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Zu viele Job-Optionen: Was kann ich tun, wenn mich die Zukunft lähmt?

Illustration: Richard Chance.
Die 27-jährige Reema schloss als Jahrgangsbeste die Schule ab. Sie wusste, dass sie studieren wollte – und vermutlich in jedem Studiengang erfolgreich sein würde –, wusste aber noch nicht genau, was. Seitdem sind einige Jahre vergangen, und Reema steht erneut vor derselben Frage: Wie soll ihr nächstes Lebenskapitel aussehen? Doch obwohl sie heute zwar ein besseres Gefühl dafür hat, welche Optionen ihr offen stehen, ist sie genauso überfordert wie damals. „Mein Problem ist, dass ich zu viele Interessen habe und nicht weiß, welchen davon ich beruflich folgen sollte“, erzählt sie gegenüber R29. Und wenn man sich mal so in der Karriere-Bubble auf TikTok umhört, ist sie damit überhaupt nicht allein.
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In einem viralen Clip, der inzwischen über eine halbe Million Views hat, starrt die TikTokerin Sarah Dean (@s____n____d) Löcher in die Luft, weil sie überfordert ist mit der Auswahl an Karriere-Richtungen, die sie einschlagen könnte. Am Ende macht sie einfach gar nichts. Unter dem Post haben sich sowohl auf Instagram als auch auf TikTok mittlerweile Tausende Kommentare angesammelt, in denen Leute davon erzählen, ebenfalls vor lauter Auswahl wie gelähmt zu sein.
Ob sie nun gerade erst ihre berufliche Laufbahn beginnen oder gerade einen kleinen Karriere-Knick hinter sich haben, ein Gefühl teilen sie alle: Das Unverständnis dafür, warum uns unsere eigenen vielfältigen Interessen eigentlich so sehr im Weg stehen können. 
Unter älteren Generationen ist die Job-Unzufriedenheit von Millennials inzwischen zu einer Art Meme geworden, zum Beispiel in Form von Sprüchen à la „Niemand will heutzutage mehr arbeiten!“ oder anderen Andeutungen, wir seien ja alle verweichlicht, obwohl wir doch so viel mehr Optionen hätten als unsere Eltern damals. Und in gewisser Hinsicht haben sie da sicher auch Recht: Wir haben heute mehr Optionen, um es „weit zu bringen“. Was dabei aber oft nicht mitgedacht wird: Durch so viele Karrieremöglichkeiten – von denen wir nicht mal alle kennen – entsteht ein enormer Druck. Die Auswahl ist zwar keine Last, und natürlich können wir uns glücklich schätzen, prinzipiell genau das mit unserem beruflichen Leben machen zu können, worauf wir Lust haben – doch hilft es niemandem, wenn wir missachten, wie überwältigend sich das anfühlen kann.
Wir suchen uns schließlich nicht nur einen Job aus, sondern einen Lifestyle, einen Lebensweg. Dabei müssen wir uns auch damit abfinden, was diese Entscheidung für andere Aspekte unseres Lebens bedeutet – wie dieser Job in unsere Pläne passt, ob wir damit genug Geld für unsere Ziele verdienen, und zahllose andere Faktoren, die uns dazu zwingen, uns schon sehr früh sehr genaue Gedanken zu unserer Zukunft zu machen.
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Die riesige Auswahl an Optionen erleichtert es uns nicht, uns dafür zu entscheiden, was für uns das individuell Beste sein könnte. Und natürlich werden wir uns auch nach einer Entscheidung immer darüber den Kopf zerbrechen, ob uns all die Zeit und Arbeit, die wir investieren, vielleicht am Ende doch nicht zu einer Zukunft führt, mit der wir zufrieden sind.
Wie jede andere Unentschlossenheit entstammt auch diese vor allem der Angst, die falsche Entscheidung zu treffen. Viele von uns schauen sich dazu die eigenen Eltern an, die vielleicht seit Jahrzehnten für dieselbe Firma arbeiten, oder schon zu Schulzeiten wussten, was sie „mal werden wollen“, und dem seitdem treu geblieben sind. Im Jahr 2022 sieht eine „Karriere“ aber ganz anders aus als damals. Wir lassen uns nicht einfach in einen der Handvoll Berufe fallen, die uns damals zur Auswahl gestanden hätten – und trotzdem gehen wir heute noch automatisch davon aus, dieser Job sei für die Ewigkeit. Selbst wenn wir wissen, dass wir diesen Beruf nicht bis zum bitteren Ende durchziehen müssen, haben wir Schiss davor, wertvolle Zeit zu verschwenden – umso mehr, weil uns Instagram und Co. in Form von 20-jährigen Unternehmer:innen und 30-jährigen Milliardär:innen den Spiegel vorhalten. Dabei hat natürlich kein Job, kein Abschluss, kein Nebengeschäft irgendeine Altersbeschränkung (sofern du nicht gerade irgendwelche Rekorde knacken möchtest).
Der 29-jährigen Ana hat es enorm geholfen, sich selbst den Druck dieser Entscheidung zu ersparen. „Ich konnte mich nicht entscheiden, was ich machen wollte. Das machte mich total unruhig, weil jede Richtung machbar/gut für mich wirkte und ich trotzdem glaubte, eine dieser Richtungen müsste ja die ‚korrekte‘ sein“, erzählt sie. „Dann hatte ich aber einen kleinen Aha-Moment, als mir klar wurde, dass es diese ‚korrekte‘ Richtung ja gar nicht gibt. Das nahm mir sofort den Druck. Nichts ist für immer – weder das Gute noch das Schlechte –, und wenn du eine Wahl triffst, bist du darauf nicht auf ewig eingeschränkt.“
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Mir selbst hat die Erkenntnis wahnsinnig geholfen, dass das, was du tust, und das, was du liebst, nicht zwangsläufig übereinstimmen müssen. Wie viele von uns dank der Pandemie inzwischen begriffen haben, ist dein Privatleben, dein Zuhause, wichtiger als dein Beruf. Und solange du dich während der Arbeit nicht komplett quälen musst, ist der „Gut-genug-Job“ – der dir genug Freizeit lässt und Geld zahlt, um dir im Feierabend dein Wunschleben zu ermöglichen – langfristig immer besser als jeder „Traumjob“
Und was die große Karriereentscheidung angeht, lohnt es sich immer, dir wirklich viel Zeit zum Nachdenken zu lassen – selbst wenn das bedeutet, dass du währenddessen erstmal einen „hirnlosen“ Job annimmst. Wenn du dich von den zahlreichen offenen Türen trotzdem überwältigt fühlst und du nicht weißt, wie du eine Wahl treffen sollst, hilft es schon, erstmal alle Berufe zu notieren, die dich reizen würden. Sortiere sie dann danach, wie viel Lust du wirklich darauf hättest, wie sie dich weiterbringen würden, wie viele Sprossen es auf der jeweiligen Karriereleiter gäbe, und welchen Lifestyle sie dir ermöglichen würden (zum Beispiel in Hinsicht auf deine Arbeitsstunden, Urlaubstage, und so weiter). Dann kannst du damit anfangen, die ersten Türen zu schließen: Streiche die Jobs, die in deinem Ranking weiter unten stehen, und arbeite dich so systematisch durch die Liste.
Wenn dich dein eigenes Karrierepotenzial überfordert, gibt es dafür keine schnelle Lösung. Bedenke aber, dass dein Job nicht dein kompletter Lebensinhalt sein muss. Obwohl uns die Gesellschaft gerne vermittelt, unser Beruf sei ein fester Bestandteil unserer eigenen Identität und würde unseren Lebensablauf maßgeblich mitbestimmen, kann es wahnsinnig befreiend sein, uns genau von diesem Mindset zu lösen.
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Und denk dran: Nichts währt ewig – nicht einmal dein Traumjob –, und deine Meinung im Laufe der Zeit zu ändern, ist nicht bloß okay, sondern sogar ziemlich aufregend. Rede dir also bitte nicht ein, du müsstest dich auf irgendetwas festlegen.
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