann der Fall, wenn es sich um etwas handelt, das dir wichtig ist“, sagt die evolutionäre Sozialpsychologin Sarah Hill. „Das Gute daran ist aber, dass du so sehr wichtige Informationen über dich selbst erhältst und Neid zu deinem Vorteil nützen kannst.“
Das kriegst du hin, indem du deine Aufmerksamkeit auf das lenkst, worauf du neidisch bist. Während ich mich aufrichtig über Schwangerschafts- oder Verlobungsankündigungen freuen kann, sind es Beförderungen, abgeschlossene Buchverträge oder andere Beweise für einen beruflichen Aufstieg in dem Bereich, in dem ich tätig bin, die mir wahrhaftig zusetzen. „Tu deinen Neid nicht ab, sondern lass dich durch ihn dazu anspornen, das zu tun, was nötig ist, um das Gleiche erreichen zu können“, erklärt Sarah.
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Was zählt, ist, wie du mit deinem eigenen Neid umgehst
Sobald wir neidisch werden, schaffen wir ein Gefälle zwischen uns und der Person, die wir beneiden. Dieses Gefühl sorgt dafür, dass wir diese Lücke mit allen Mitteln schließen möchten. „Im Großen und Ganzen hilft Neid uns dabei, unser Verhalten auf solch eine Weise zu ändern, dass wir die Person, auf die wir neidisch sind, einholen können“, erklärt Sarah. „Manchmal kann dein Neidischsein dich dazu verleiten, deine Lebensumstände zu verbessern. In anderen Fällen kann es dazu führen, dass du der anderen Person ihre Erfolgserlebnisse missgönnst oder sogar etwas unternimmst, um ihren Vorsprung zu schmälern.“
Es ist also möglich, Neid als einen Tritt in den Hintern zu sehen. Mit der richtigen Einstellung zwingt er dich dazu, dir noch mehr Mühe zu geben, deine eigenen Ziele zu erreichen. Leider kann er auch zu ziemlich üblem Verhalten inspirieren, was ganz schön schlechte Folgen haben kann. „Keiner von uns ist perfekt. Es kann daher schon mal passieren, dass wir Dinge tun oder sagen, um den Erfolg einer anderen Person mieszumachen“, räumt Sarah ein. Sie rät dazu, dein Neidischsein stattdessen zu akzeptieren, zuzulassen und weiterzumachen. „Mach dir klar, dass Neid eine normale Emotion ist, das es dir aber ermöglicht, zu erkennen, dass du vielleicht nicht da bist, wo du im Leben eigentlich gerne wärst“, sagt sie. „Anstatt deinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, kannst du dich aus dieser unangenehmen und hilflosen Situation rausholen, indem du dir eingestehst, dass du neidisch bist und es in etwas Nützliches anstatt in etwas Destruktives verwandelst.“
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Entspann dich! Es ist genug Erfolg für alle da.
Wenn Freund:innen etwas Positives widerfährt, wirft das nicht automatisch ein schlechtes Licht auf dich, sagt die Psychologin Dr. Elizabeth Lombardo. Sie erklärt, dass wir unseren Selbstwert an Äußeres koppeln, wann immer wir uns mit anderen vergleichen und feststellen, dass wir nicht mithalten können. „So überlassen wir es unserer Umgebung und den sozialen Medien, wie sehr wir uns selbst schätzen", fährt Dr. Lombardo fort, Autorin von Better Than Perfect: 7 Strategies to Crush Your Inner Critic and Create a Life You Love. „Mit dieser Haltung kann es in jeder Situation bloß eine:n Gewinner:in oder eine:n Verlierer:in geben. Wenn eine andere Person also Erfolge verzeichnet, fühlst du dich gleich als Versager:in und umgekehrt.“
Neid wird zu einer harmlosen Emotion, wenn wir diese Win-Lose-Mentalität in eine Win-Win-Mentalität verwandeln, rät sie. „Wenn Freund:innen also das nächste Mal befördert werden oder einen tollen Urlaub machen, macht dich das nicht zu einem ‚Loser‘. Zeig stattdessen etwas Empathie für deine Lieben.“ Auch wenn es wehtut, von der Schwangerschaft deiner Freundin zu erfahren, weil du doch eigentlich gerade so gerne schwanger wärst, oder eine Beförderung dir klarmacht, dass es im Moment nicht so gut mit deiner Karriere läuft, solltest du nicht davon ausgehen, dass bei deinen Freund:innen in allen Sphären ihres Lebens Friede, Freude, Eierkuchen herrscht. Außerdem sind ihnen diese Erfolge bestimmt auch nicht einfach so in den Schoß gefallen.
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Neidisch zu sein, macht dich nicht zu einem schlechten Menschen
Egal, wie du nun auf deinen eigenen Neid reagierst, es ist wichtig anzuerkennen, dass es dich nicht unbedingt zu einem Arschloch macht. Sei also nachsichtig mit dir selbst.
Psychotherapeutin Annie Wright erklärt, dass Neid eine normale und natürliche Emotion ist. Er kann sowohl von Menschen ausgelöst werden, die uns nahestehen, als auch von solchen, die wir nicht kennen. Darüber hinaus ist es durchaus möglich, jemanden zu lieben und das Beste für diese Person zu wollen und trotzdem neidisch auf etwas zu sein, das sie hat und du nicht. „Wir sind komplexe emotionsgeladene Wesen. Wir sind in der Lage, unterschiedliche Gefühle uns selbst und anderen Menschen gegenüber zu haben“, fährt Annie fort. „Wir können unsere Freund:innen innig lieben und ihnen alles Glück der Welt wünschen und gleichzeitig neidisch auf bestimmte Bereiche ihres Lebens sein. Das ist nicht nur kein Widerspruch, sondern außerdem völlig in Ordnung.“

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