Eins muss man dem Internet lassen: Es hat ein Händchen für das Erfinden von Begriffen, die einfach im Kopf hängen bleiben. Der neueste davon: „Masterdating“.
Dafür, dass sich das vielleicht erstmal anstrengend anhört, ist Masterdating in Wahrheit überraschend entspannend, und vielleicht sogar heilsam. Dieser Beziehungstrend gehört nämlich eindeutig zur Kategorie „Selfcare“: Dabei geht es darum, dich selbst mit Geschenken und Erlebnissen zu verwöhnen, in deren Genuss meist nur Menschen in Beziehungen kommen. Oder um es anders zu sagen: Es geht darum, dich selbst zu daten. Der Begriff ist ein Wortspiel und eine Abwandlung von „masterbating“, dem „professionellen“ Masturbieren. Auch beim Masterdating geht es um Solo-Spaß – aber eben in gesellschaftlich akzeptabler Form. Soll heißen: Warum eroberst du nicht mal dein eigenes Herz im Sturm und gehst alleine ins edelste Restaurant der Stadt?
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Aktuell bringt es der Hashtag #masterdating auf TikTok auf fast fünf Millionen Aufrufe. Der Trend scheint sich also zu verbreiten, und angesichts der Tatsache, dass das Dating für viele inzwischen zur echten Qual geworden ist, ist es wohl kaum überraschend, dass manche jetzt ganz darauf verzichten, andere Leute zu daten – und lieber sich selbst daten.
„‚Masterdating‘ hat enorm viele Vorteile“, meint auch die Psychologin Dr. Tamara Cavenett. „Du entwickelst dich persönlich weiter, weil du deine Komfortzone verlässt, Neues ausprobierst und Zeit zum Nachdenken hast. Das kann dazu führen, dass du mehr über dich selbst erfährst, als du vorher wusstest, und dein Selbstbewusstsein stärkst.“
Viele Leute finden die Vorstellung, alleine in der Öffentlichkeit etwas zu unternehmen – und das an Orten, an denen man sich typischerweise in Gruppen oder Paaren aufhält –, erstmal gruselig. Der Gedanke, abends allein in einem Restaurant zu essen, kann da besonders furchteinflößend sein.
Aber hey: Alleine in ein Restaurant zu gehen, kann tatsächlich eine unglaubliche Erfahrung sein. Denk nur mal an die endlose Essensbestellungsdebatte zu Hause mit einem Partner oder einer Partnerin: „Ich hab nicht so Lust auf Pizza“, „Nee, heute bitte keine Burger“, „Hmm, nö, kein Sushi“. Und jetzt stell dir mal vor, du bist allein und musst nicht den Geschmack oder die Vorlieben einer anderen Person bei deiner Entscheidung berücksichtigen. Klingt ziemlich gut, oder?
Aber auch abgesehen davon, dass du so vielleicht endlich mal das Tapas-Restaurant ausprobieren kannst, in das dein:e Ex nie mit dir gehen wollte, fördert deine Unabhängigkeit und dein Selbstbewusstsein. Es ermutigt dich dazu, dich in deiner eigenen Gesellschaft wohlzufühlen und führt langfristig hoffentlich sogar dazu, dass du es genießt, allein Zeit zu verbringen. Noch dazu ist die Flexibilität des Solo-Datings enorm befreiend.
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Interessant ist auch der Gedanke darüber, inwiefern dieser Trend der allgemeinen Einstellung zum Dating heutzutage passt. In letzter Zeit hört man immer wieder von Studien und Statistiken, die darauf hinweisen, dass die jüngere Generation weniger am Dating interessiert ist. So ergab zum Beispiel eine Umfrage der UCLA, dass rund 52 Prozent der befragten 18- bis 30-Jährigen im Jahr 2021 nur eine:n Sexualpartner:in hatten – ein kleinerer Prozentsatz als noch im Vorjahr. Und obwohl Sex natürlich längst nicht der einzige Indikator dafür ist, ob Leute daten oder in einer Beziehung sind, ist das doch ein Anzeichen dafür, dass die Karriere, Freundschaften und Selfcare auf der Prioritätenliste vieler Menschen inzwischen über der Suche nach einer Beziehung stehen.
Ich persönlich werde auch nie die Studie vergessen, die darauf hinwies, dass Frauen immer höhere Standards haben und Männer daher oft „einsam“ sind. Es scheint, als hätten Frauen inzwischen größere Erwartungen von ihren Beziehungen (und das zurecht!), und obwohl das diverse Gründe haben kann, liegt der Verdacht nahe, dass es auch mit einem zunehmenden Gefühl der Selbstverwirklichung zusammenhängen könnte – mit dem Gefühl, mit sich selbst im Reinen zu sein und gern allein Zeit zu verbringen. Genau dieses Gefühl lässt sich durch Dinge wie Masterdating stärken. Wenn wir eine gesunde Beziehung mit uns selbst haben, ergibt es nur Sinn, dass wir auch von einer Beziehung mit einer anderen Person dieselben strikten Standards erwarten.
„Es wird immer wieder beobachtet, dass jüngere Generationen mehr Wert auf Selfcare und individuelles Wohlbefinden legen als vorherige Generationen. Der Trend zum Masterdating entspricht dieser Entwicklung“, meint Dr. Cavenett. Sie erwähnt außerdem den Einfluss von Social Media. „Diese Entwicklung kann auch durch die sozialen Medien befeuert werden, wo viele Influencer:innen ein stärkeres Bewusstsein für die mentale Gesundheit zeigen und immer wieder betonen, wie wichtig Selfcare und Selbstentdeckung sind, um sich weiterhin wohl zu fühlen.“ Es stimmt, dass Social Media bestimmte Selfcare-Aktivitäten bewirbt (wenn auch mit Vorliebe die, die sich besonders gut für schöne, ästhetische Videos eignen).
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Natürlich sollte jede Form von Masterdating aber auch durch soziale Interaktionen ausgeglichen werden. Denn egal, wie gut du dich in deiner eigenen Gesellschaft fühlst: Sie kann zwischenmenschliche Kontakte nicht vollständig ersetzen. Achte also darauf, deine Solo-Pasta-Dates mit Treffen mit deinen Freund:innen auszugleichen, um nicht in der Isolation zu versinken.
Größtenteils kann Masterdating aber vor allem eine tolle Möglichkeit sein, dich selbst besser kennenzulernen, bevor du versuchst, jemand anderen kennenzulernen. Noch dazu ist der Trend ein effektives Gegenmittel gegen die weit verbreitete Vorstellung, wir bräuchten zwangsläufig eine Beziehung, um „Beziehungssachen“ machen zu können.
Du hast Lust auf diesen unbekannten Indie-Film im Kino um die Ecke, weißt aber nicht, wen du mitnehmen sollst? Dann schau doch einfach mal in den Spiegel – denn die Person, die dir da gegenübersteht, hätte garantiert Bock darauf.
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