Es ist kein Geheimnis, dass einvernehmlicher Sex gesund ist. Der kann sich echt gut anfühlen, dich deinem Partner oder deiner Partnerin näher bringen und dich mit Glückshormonen versorgen. Und obwohl du demnach wohl kaum noch einen Grund dafür brauchst, Sex zu mögen, weißt du vielleicht auch, dass er enorm gegen Stress und Unruhe helfen kann.
Wie sich herausstellt, bescheren uns sexuelle Aktivitäten nämlich nicht bloß ein paar Minuten oder Stunden der inneren Ruhe. Regelmäßiger Sex kann sogar langfristig Anspannungen reduzieren und unseren Stress-Ausgangswerten senken. Und das Beste? Diese Wirkung ist unabhängig davon, ob du allein oder in Gesellschaft deinen Spaß hast. Wir haben uns von Expertinnen erklären lassen, wie Sex und Orgasmen nach und nach Stress und Unruhe mildern können.
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Wie hilft Sex gegen Stress?
Wie die Ehe-, Familien- und Sextherapeutin Dr. Holly Richmond erklärt, helfen sexuelle Aktivitäten auf diverse Art gegen Stress – und zwar auf physiologischer, psychologischer und der Beziehungsebene. Das funktioniert folgendermaßen:
Was nach dem Sex in deinem Körper passiert
„Auf physiologischer, also körperlicher Ebene werden danach zahlreiche Hormone ausgeschüttet. Das sind größtenteils Dopamin, Serotonin und Oxytocin“, meint Dr. Richmond. „Oxytocin hat hierbei den größten Einfluss. Es wird auch als ‚Kuschelhormon‘ bezeichnet.“
Sex – oder, genauer gesagt, jede sexuelle Aktivität (hi, Masturbation!) – sorgt für die Ausschüttung von Oxytocin, was sich positiv auf die Stimmung auswirkt, erklärt Dr. Laurie Mintz, Autorin von A Tired Woman’s Guide to Passionate Sex und Expertin der Sexspielzeugmarke LELO. „Oxytocin wird auch ‚Liebeshormon‘ genannt“, fährt sie fort, „weil es Gefühle der Wärme und Entspannung stimuliert.“ Es ist am besten für seine Fähigkeit dazu bekannt, dich anderen besonders verbunden zu fühlen. Deswegen fühlst du dich nach dem Sex mit einem:einer Partner:in dieser Person auch oft so nah. Prinzipiell wird es aber bei jedem Orgasmus ausgeschüttet und sorgt dafür, dass du dich sehr entspannt fühlst.
Sex senkt außerdem den Spiegel von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol, laut einer im Magazin The Journal of Health and Social Behavior veröffentlichten Untersuchung. Und nicht nur das: Gleichzeitig stimuliert er die Produktion von Endorphinen – Chemikalien im Gehirn, die deine Stimmung auf natürliche Weise heben und deinen Körper und Geist entspannen.
Neben dem Oxytocin kommt es beim Sex auch zur Ausschüttung von Dopamin und Serotonin – Neurotransmitter, die deine Stimmung regulieren –, und Prolaktin, eines weiteren Hormons. Sie alle machen dich nachweislich glücklicher, und können zu dem Ruhegefühl nach einem Orgasmus beitragen, meint Dr. Mintz. Prolaktin und Oxytocin können außerdem dafür sorgen, dass du dich schläfrig fühlst. Das ist etwas Gutes, weil „ein guter Schlaf mit reduziertem Stress in Verbindung gebracht wird“, betont Dr. Mintz.
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Während viele dieser physiologischen Effekte größtenteils mit einem Orgasmus zusammenhängen, kann Sex auch ohne Höhepunkt eine stressmildernde Wirkung haben. „Diese Hormone werden verstärkt, wenn wir beim Sex zum Orgasmus kommen, werden aber so oder so ausgeschüttet, Orgasmus hin oder her“, erklärt Dr. Richmond. „Ohne Höhepunkt sind die psychologischen Einflüsse vom Sex aber vermutlich stärker als die körperlichen.“
Was nach dem Sex in deinem Kopf passiert
Sex kann auch langfristig gegen Stress und Unruhe helfen, weil er schlicht und ergreifend Spaß macht. Schließlich hat alles, was uns glücklich macht, eine stressreduzierende Wirkung. „Die Sexualgesundheit ist ein integraler Bestandteil der allgemeinen Gesundheit“, meint Dr. Richmond. „Unsere Sexualgesundheit zu priorisieren bedeutet demnach, uns selbst und unsere allgemeine Gesundheit zu priorisieren.“ Regelmäßiger, einvernehmlicher Sex kann nämlich dein Selbstbewusstsein und auch dein generelles Wohlbefinden verbessern.
Das gilt übrigens auch für Masturbation. „Wenn wir durch Selbstbefriedigung unsere Sexualgesundheit fördern, ist das eine Form von Selbstbestärkung“, erklärt Dr. Richmond. „Wer masturbiert, ist generell sexuell, in Beziehungen und im allgemeinen Leben zufriedener.“
Wenn du regelmäßige Orgasmen dann noch mit anderen nachweislich effektiven Anti-Stress-Techniken kombinierst, sorgst du dadurch für umso mehr Entspannung, rät Dr. Mintz. „Tägliche sportliche Bewegung und ein paar Orgasmen pro Woche könnten eine nachweislich erfolgreiche Strategie gegen innere Unruhe sein“, meint sie. „Diese Studie würde ich gerne durchführen.“
Wie Sex deine Beziehungen beeinflusst
Der dritte große Einfluss, den Sex auf deinen Stresspegel haben kann, ist seine Wirkung auf Beziehungen – konkret darauf, wie du dich anderen verbunden fühlst. „Wenn wir Sex mit einem Partner, einer Partnerin oder anderen Leuten haben, vertieft der Sex diese Bindung meistens“, sagt Dr. Richmond. „Nachdem ein Paar Sex hatte, beobachten wir meist eine bessere Stimmung, mehr Unbeschwertheit und ein tieferes Bindungsgefühl innerhalb der Beziehung, das die meisten als positiven Effekt empfinden.“
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Wenn wir schönen, einvernehmlichen Sex mit unseren Partner:innen haben, ergibt es Sinn, dass dieser Akt auch Nähe schafft. Mit anderen Menschen positive körperliche Intimitäten und emotionale Interaktionen auszutauschen, ist für viele ein natürlicher Wunsch. Und typischerweise wirkt sich diese Nähe auch positiv auf das eigene Wohlbefinden aus.
Wie oft muss ich Sex haben, um meinen Stress zu senken?
Diese stressreduzierende Wirkung lässt sich aber nicht mit einem einzelnen Orgasmus oder einmaligem Sex garantieren. Um die positiven Effekte wirklich spüren zu können, erfordert es schon regelmäßigen Sex. „Betrachte das Ganze wie eine Art Medikament“, erklärt Dr. Mintz. „Du musst es weiter ‚einnehmen‘, um die stressmildernde Wirkung zu erhalten.“
Das entscheidende Wort hierbei ist „regelmäßig“ – ein relativer Begriff, meint Dr. Richmond. „Was ‚regelmäßig‘ für dich bedeutet, ist natürlich ganz individuell“, sagt sie. „Für manche reicht es, einmal im Monat mit sich selbst oder einem:einer Partner:in Sex zu haben, um weniger Stress zu empfinden.“ Andere bemerken die Wirkung nur, wenn sie häufiger Sex haben. Das musst du selbst herausfinden.
Auch „Sex“ sieht von Person zu Person anders aus. „Bei manchen reicht schon Masturbation“, erklärt Dr. Richmond. „Andere brauchen wirklich eine:n Partner:in, um wirklich zu merken, dass ihr Stresspegel sinkt.“ Ob du dich nun solo oder mit anderen vergnügst: Halte dich an das, was dir ein gutes Gefühl gibt, und sei auch offen dafür, dass sich deine Vorlieben im Laufe der Zeit ändern könnten.
Kann Sex Stress oder Unruhe sogar auslösen?
Obwohl Sex vielen von uns gegen Stress helfen kann, lässt sich das natürlich nicht verallgemeinern – und sollte vor allem nicht erzwungen werden. Laut Dr. Richmond „ist Stress der Hauptgrund für eine schwache Libido unter Frauen“. Wenn du in letzter Zeit also aus lauter Stress nicht so in der Stimmung bist, solltest du dich bitte nicht dazu verpflichtet fühlen, Sex auf deine To-Do-Liste zu schreiben – und dich dadurch noch mehr zu stressen. Es gibt jede Menge andere nachweislich erfolgreiche Möglichkeiten, die deinen Stress reduzieren könnten, wie zum Beispiel Sport, Meditation und genug Schlaf.
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Für manche kann Sex sogar die Quelle der Anspannung sein. „Wenn du selbst beispielsweise ein sexuelles Trauma erlebt hast, kann Sex an sich schon sehr stressig sein, ob nun allein oder mit jemandem zusammen“, erklärt Dr. Richmond.
Abgesehen von solchen Traumata kann natürlich auch alles andere, was sich auf deine körperliche und mentale Gesundheit auswirkt, deinen Sexualtrieb und deine Lust beeinträchtigen. „Die Gesundheit beeinflusst die sexuelle Lust, und wenn du nicht gesund bist – wenn du zum Beispiel nicht schläfst, wenn du chronisch krank bist oder chronische Schmerzen hast –, ist es unwahrscheinlich, dass Sex auf deiner Prioritätenliste ganz oben steht“, meint Dr. Richmond. „Sex kann ein Stressfaktor sein, und in dem Fall empfehle ich, mit jemandem darüber zu sprechen – ob nun mit Freund:innen, Verwandten oder Therapeut:innen.“
Letztlich solltest du versuchen, dir Aktivitäten zu suchen, die dich entspannen. Und wenn für dich ein toller Orgasmus dazu zählt, fühlt er sich vielleicht umso besser an, wenn du weißt, dass auch die Wissenschaft darauf schwört.
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