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Ich bin Ex-Stripperin & diese Mythen über Stripper:innen nerven mich

Foto: Lexi Laphor.
Es geht doch nichts über den versifften Glamour eines Stripclubs – nur scheint die Popkultur (und der Großteil der Menschheit) nicht so richtig zu wissen, wie genau dieser wirklich aussieht. Ich arbeitete vor meinem Studium ein paar Monate als Stripperin, und diese Erfahrung entsprach überhaupt nicht den Erwartungen, die ich davor gehabt hatte. Die Mythen und Irrglauben, die dazu kursieren, sind der Wahnsinn. Dasselbe gilt für die bedauerliche Stigmatisierung des Jobs als Stripper:in (und der Arbeit in der Sex-Industrie generell).
Um mit diesen Stigmata hoffentlich ein bisschen aufzuräumen, habe ich hier ein paar der Fragen aufgeschrieben, die mir als Stripperin oft gestellt wurden – sowie die diversen Mythen, die du zu dem Job zu hören bekommst.
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Warum bist du Stripperin geworden?

Das hatte zwei Gründe: Erstens wollte ich als 18-Jährige jede Erfahrung mitnehmen, die sich mir anbot – und zweitens wegen des Geldes. Du wirst nirgendwo sonst einen Einstiegsjob finden, der sich finanziell bei diesen Arbeitszeiten sofort so auszahlt. 
Meine Logik dahinter: Ich konnte entweder einen 40-Stunden-Job mit Mindestgehalt in der Gastronomie machen – oder drei Abende pro Woche für deutlich mehr Geld im Stripclub arbeiten.

Wie sind die Arbeitsbedingungen?

Das hängt zu 100 Prozent von dem jeweiligen Stripclub und dem dortigen Management ab. Um die Sicherheit der Tänzer:innen zu gewährleisten, gibt es strenge Regeln. Wenn sich dir gegenüber jemand unangebracht verhält, kannst du einen Tanz sofort abbrechen. Dafür musst du das Geld auch nicht zurückzahlen.
Meistens arbeitest du als Stripper:in selbstständig. Es gibt aber auch Clubs, in denen die Tänzer:innen festangestellt sind. Häufig arbeitest du in Acht-Stunden-Schichten. Einige Clubs haben es gern, wenn du fünfmal pro Woche arbeitest; andere geben sich auch mit weniger zufrieden. Wie bei jedem anderen Job variiert das von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz.

Welche Zusatzkosten gehören dazu?

Weil du verschiedene Schuhe, Outfits, Beauty-Behandlungen und zum Beispiel auch mal Poledancing-Unterricht brauchst, kann das schnell teuer werden, wenn dein Club die Kosten nicht übernimmt. Du kannst versuchen, so günstig wie möglich dabei wegzukommen, brauchst aber doch eine größere Auswahl an Lingerie und Bikinis. Dazu kommen die Fahrtkosten. All das summiert sich schnell.
Auch deine geistige Gesundheit zahlt ihren Preis: Viele lange Nächte, die Alkohol- und Drogenkultur sowie der Einfluss davon, dass so viel Aufmerksamkeit auf deinen Körper und dein Aussehen fokussiert wird – all das kann sich definitiv auf deine mentale Gesundheit auswirken.
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Wie viel Geld verdienst du an deinem durchschnittlichen Abend?

So etwas wie einen „durchschnittlichen“ Abend gibt es nicht. Das alles hängt davon ab, in welcher Stadt du bist, in welchem Club du arbeitest, wo der liegt, und ob es ein Wochen- oder ein Wochenendabend ist. Manche Clubs zahlen einen fixen Betrag pro Abend (ab 150 Euro aufwärts) oder Auftritt. Wenn du mit einer Agentur zusammenarbeitest, musst du an diese womöglich eine Vermittlungsgebühr abtreten. 

Die häufigsten Mythen über Stripper:innen

„Das ist, als würdest du jeden Abend Party machen.“

Nein. Im Ernst: Dieses Tanzen ist überhaupt nicht wie im Film. Es ist eher so, als wärst du beim Vorglühen dabei, nicht aber bei der tatsächlichen Party – denn ein großer Teil des Jobs ist einfach nur Rumsitzen und Plaudern. Wenn dein Abend aber sehr voll ist und du mehrere Tänze hintereinander gebucht hast, ist das wie das anstrengendste Workout deines Lebens. Da sagst du den Kund:innen dann vielleicht auch mal, du musst aufs Klo, nur damit du mal für fünf Minuten durchatmen kannst.

„Strippen ist wohl deine einzige Option.“

Es war definitiv nicht meine einzige Option, ist aber oft die Option mit der schnellsten finanziellen Stabilität. Ich finde es wichtig, das anzuerkennen – denn der Job erlaubt Tänzer:innen (oft Frauen) mehr Zeit für ihr Studium, ihre Familien, Hobbys, für andere Jobs oder auch einfach für sich selbst.
Denk einfach daran, dass diese Tänzer:innen freiwillig dort sind. Ich mag die komischen Typen nicht, die in einer Ecke sitzen und sich quasi für Prinz Charming halten, weil sie sich keinen Lapdance von den Stripper:innen erkaufen, als seien die so eine Art „Jungfrau in Nöten“. Stripper:innen wissen, was sie tun, und sie wollen an dir Geld verdienen. Also gib es ihnen auch.
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„Das macht dir doch in Wahrheit keinen Spaß.“

Manchmal hat es mir durchaus Spaß gemacht, manchmal war es aber auch unheimlich langweilig – so wie bei jedem anderen Job. Meine Meinung: Eine Arbeit muss nicht total viel Spaß machen, um eine legitime Art des Einkommens zu sein.

„Die Kund:innen sind doch nur gruselige alte Männer.“

Ich liebe diesen Mythos, denn er stimmt einfach überhaupt nicht. Klar, einige der Kund:innen sind definitiv gruselige alte Männer – davon habe ich aber viel mehr kennengelernt, als ich in einem Café gearbeitet habe, als im Stripclub. Die meisten Kund:innen sind ganz normale Leute.

„Als Stripper:in kann man ja keine romantische Beziehung führen.“

Wenn dein:e Partner:in ein anständiger Mensch ist, kannst du das natürlich! Das erfordert einfach gute Kommunikation. Ich habe definitiv merkwürdigere Reaktionen von meinen Partner:innen bekommen, als ich ihnen erzählte, dass ich mal gestrippt habe, als damals, als ich noch strippte. Meinem jetzigen Partner ist das aber total egal.

„Ihr verdient euch jeden Abend dumm und dämlich.“

An einigen Abenden verdient man vielleicht sehr viel, an anderen wiederum gar nichts. Das kann ein bisschen deprimierend sein, aber: Wenn an einem Abend niemand durch deine Tür kommt, verdienst du eben auch kein Geld. 

„Du kannst als Frau nicht gleichzeitig Stripperin und Feministin sein.“

Dieser Mythos ist so ein Quatsch. Wenn dein Feminismus in irgendeiner Hinsicht ausgrenzend ist, ist es kein echter Feminismus. Die Rechte von Sexworker:innen sind die Rechte von Frauen. Moral sollte hier nicht mal eine Rolle spielen. Ganz egal, ob du persönlich einen Stripclub besuchen würdest, kannst du dich für Sexworker:innen und ihre Rechte einsetzen. Wenn wir uns um Gleichberechtigung bemühen, gleichzeitig aber verurteilen, wie manche Frauen finanzielle Gleichberechtigung erlangen, hat das mit Feminismus nichts zu tun. Das ist dann bloß sexistische Ignoranz.
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Die Sex-Industrie erlaubt es Menschen, finanzielle Freiheit zu erlangen, die ansonsten im westlichen Kapitalismus unproportional benachteiligt und/oder ausgeschlossen wären. Die flexiblen Arbeitszeiten eignen sich auch super für diejenigen von uns, die keinen Vollzeitjob von 9 bis 17 Uhr machen können oder wollen. Dazu gehören zum Beispiel auch chronisch kranke oder neurodivergente Menschen oder Menschen mit Be_hinderungen. Feminismus schließt niemanden aus – und das solltest du auch nicht.
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Ich würde meine Zeit als Stripperin letztlich als Mischung aus lustigen, langweiligen, merkwürdigen, wilden und manchmal auch leicht traumatischen Erfahrungen beschreiben. Obwohl du anfangs vielleicht nicht nachvollziehen kannst, wieso wir diesen Job ausüben, ist es wichtig, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Immerhin tauschen wir alleunsere Zeit und Mühe gegen ein Einkommen ein. Monetarisieren wir unsere Körper also nicht alle in irgendeiner Form?
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