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Nach den Lockdowns gab ich Online-Dating eine weitere Chance & das kam dabei raus

Illustration: Michelle Mildenberg
Anfang 2018 beschloss ich, ein Jahr lang ohne Fuckboys auszukommen. Ich hatte schließlich lange genug irgendwelchen Narzissten, die sich oft nicht einmal meinen Namen merken konnten, meine kostbare Zeit und meinen Körper gewidmet. Ich beschloss also, mir als Neustart eine Auszeit von Gelegenheitssex und Dates zu nehmen. Ohne groß darüber nachzudenken, wurde aus einem Jahr zwei – und gerade, als ich mich darauf vorbereitete, wieder mit dem Daten zu beginnen, brach die Pandemie aus.
Zuerst fand ich mich damit ab, dass ich keine andere Wahl haben würde, als weiterhin Single zu bleiben. Dann, irgendwann im Winter während eines der Lockdowns, lud ich aus purer Langeweile wieder Tinder runter. Als ich gedankenlos durch die App wischte, sah ich das bekannte Gesicht eines netten, lustigen und charmanten Typen, den ich vor fünf Jahren gedatet hatte. Dann passierte etwas Seltsames: Ich stieß auf drei weitere Profile von Männern, mit denen ich eine romantische Vergangenheit hatte. Aus irgendeinem Grund lösten ihre Bilder etwas in mir aus: Entweder waren sie in der Zwischenzeit heißer geworden oder mein unfreiwilliges Single-Dasein trübte meine Sicht.
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Ich lebe in einer Stadt mit einer halben Million Einwohner:innen, aber das Universum (oder der Tinder-Algorithmus) führte mich immer wieder zu Männern, mit denen ich in der Vergangenheit zusammen oder zumindest auf Dates gewesen war. War das ein Zeichen dafür, dass ich meine Sucheinstellungen erweitern oder diesen Männern noch eine Chance geben sollte? Aus Neugier wischte ich bei allen von ihnen nach rechts, um zu sehen, was passieren würde.
Als ich eine Stunde später dann auf mein Handy schaute, hatte ich vier neue Matches und Nachrichten, alles Variationen von: „Lange nicht gesehen; wie zum Teufel geht es dir?“ Innerhalb weniger Minuten tauschten wir Nummern aus und ich fühlte mich in die Vergangenheit zurückversetzt. Die Unterhaltung verlief unkompliziert und war angenehm. Außerdem genoss ich dieses warme Gefühl von Nostalgie in diesen seltsamen und einsamen Zeiten.
Ich verbrachte Stunden damit, Nachrichten zu schreiben, in denen wir uns über die letzten Jahre austauschten und uns von Liebeskummer, Umzügen und neuen Karrieren berichteten. Wir konnten ehrlich und verletzlich gegenüber einander sein, was bei Fremden schwierig ist. Immerhin hatten wir eine (wenn auch kurze) gemeinsame Vergangenheit und das half uns, eine Verbindung während dieses seltsamsten Jahres unseres Lebens aufzubauen.
Es fiel mir schwer, mich daran zu erinnern, warum ich diese Männer aus meinem Leben gestrichen hatte. Ich bin mir sicher, dass ich einen davon geghostet hatte, weil er „zu nett“ gewesen war, und einen anderen, weil er zu laut gekaut hatte. Das waren keine faden Narzissten, durch die ich mein Interesse am Daten verloren hatte; diese Männer waren aufrichtig und fürsorglich.
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Mir wurde klar, dass sich keiner von ihnen tatsächlich verändert hatte. Was sich verändert hatte, war meine Einstellung zu ihren vermeintlichen Schwächen.
Auch bei Typen, die ich nicht kannte, wischte ich immer nach rechts, aber es fiel mir schwer, ein Gespräch mit ihnen zu beginnen. Obwohl ich nichts als Zeit hatte, fehlte mir die Energie, um mich mit einem Fremden zu unterhalten. Mit den Ex-Freunden, auf die ich durchs Online-Dating gestoßen war, war keine Vorstellungsrunde und Small Talk nötig; wir konnten diesen anstrengenden Schritt einfach überspringen. Wir meldeten uns tagsüber immer wieder beieinander, dachten laut darüber nach, wie lange wir wohl noch in diesem pandemiebedingten Schwebezustand leben müssten und wie unser Leben „danach“ aussehen könnte.
Da ich bei meinem älteren Vater wohnte, kamen Treffen in natura für mich nicht in Frage. Deshalb musste ich meiner Kreativität in Sachen Social-Distancing-Verabredungen freien Lauf lassen: Ich hatte virtuelle Filmabend-Dates, verabredete mich zu Spaziergängen via FaceTime oder schaute mir mit meinem Date dieselbe Comedy-Show via Zoom an, was etwas Abwechslung in mein sonst langweiliges Lockdown-Leben brachte. All diese Verabredungen verliefen komplett ohne Drama und Gedanken à la: „Wo führt das Ganze hin?“ Unsere Lebensumstände waren einfach viel zu ungewiss, um zu weit vorausdenken zu können.
Als sich die Welt wieder zu öffnen begann, wurde ich zum zweiten Mal geimpft. Ich war aber immer noch vorsichtig, als ich mich zu einem Spaziergang auf Abstand mit Ben, dem ersten Ex, den ich auf Tinder entdeckt hatte, bereiterklärte. Wir gingen vier Stunden lang spazieren und redeten, wobei uns der Gesprächsstoff nie ausging. Irgendwann berührten sich unsere Arme und mein Herzschlag verdoppelte sich. Wenn ich bedenke, dass wir bei unserem ersten Date im Jahr 2015 innerhalb weniger Stunden sehr betrunken und nackt waren, war das Wiedersehen sehr unschuldig, aber keineswegs weniger gut.
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Leider kam es trotz einigem intensiven Sexting und Plänen mit drei Typen zu keinen weiteren Verabredungen im echten Leben; zumindest noch nicht. Da die Delta-Variante gerade ihr Unwesen treibt, musste ich Verabredungen in letzter Minute absagen. Ich hoffe aber, dass dieser „Sommer der zweiten Chancen“ (wie ich ihn zu nennen begonnen habe) weiterhin Möglichkeiten bieten wird, Spaß zu haben.
Es hat eine Weile gebraucht, bis ich begriffen habe, dass ich diesen „guten Männern“ in der Vergangenheit nie wirklich eine echte Chance gegeben hatte. Das lag daran, dass ich damals dachte, ich würde sie nicht verdienen. Vielleicht war ich diesen bestimmten Männern gegenüber beim ersten Mal zu streng gewesen. Ich denke aber, dass es sich dabei um eine Form von Selbstsabotage handelte, da mein Selbstbewusstsein damals gering war. Jetzt bin ich mir meines Werts aber bewusst und weiß, dass ich es verdiene, glücklich zu sein.
Ich erwarte nicht wirklich, dass eines dieser Dates zu einer dauerhaften Beziehung führen wird. Ich betrachte sie einfach als einen netten Wiedereinstieg in die Dating-Welt, der es mir ermöglicht, Zeit mit Männern zu verbringen, die ich mag und denen ich vertraue. Nach Jahren, in denen ich mir die schlimmsten Typen aussuchte, und nach fast 18 Monaten Pandemie, bin ich froh, mich endlich entspannen und den Weg genießen zu können, anstatt mich zu sehr auf das Ziel zu versteifen.

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