Ich habe vor zwei Jahren geheiratet und den Namen meines Mannes angenommen. Mein ursprünglicher Nachname ist jetzt mein zweiter Vorname; mein eigentlicher zweiter Vorname ist heute ganz verschwunden. Meinem Mann war das alles relativ schnuppe. Er war zwar geschmeichelt, dass ich seinen Nachnamen übernehmen würde; es wäre ihm aber auch egal gewesen, hätte ich es nicht getan. Ich wollte aber. Meine Mutter hatte es getan, und ich hatte für mich selbst auch immer damit gerechnet.
Erst etwa einen Monat nach unserer Hochzeit, als ich meinen Führerschein erneuern musste, wurde die Namensänderung plötzlich sehr real. Als ich den Papierkram ausfüllte, fing ich an zu zweifeln. Warum mache ich das eigentlich? Ist das antifeministisch? Durch den bevorstehenden Namenswechsel fühlte ich mich meinem Mann nicht näher, sondern eher, als würde ich schrumpfen. Ich hatte das Gefühl, einen Teil meiner eigenen Identität zu begraben – und wofür? Um einen Nachnamen anzunehmen, der eine Geschichte mit sich brachte, zu der ich überhaupt keine Beziehung hatte?
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Ich sprach mit meinem Mann darüber, wie sehr sich meine Sicht dahingehend plötzlich geändert hatte, und er ermutigte mich, die ganze Namensänderung einfach sein zu lassen. Aber das wollte ich nicht. Meine Liste mit Argumenten für die Namensänderung schien meine neuen Zweifel zu überschatten. Ich wollte, dass wir – und eventuelle zukünftige Kinder – denselben Nachnamen hatten. Ein Teil von mir wünschte sich außerdem, ein bisschen Distanz zwischen mir und meinem ursprünglichen Nachnamen aufzubauen, um symbolisch einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen – einen, in dessen Mittelpunkt die Familie stand, die ich hier mit meinem Partner aufbaute. Noch dazu fand ich seinen Nachnamen auch einfach schöner als meinen eigenen, und er selbst hatte eine viel tiefere Beziehung zu seinem Namen als ich (schließlich war ich schon immer davon ausgegangen, mich von meinem früher oder später verabschieden zu müssen). Ich glaube nicht, dass er meinen Namen angenommen hätte, obwohl ich ihn nie ernsthaft gefragt habe.
Mein Unbehagen blieb aber. Inzwischen trage ich denselben Nachnamen wie mein Mann, und mir gefällt’s – aber ich vermisse auch meinen alten, und meistens in ganz spezifischer Hinsicht. Zum Beispiel hatte ich immer gemocht, wie mein zweiter Vorname (mit einem „B“) meine Initialen schön abrundete. Aus „MBK“ wurde jetzt aber „MKZ“. Außerdem fehlt es mir, meinen alten Nachnamen am Telefon zu buchstabieren und dabei „F F wie Frank Frank“ zu sagen, wie meine Mom es immer tut – dabei musste ich jedes Mal an sie denken. Und obwohl ich meine Schwiegereltern liebe, fühlt es sich komisch an, einen Nachnamen mit ihnen zu teilen; das bindet mich auf eine Art an sie, die mir vorher nicht ganz bewusst war. Außerdem frage ich mich, ob es falsch war, einer durch und durch patriarchalischen Tradition zu folgen, die ich mir relativ leicht hätte ersparen können.
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Diese letzte Sorge kommt nicht von irgendwoher. Als ich mich in meinem Umfeld umhörte, was die Leute denn so davon hielten, wenn Frauen nach einer Hochzeit die Namen ihrer Männer annahmen, erwähnten viele die sexistischen Wurzeln dieser Tradition. Renée Warren, CEO und Gründerin der Business-Coaching-Firma We Wild Women, erklärte mir ihre Entscheidung, ihren Namen nach der Hochzeit zu behalten: „Ich bin Feministin und musste mir außerdem eine kleine Brand rund um meinen eigenen Namen aufbauen. Den nach der Hochzeit zu ändern, fühlte sich für mich nicht nur irgendwie falsch an, sondern auch so, als würde ich den Feminismus dadurch um ein paar Jahre zurückwerfen.“ Da stimmt auch Sabrina Beaumont, 40, CMO von Passion Plans, zu. „Die Praxis, den Namen des Ehepartners anzunehmen, befeuert den tief verwurzelten Sexismus in unserer Gesellschaft. Wenn irgendwas anderes dahinterstecken würde, würden 50 Prozent aller Paare den Nachnamen der Frau annehmen, aber das ist nicht der Fall. Ohne sinnvolle Begründung ist das eine Tradition, die wir abschaffen sollten.“
Wer glaubt, die Tradition sei gar nicht mehr so verbreitet, irrt: In Deutschland entscheiden sich nur sechs Prozent aller Ehepaare für den Namen der Frau, und drei Viertel für den Namen des Mannes. Dabei würde sich knapp die Hälfte aller Frauen in Deutschland als emanzipiert und selbstbewusst bezeichnen. Das heißt, dass es da draußen viele Leute gibt, die sich – wie ich – als Feminist:innen bezeichnen und trotzdem bei dieser patriarchalischen Tradition mitmachen. (Damit meine ich die Namensänderung, nicht die Ehe als solche.)
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Ein großer Teil der Befragten war der Meinung, das Ganze sei ein Zeichen des Respekts der Frauen gegenüber ihrer Männer, und diese Antwort gefiel mir überhaupt nicht.
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Wenn ich bedenke, wie viel ich mir über das Thema den Kopf zerbrochen habe, überrascht es mich schon, dass viele daran scheinbar gar keinen Gedanken verschwenden. In einer kleinen Studie von 2013, in der Student:innen zum Namenswechsel befragt wurden, kam heraus, dass die Hälfte der Befragten die Praxis für keine große Sache hielt. Der Großteil betrachtete die Namensänderung als familiäre Erwartung, eine ehrenwerte Tradition, eine Möglichkeit, die Familie zu vereinen, oder schlicht und ergreifend als „einfacher“. Sehr wenige Teilnehmer:innen fanden, die Tradition sei dazu da, einem Mann Macht über seine Frau zu verleihen – aber ein großer Teil der Befragten war doch der Meinung, das Ganze sei ein Zeichen des Respekts der Frauen gegenüber ihrer Männer, und diese Antwort gefiel mir überhaupt nicht.
Wenn die Befragten angaben, nicht ganz begeistert von der Namensänderung zu sein, hatte das aber weniger mit ihrer Einstellung zum Patriarchat zu tun als mit ihrem Selbstempfinden. Sie sprachen davon, durch die Aufgabe des Namens einen Teil der persönlichen, beruflichen und insbesondere familiären Identität zu verlieren – und das sahen auch die Leute so, mit denen ich persönlich drüber sprach. Iqra Mehrin Azhar zum Beispiel sagte mir: „Als Frau mit pakistanisch-südasiatischen Wurzeln weiß ich zwar aus meiner Kultur, dass die Frauen üblicherweise die Namen ihrer Männer annehmen. In meiner Jugend identifizierte ich mich aber sehr stark mit meiner religiösen Identität, der einer Muslima. Und als stolze muslimische Frau weiß ich, dass Gott die Namensänderung im Islam nicht verlangt“, erzählt die 33-jährige Marketing-Kauffrau. „Wenn ich den Namen meines Mannes angenommen hätte, hätte sich das für mich angefühlt, als würde ich meine Familie und Vergangenheit zurücklassen.“
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Rayna Weiss, 35, machte sich hingegen eher Sorgen darüber, dass es kulturell unangebracht sein könnte, den kolumbianischen Namen ihres Mannes – Londoño – anzunehmen, weil sie selbst keine Kolumbianerin ist. Außerdem war sie sich mit ihrem Mann darin einig, dass auch die lateinamerikanische Tradition, an den Namen einer verheirateten Frau ein „de“ plus den Namen ihres Mannes ranzuhängen, chauvinistisch und besitzergreifend sei. Sie wollte nicht Rayna Weiss de Londoño sein – also quasi „Rayna Weiss aus der Londoño-Familie“ –, also behielt sie ihren ursprünglichen Namen.
Für andere ist es aber genau die familiäre Geschichte des eigenen Nachnamens, der sie dazu motiviert, ihn abzulegen. Die Autorin Carol Gee, 71, erzählt mir, dass es eben „einfach so üblich“ gewesen sei, als sie vor 48 Jahren den Namen ihres Mannes annahm – dass es aber auch Zweifel an ihrer väterlichen Abstammung gegeben habe und sie daher den alten Namen ohnehin habe ablegen wollen. Andere erzählten mir auch, sie hätten ihre Nachnamen loswerden wollen, um eine missbräuchliche Familienvergangenheit hinter sich zu lassen.
In meinem Fall ging es mir mit der Namensänderung hauptsächlich darum, mich dadurch so zu fühlen, als würden mein Mann und ich uns gemeinsam etwas aufbauen – eine eigene Familie. Vor unserer Hochzeit waren wir schon rund ein Jahrzehnt lang zusammen gewesen und hatten die Hälfte davon zusammengewohnt. Seinen Namen anzunehmen war wie ein greifbarer Schritt in Richtung eines Neuanfangs. Dr. Simon Duncan, Professor für vergleichende Sozialwissenschaften an der University of Bradford, betont aber, dass viele Frauen ihren Namen nicht bloß ändern, um sich wie eine einheitliche Familie zu fühlen, sondern auch so auszusehen. „Ihr müsst nicht nur eine gute Familie sein, sondern auch von anderen Leuten als gute Familie gesehen werden“, erklärt er und fügt jedoch gleich hinzu, dass genau diese Erwartung durch institutionalisierten Sexismus bestimmt wird. Dieser Druck trifft vor allem Paare, die ohnehin von der Gesellschaft oft entwertet werden, – wie LGBTQ-Pärchen.
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„Ich weiß gar nicht, ob wir je bewusst drüber nachgedacht haben – aber ich glaube, als Paar haben wir immer versucht, uns an unsere heterosexuellen Freund:innen anzupassen“, meint Ali Sousa, 31, die 2018 ihre Frau Carly heiratete. „Wir wünschen uns, unsere Kinder in einer Welt großzuziehen, in der unsere Familie so ist wie jede andere, nur dass unsere Kinder eben zwei Mütter haben. Ich glaube, dass wir alle denselben Nachnamen haben, wertet uns in den Augen heterosexueller Familien auf.“
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Können wir immer genau sagen, welche Rollen wir uns selbst bewusst ausgesucht haben und in welche wir quasi „reingerutscht“ sind?
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Carly erzählt, dass die Wahl des gemeinsamen Nachnamens bei ihnen eher so eine „Schere-Stein-Papier-Sache“ war. Für Ali, die ihren Namen aufgab, war die Veränderung gewöhnungsbedürftig, aber letztlich aufregend. In Carly hingegen löste die Entscheidung andere Gefühle aus. „Es war schwer für mich, meinen Nachnamen nicht aufzugeben“, sagt sie. „Ich hatte echt Probleme damit, mich an die Rollen, Verantwortungen und Normen einer homosexuellen Beziehung zu gewöhnen. Für mich bedeutete das Behalten meines Nachnamens, dass ich quasi ‚der Mann in der Beziehung‘ war. Lange dachte ich deswegen: ‚Oh Mann, ich bin hier also der Kerl, das ist doch scheiße. Ich will nicht die Hosen anhaben. Ich will nicht, dass mich alle für die maskuline Hälfte halten. Ich will eine schöne, attraktive, feminine Frau sein. Ich will die Mutter sein.’“
Carly konnte diese Ängste irgendwann begraben – aber erst, nachdem sie lange über die Rollenverteilung in ihrer Beziehung nachgedacht hatte, inklusive in Sachen Haushalt. „Ich glaube, wir haben Möglichkeiten gefunden, mit denen sich Carly als die Femininere von uns beiden fühlt“, erklärt Ali. „Zum Beispiel machte ich ihr den Antrag. Und obwohl wir bei unserer Hochzeit beide zum Altar schritten, ging ich zuerst – so hatte Carly den ‚Braut-Moment‘. Obwohl das vielleicht nicht die ganz großen, wichtigen Rollen in einer Beziehung sind, ging es uns darum, dass sie sich nicht so fühlte, als müsste sie immer die Rolle des Namensgebers spielen.“
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Während ich so mit Carly und Ali über heteronormative Rollenverteilung sprach, machte es in mir Klick: Meine Sorgen hatten gar nicht nur mit meiner Namensänderung zu tun. Diese Entscheidung, meinen Namen loszulassen, hatte mir einfach aufgezeigt, wie ich mich in das Ehe-Konstrukt einzufügen hatte: nicht als gleichberechtigte Partnerin, oder auch nur als eigenständiges Individuum. Mein Mann und ich sind beide Feminist:innen und versuchen immer, unsere Beziehung gut zu durchdenken, aber Gender-Rollen sind tief verwurzelt. Können wir immer genau sagen, welche Rollen wir uns selbst bewusst ausgesucht haben und in welche wir quasi „reingerutscht“ sind? Schließlich fühlt es sich manchmal wie die richtige Entscheidung an, still hinzunehmen, was uns aufgezwungen wird.
Vor unserer Hochzeit hatte ich mich immer mit der Rollenverteilung in unserer Beziehung wohlgefühlt – größtenteils, weil ich den Eindruck hatte, immer noch völlig unabhängig von meinem Partner zu sein. Obwohl wir zusammenwohnten, waren wir zwei getrennte Einheiten, deren Leben sich hier und da überschnitten. Nach unserer Hochzeit fing ich aber an, Aspekte unserer Beziehung zu hinterfragen, die mich nie gestört hatten – obwohl ich unsere zwei Leben definitiv paralleler zueinander ausrichten wollte. Zum Beispiel weigerte ich mich plötzlich, den Abwasch zu machen; eine Aufgabe, die wir uns früher immer geteilt hatten. Als mein Mann mich fragte, ob wir ein gemeinsames Bankkonto eröffnen wollten, zögerte ich ewig. Ich vertraue ihm, seinen Prinzipien und seinem Respekt für mich – aber ich habe Angst davor, meine Selbstständigkeit zu verlieren. Ich habe Angst davor, „eine Ehefrau“ zu werden.
Lori Axler Miranda, 41, sagt mir, dass sie diese Spannung zwischen ihm und mir sehr gut versteht. Sie selbst fühlte sich mit den Gender-Rollen in ihrer Ehe immer unwohler, nachdem sie ihr erstes Kind zur Welt gebracht hatte und der Großteil der Arbeit an ihr hängen blieb. „Ob ihr es so plant oder nicht: Die Gender-Rollen verlagern sich ganz von selbst. Wir wurden plötzlich in diese sehr stereotypischen Rollen gedrängt, in denen wir vorher nie waren“, erzählt sie. Loris Einstellung dazu, dass sie den Namen ihres Mannes angenommen hatte, änderte sich auch, sobald die Kinder kamen. „Es fühlt sich einfach komisch an, deinen eigenen Namen zu ändern, der ja ein Teil deiner Identität ist, nur weil du heiratest. Und von den Männern wird das nicht erwartet“, sagt sie. „Nachdem die Kinder da waren, kam aber noch mehr Frust dazu: Ich war diejenige gewesen, die die Kinder ausgetragen, geboren und gefüttert hatte – und trotzdem haben sie den Namen meines Mannes.“
Nachdem ich mich durch so viele Studien zu dem Thema gelesen und mit Dutzenden Leuten darüber gesprochen habe, weiß ich: Es gibt hier keine „richtige“ Lösung. Jede:r hat ganz eigene Gründe dafür, den eigenen Namen abzulegen – oder eben nicht. Nachdem ich mir meine eigenen Gründe genauer angesehen habe, stört mich meine Entscheidung zur Namensänderung nicht mehr so wie früher. Ich habe verstanden, dass mein Unbehagen ein Symptom, aber nicht die Quelle meiner Unsicherheiten rund um die Bedeutung einer Ehe war. Wenn mich heute aber jemand um meine Meinung dazu bittet, würde ich vermutlich vorschlagen: Nimm dir ein Jahr Zeit, bevor du deinen Namen wirklich ablegst, um ihn auszuprobieren. Finde heraus, welche Gefühle das in dir auslöst – und dann kannst du den Wechsel immer noch offiziell machen.
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