Triggerwarnung: In diesem Artikel geht es um die Stigmatisierung von Gewicht, Mobbing und Gewichtsverlust.
Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich schon Kommentare zu meinem Körper bekommen habe, häufig gefolgt von diesem Spruch: „Ich sage dir das nur, weil ich mir Sorgen um dich mache!“
Versteh mich nicht falsch. Ich kann absolut nachvollziehen, wie es ist, sich vor lauter Sorgen den Kopf über andere zu zerbrechen – ich bin nicht bloß Mutter, sondern auch Sternzeichen Fische. Okay, Spaß beiseite: Es ist trotzdem ziemlich anstrengend, zu einer persönlichen „Intervention“ gezwungen zu werden und dir anhören zu müssen, dass du mit deinem Körper jemand anderem Sorgen bereitest.
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Beim letzten dieser Gespräche war das jemand, den ich sehr gut kannte. Obwohl diese Sorgen definitiv einigen tief verinnerlichten, negativen Überzeugungen rund um meinen dicken Körper entsprangen, hatte ich diesen Menschen in mein Leben gelassen – und eigentlich mehr von ihm erwartet.
Dabei ist es ableistisch, Gesundheit zu einer Moralfrage zu machen. Gesundheit ist kein Maßstab dafür, wie viel ein Mensch wert ist, und die traditionellen Vorstellungen davon, wie „gesund“ eigentlich aussehen sollte, verändern sich dauernd und wurden schon zigmal widerlegt.
Die Erfahrung, völlig aus dem Nichts heraus gesagt zu bekommen, ich sollte häufiger davon erzählen, was ich eigentlich tue, um „gesund“ zu sein, wollte ich nicht machen. Sicher, mein Instagram-Profil ist öffentlich, und ich arbeite auch in einem Bereich, der mir ganz automatisch zahlreiche ungebetene Meinungen einbringt – aber das heißt nicht, dass ich mir dieses Feedback wünsche. Ich stelle online eigentlich ganz gut klar, wo meine Grenzen sind, aber trotzdem bekomme ich immer und immer wieder Meinungen von Fremden direkt per DM zugeschickt.
In den letzten Wochen habe ich viele Nachrichten und Kommentare dazu bekommen, dass mein Lifestyle ungesund und schädlich sei (plus zahlreiche deutlich weniger höfliche Sprüche). Scheinbar ist es absolut nicht akzeptabel, online in einem dicken Körper auch nur zu existieren, geschweige denn auch noch so selbstbewusst wie ich.
Ich habe ein dickes Fell. Es tut mir selten so richtig weh, was mir andere um die Ohren hauen, und die fiesen Kommentare, die manche Leute unter meinen Posts hinterlassen, lösche ich direkt wieder. Aber was ist mit den Menschen, die auch außerhalb meines Instagram-Accounts über Diäten, Figuren und Promis reden wollen (nach dem Motto: „Oh mein Gott, hast du XY gesehen?“), als sei das alles total egal? Als sei das alles völlig harmlos? Was ist mit den Kindern, die genau sowas hören oder lesen und dann zur nächsten Generation der Körper-Kritiker:innen heranwachsen?
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Wenn ich Posts dazu sehe, was andere Leute zum Essen kaufen und wie viele Kalorien das alles hat, oder wenn ich mitbekomme, wie sie die Figuren anderer Menschen (oder die eigene) kritisieren, trifft mich das. Selbst wenn du dich dazu berechtigt fühlst, über genau so etwas zu reden, solltest du bedenken, dass diese Themen eben nicht nur dich selbst betreffen.
Erst letzte Woche wurde mir geschrieben, meine Arbeit und meine Message der Selbstakzeptanz seien „so ein schlechtes Beispiel für Kinder. Du vermittelst Kindern, die deine Posts sehen, dass es okay ist, fett zu sein. Das ist total wahnsinnig.“ Diese Person war daraufhin ganz schnell geblockt.
Deine Gesundheit ist nichts, was du irgendwem schuldig bist, vor allem nicht irgendwelchen Fremden im Internet. Gleichzeitig ist sie definitiv nichts, was man dir anhand nur eines Blickes ansehen kann. Wer etwas anderes behauptet, ist dickenfeindlich und versteckt diese Einstellung hinter vermeintlicher „Sorge“. Und genau so werden wir untergraben, die eigentlich mit genau diesen Vorurteilen aufräumen wollen. Kommentare, die veraltete körperliche Gesundheitsmythen predigen, schaden nicht bloß der Bewegung der fat liberation, sondern auch Betroffenen von chronischen Krankheiten und Be_hinderungen.
Die Leute, die diese Kommentare schreiben, wissen oft genau, dass sie damit jemandem sehr wehtun könnten – und posten sie trotzdem. Sie sind der Meinung, im Recht zu sein oder damit zu „helfen“, weswegen sie in Kauf nehmen, mit ihren Worten zu verletzen.
Wer sich auf diese Art hinter einem Bildschirm versteckt, wähnt sich gern in dem Glauben, alle anderen würden die „gut gemeinte“ Absicht dahinter schon verstehen – und dass diese Absicht wichtiger sei als die Wirkung solcher Nachrichten. Damit liegen sie aber natürlich falsch. Mir wurde schon mehrmals Mobbing vorgeworfen, weil ich nie gezögert habe, direkt Kritik zu äußern, wenn jemand auf Instagram und Co. etwas Schädliches gepostet hat. Mir wurde dann einfach gesagt, ich hätte „ja gar nicht verstanden“, was diese Person hatte ausdrücken wollen, dass sie es „gar nicht so gemeint“ hätte und den ganzen „Hate“ nicht verdiene.
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Das ist kein Hate.
Das ist die Konsequenz deiner Handlungen, und das gehört dazu, wenn du dich öffentlich zum Körper anderer Menschen äußerst. Insbesondere, wenn du ungebetene – und höchstwahrscheinlich falsche – Ratschläge zur Gesundheit und Figur dieser Menschen verteilst.
Als jemand in einem dicken Körper weiß ich, wie es sich anfühlt, auch in einem medizinischen Kontext wegen meiner Figur diskriminiert zu werden. Ärzt:innen, Fitness-Expert:innen und Wissenschaftler:innen, die beispielsweise vom BMI reden oder behaupten, ein geringeres Körpergewicht sei ein Indikator für bessere Gesundheit, befeuern damit ein veraltetes, ohnehin sehr wackeliges Narrativ. Shows wie The Biggest Loser sind so beliebt, weil sie behaupten, „Leben zu retten“ – das heißt aber nicht, dass Menschen, die so eine Erfahrung ablehnen, trotzdem eine ähnliche „Verwandlung“ bräuchten (oder sie sich auch nur wünschen).
Unabhängig davon, ob deine Meinung zu den Körpern anderer Leute tatsächlich tief verinnerlichte Vorurteile widerspiegelt oder du „nur“ glaubst, wir bräuchten deine (vermutlich unqualifizierten) Ratschläge: Bitte hör einfach auf damit.
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