Zu unserem ersten Date brachte mich mein heutiger Mann Hugh in ein wunderschönes, rustikales italienisches Restaurant. Obwohl wir uns gerade erst kennengelernt hatten, wusste ich direkt, dass ich ihn mochte – sehr. Wir saßen gemeinsam in einer kuscheligen Ecke im Restaurant und nippten an unserem Rotwein. Doch dann bestellte er schwarze Tintenfisch-Pasta. Mir rutschte ein kleines bisschen das Herz in die Hose. Ich hatte gehofft, dass er vielleicht – vielleicht! – Vegetarier war, so wie ich.
Als unser Essen kam, bot er mir enthusiastisch einen Happen seiner Tintenfisch-Pasta an. Ich lehnte höflich ab und widmete mich wieder meinem cacio e pepe. Es kam mir noch zu früh vor, um zu erzählen, dass ich Vegetarierin war; ich wollte keine große Sache draus machen. Ich ernährte mich damals schon lange genug vegetarisch, um genau zu wissen, dass manche Nicht-Vegetarier:innen nicht so gern davon hören. Noch dazu mag ich es nicht, jemandem ein schlechtes Gewissen für das einzureden, was er oder sie gerade isst – vor allem, wenn diese Person ein wirklich attraktiver, lustiger, smarter, bodenständiger Typ ist, mit dem ich an diesem Abend sehr viel Spaß hatte.
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Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass viele Leute, wenn ich von meinem Vegetarismus erzähle, a) sich entweder über mich lustig machen oder b) das Gefühl haben, ich würde sie dafür verurteilen, dass sie Fleisch essen (was ich nicht tue!). Ich wusste damals ja noch nicht, ob Hugh in eine dieser Kategorien fiel – und wenn ja, in welche. Zum Glück reagierte er ganz anders. Als ich ihm bei unserem „zweiten Date“ (falls man es so nennen kann… schließlich war es, ähm, das Frühstück am nächsten Morgen) sagte, dass ich mich vegetarisch ernährte, zuckte er nur mit den Schultern und futterte weiter sein Rührei.
Hugh ist aber leider eher die Ausnahme. Fast zehn Jahre später lebe ich vegan und bin immer noch überrascht darüber, welche Fragen und Kommentare ich manchmal zu hören bekomme.
Frage #1: Was isst du dann überhaupt?
So viele Lebensmittel, die wir Tag für Tag essen, sind von Natur aus vegetarisch oder sogar vegan – Salate, Pasta, Müsli, die Hälfte der Gerichte in deinem liebsten chinesischen Restaurant. Nachdem ich einmal beschlossen hatte, auf Fleisch zu verzichten, dachte ich nie wieder darüber nach, meine Entscheidung zu ändern. Und mir fehlte das Fleisch auch nicht.
Diese Entscheidung traf ich – ein wenig abrupt – zum ersten Mal mit zwölf Jahren, nachdem ich in einem Artikel im Rolling Stone gelesen hatte, dass Howard Jones (Things Can Only Get Better!) Vegetarier war. Ich liebte diesen Song. Ich erzählte meinen Eltern beim Frühstück von meinem Entschluss, hatte meinen neuen Lifestyle aber schon wieder vergessen, als ich abends am Esstisch auf einem Stück Steak rumkaute, während mich ringsum alle anstarrten und darauf warteten, dass mir meine Pläne wieder einfielen. Ein paar Jahre später, als Teenagerin, wurde ich dann wirklich zur Vegetarierin. Ich wollte einfach keine Tiere mehr essen. Weil diese Entscheidung auf etwas fußte, das mir wirklich am Herzen lag (im Gegensatz zu meinem Howard-Jones-Beschluss), blieb sie mir erhalten. Ich liebte einfach das Gefühl, bei jedem Essen eine bewusste Entscheidung zu treffen – dass ich mich nicht an einer Industrie beteiligen wollte, die Tieren wehtut. Meine Entscheidung wurde zu einem Teil von mir.
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Ich war – und bin – trotzdem überrascht von der Reaktion anderer Leute. Erst vor ein paar Jahren machte sich einer meiner Chefs deswegen sogar über mich lustig und sagte mir, ich wüsste ja gar nicht, was mir entgehe.
Frage #2: Aber was ist mit Feiertagen?
Das ist eine häufige Folgefrage auf „Was isst du dann überhaupt?“ – und ich kann sie schon nachvollziehen. Wie soll man sich schließlich ein Weihnachten ohne Ente, Gans und Co. vorstellen? Dabei vergessen viele, dass diese ganzen Bräuche natürlich auch von uns fabriziert sind. Trotzdem ist mir bewusst, dass ebendiese Bräuche sehr tief in unserer Gesellschaft verwurzelt sind. Daher ist meine Antwort darauf immer dieselbe: „Komm doch einfach mal zum Essen vorbei!“
Ich beschloss, dass ich meinen Vegetarismus (und heute meinen Veganismus) am besten ausdrücke, indem ich meinen Liebsten leckeres Essen auftische.
Ich lud Hugh zu Weihnachten ein, nachdem wir schon seit ein paar Monaten zusammen waren. Es stellte sich heraus, dass er kaum eine Meinung zu meinem Vegetarismus hatte. Er respektierte meine Entscheidung, wollte es mir aber nicht gleichtun. Beim Abendessen gönnte er sich zwei Portionen meiner Winterkürbis-Lasagne, gebratenen Rosenkohl und diverse Stücken Pastete.
Beim nächsten Feiertag lud er mich dann zu seiner Familie ein. Seine Mutter schrieb mir schon ein paar Wochen zuvor, wie sehr sie sich darauf freute, die Freundin seines Sohnes kennenzulernen – und dass sie mehrere vegetarische Gänge für mich einplanten.
Ich war gerührt und irgendwie auch beeindruckt. Für Hughs Familie war es etwas ganz Neues, jemandem zu Besuch zu haben, die kein Fleisch aß. Aber anstatt mich dafür zu verurteilen oder selbst überfordert in Panik zu geraten, hießen sie mich mit offenen Armen willkommen.
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Frage #3: Bist du sauer, wenn ich mir ein Steak bestelle?
Ich weiß, dass diese Frage lieb und rücksichtsvoll gemeint ist, aber: Es ist mir egal, wenn du Fleisch isst. Naja, nicht ganz. Wenn ich ganz ehrlich bin, würde ich mir schon wünschen, du würdest kein Fleisch essen. Aber ich verurteile dich dafür nicht. Ich war jahrelang Vegetarierin, bevor ich vegan wurde – und jedes Mal, wenn ich eine:n Veganer:in traf, verdrehte ich innerlich die Augen und dachte mir: „Jetzt geht das schon wieder los“, wenn er oder sie anfing, von pflanzlicher Milch oder Tierleid zu sprechen. (Aber hast du Beyond Meat eigentlich mal gekostet?)
Frage #4: Wie kannst du nur ohne Käse leben?
Ja, ich verstehe die Frage. Das ging mir früher genauso – ich habe Käse geliebt! Ich wollte aber auch herausfinden, ob ich ohne ihn auskommen könnte. Es war definitiv eine Herausforderung – als hätte man mir beim Kochen und Backen plötzlich eine Hand weggenommen. Konnte ich auch ohne Milch, Butter und Eier backen? Ja!
Frage #5: Ist dein Mann auch Veganer?
Das ist die große Frage! Seit wir verheiratet sind und ich mich vegan ernähre, werde ich dauernd gefragt, ob Hugh eigentlich auch Veganer ist – als wäre das ein riesiger eventueller Beziehungskiller, so wie Religion oder die Frage, ob wir Kinder haben wollen. Ich habe aber festgestellt, dass man nicht alles schon im Voraus klären muss, und dass es zu einer Ehe gehört, so etwas zusammen herauszufinden.
Als wir noch nicht verheiratet waren, fing Hugh an, für sich ein bisschen zu recherchieren. Er schlug mir vor, uns Food Inc. zusammen anzuschauen; ein paar Monate danach griff er sich meine Kopie von Eating Animals und las das Buch vorm Schlafengehen. Kurz darauf wurde dann auch er zum Veganer.
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Er trinkt Kaffee mit Mandelmilch. Am Wochenende grillt er uns Veggie-Burger. Und das Beste: Er machte das nicht für mich. Es war seine Entscheidung.
Vor Kurzem hat mich Hughs Vater per E-Mail um Rezepte für vegetarische Sandwiches gebeten. Er war neugierig und wollte das einfach mal ausprobieren. Ich freute mich total und schickte ihm ein paar einfache vegane Rezepte; er schrieb mir nach jedem Sandwich seine Meinung. Heute lebt er fast komplett vegetarisch – obwohl er ein bisschen schüchtern zugegeben hat, dass er während der Feiertage trotzdem noch Ente und Gans isst. Er ist 80 Jahre alt. Er darf tun, was er will!
Und wen juckt’s? Vielleicht machen strikte Regeln und Bezeichnungen alles nur noch viel komplizierter. Heute macht sich Hugh manchmal ein bisschen darüber lustig, dass ich Handtaschen aus Leder habe – die ich allmählich entsorge. Jetzt gerade, während ich das tippe, trage ich Ledersandalen, und letzten Monat habe ich nach der Karaoke-Geburtstagsparty einer Freundin (und zwei Martinis) kiloweise Kuchen in mich reingeschaufelt, ohne vorher zu fragen, ob da eigentlich Milchprodukte drin seien. Die restliche Zeit über lebe ich aber vegan. Ich gebe mein Bestes – und das ist wirklich alles, was man von uns allen verlangen kann.
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