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Warum hassen Weihnachtsfilme Singles eigentlich so sehr?

Foto: Moviestore/Shutterstock.
Willie T. Stokes, Kevin McCallister und der Grinch. Was haben diese drei gemeinsam? Ganz einfach: Sie gehören zu den sehr wenigen Weihnachtsfilm-Charakteren, mit denen ich mich identifizieren kann – weil ihre Story nicht damit endet, dass sie sich verlieben. Als Single gehören zu meinen feierlichen Vorbildern also ein sexsüchtiger, alkoholabhängiger Weihnachtsmann, ein kleines, cleveres Kind und Jim Carrey in grünem Latex. Was sagt mir das? Dass mit der Welt der Weihnachtsfilme irgendwas nicht stimmt.
Die Message ist klar: Vielleicht hast du gerade à la John McClane in Stirb Langsam eine gefährliche Geiselnahme beendet. Oder vielleicht hast du eine lebensverändernde emotionale Reise mit einer Handvoll Geistern hinter dir, wie Frank Cross aus Die Geister, die ich rief. Ganz egal, was vorher passiert ist: Wenn du ein Hauptcharakter in einem Weihnachtsfilm bist, musst du am Ende eine:n Partner:in haben. Alles andere wäre undenkbar. Ein festliches Happy End ist mit dem Single-Dasein nicht kompatibel – es sei denn, du bist ein Kind oder Billy Bob Thornton. 
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Im dritten Akt wird irgendjemand in dein Leben treten, dir den Kopf verdrehen und dir endlich eine Daseinsberechtigung schenken, indem er:sie eine romantische Beziehung mit dir eingeht. Problem gelöst.

Während die Situation für Singles schon in „allgemeinen“ Weihnachtsfilmen kritisch ist, sieht sie in weihnachtlichen romantischen Komödien nochmal eine Nummer deprimierender aus. Wie Singles – und insbesondere Frauen – darin dargestellt werden, ist mir extrem unangenehm. Sieh dir nur mal Tatsächlich… Liebe an. Die weiblichen Charaktere, die darin am Ende noch Single sind, sollen entweder bemitleidet werden – wie Sarah (Laura Linney), die sich für ihren Bruder und gegen ihren heißen Kollegen entscheidet –, oder gehasst – wie Alan Rickmans verführerische Sekretärin (Heike Makatsch) –, oder verhöhnt – wie Aurélias Schwester Sophia, die für ihre Figur verspottet wird. Und auch in Liebe braucht keine Ferien wird Iris (Kate Winslet) dafür belohnt, dass sie ihrem toxischen Lover endlich die Meinung sagt. Ihre Belohnung: eine Beziehung mit einem ähnlich toxischen Jack Black.
Es wäre jetzt leicht, diese veralteten Einstellungen zum Single-Dasein darauf zu schieben, dass diese Filme eben alle schon ein paar Jahre alt sind. Immerhin kamen Tatsächlich… Liebe und Liebe braucht keine Ferien mit ihren „Liebe um jeden Preis!“-Storys jeweils vor 18 und 15 Jahren raus. Das war lange bevor Emma Watson davon sprach, self-partnered zu sein, oder Lizzo besang, wie schön es ist, Single zu sein. Aber nein: Obwohl sie definitiv wichtige Schritte in Richtung der dringend nötigen Diversity gemacht haben, vermitteln uns auch neue Weihnachtsfilme im Bezug aufs Single-Sein immer noch die alte Message.
Wenn du in einer modernen Weihnachts-Rom-Com mitspielst, wünschst du dir verzweifelt eine Beziehung – so einfach ist das. Vermutlich machst du dann auch noch etwas total Peinliches, um diese Verzweiflung zu demonstrieren. Deine Liebsten werden dich für deinen Beziehungsstatus verurteilen. Aber keine Panik: Im dritten Akt wird irgendjemand in dein Leben treten, dir den Kopf verdrehen und dir endlich eine Daseinsberechtigung schenken, indem er:sie eine romantische Beziehung mit dir eingeht. Problem gelöst.
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Sehen wir uns doch mal ein paar moderne Beispiele an. Obwohl Love Hard sicher einige zitierwürdige Sprüche zu bieten hat, lässt sich kaum leugnen, dass sich die Motivation von Nina Dobrevs Rolle – und sogar ihr Job – darum dreht, einen Partner zu finden. Happiest Season endet mit einem Antrag, dem ultimativen Beweis für eine erfolgreiche Beziehung im Weihnachtsfilm-Universum. Und sogar Last Christmas, der (Spoiler-Alarm!) nicht damit endet, dass die weibliche Hauptrolle frisch vergeben ist, spielt innerhalb des klassischen Handlungsrahmens „Romantische Liebe verändert dein Leben“.
Und wenn du dann doch die seltene Single-Frau in einer Weihnachts-Rom-Com bist, die mit ihrem Beziehungsstatus zufrieden zu sein scheint, lügst du. Obwohl die scheinbar sorgenfreie Tante Susan (Kristin Chenoweth) in Holidate zwar für das Konzept im Filmtitel verantwortlich ist – es ist ihre Idee, eine lockere Begleitung für die Feiertage zu suchen –, ist sie in Wahrheit total unsicher. „Mich haben schon so viele Männer geliebt“, erzählt sie Sloane (Emma Roberts) gegen Ende des Films. „Aber sobald sie mir zu nah kamen, habe ich den Rückzieher gemacht.“ Weil sie zugegeben hat, was mit ihr nicht stimmt – und natürlich muss mit ihr etwas nicht stimmen, sie ist schließlich Single! –, wird sie daraufhin mit einer Beziehung mit einem liebevollen Arzt belohnt.
In Anbetracht dessen, wie sich der Ruf vom weiblichen Single-Dasein in den letzten Jahren verbessert hat, ist das erschreckend. Mal ganz davon abgesehen, dass der Stereotyp der „traurigen Singles“ beleidigend ist, entspricht er auch überhaupt nicht der Realität. „Die Single-Positivity-Bewegung wird immer stärker, weil heute im Vergleich zu vor ein paar Jahrzehnten viel mehr Menschen Single sind“, meint Nicola Slawson, Autorin vom Newsletter The Single Supplement. „Single zu sein, kann ein total bestärkendes Gefühl sein, und du kannst natürlich trotzdem ein erfülltes Leben führen – das gilt unabhängig davon, ob du eine:n Partner:in finden möchtest oder nicht.“ Wieso also ist es in Zeiten, zu denen der Singles Day fast größer ist als Black Friday, fast unmöglich, eine positive Darstellung des Single-Lebens in Weihnachtsfilmen zu finden? 
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Ich sage ja gar nicht, dass es „Single-feindlich“ ist, wenn sich zwei Charaktere verlieben – aber ich finde es toxisch, das Single-Leben als grundlegend unbefriedigend darzustellen.

Besonders frustrierend ist, dass Single Positivity ja nicht mal inkompatibel mit der typischen Rom-Com-Story ist. Ich sage ja gar nicht, dass es „Single-feindlich“ ist, wenn sich zwei Charaktere verlieben – aber ich finde es toxisch, das Single-Leben als grundlegend unbefriedigend darzustellen, als sei eine Beziehung der einzige Weg zum wahren Glück. „Es ist natürlich möglich, sich gleichzeitig Liebe zu wünschen und währenddessen ein tolles Leben führen zu wollen“, meint Nicola. „Das bedeutet Single Positivity für mich. Es geht nicht immer darum, glücklich unvergeben zu sein, sondern darum, gegen die Vorstellung zu rebellieren, dass du zwangsläufig verzweifelt und am Boden zerstört sein musst, bloß weil du gerade keine:n Partner:in hast.“
Und in den meisten Nicht-Weihnachtsfilmen ist die Single Positivity auch schon angekommen. Eins der besten neuesten Beispiele dafür ist Greta Gerwigs Entscheidung, das Ende von Little Women umzuschreiben. „Wenn du dein schönes Buch damit abschließt, dass deine Heldin als Junggesellin endet, wird es niemand kaufen“, warnt die Verlegerin von Jo March darin. „Ich schätze, Ehe war schon immer eine wirtschaftliche Angelegenheit“, antwortet Jo und lässt sich entspannt darauf ein, die Hauptfigur in ihrem Buch heiraten zu lassen, während sie selbst Single bleibt und ihren Buchdeal verhandelt.
Sogar einige Filme aus dem Rom-Com-Genre entwickeln langsam eine andere Perspektive auf die Story der Single-Frau. In The Incredible Jessica James könnte die Protagonistin am Ende des Films in einem Flieger nach London mit ihrem Lover Boone beenden – stattdessen nutzt sie seine Gratis-Flugmeilen, um mit ihren Freund:innen wegzufliegen, ohne überhaupt zu wissen, ob ihre Beziehung zu Boone bestehen bleibt. „Es braucht schon mehr als ein paar Flugtickets nach London, damit jemand mein Freund wird“, erklärt sie.
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How to Be Single endet zwar mit einigen Beziehungen; die Protagonistin Alice löst sich aber schließlich doch aus einer einschränkenden Beziehung, um sich ihren Traum zu erfüllen, alleine im Grand Canyon wandern zu gehen. „Das Ding am Single-Sein ist: Du solltest es auskosten“, sagt sie. Und jetzt versuch mal, dir diesen Spruch in der Welt der Weihnachts-Rom-Com vorzustellen, wo das Single-Sein als Problem gilt: Obwohl die erste Szene in Holidate eindeutig lustig rüberkommen soll, fand ich sie eher verstörend. Darin bekommt Emma Roberts’ Charakter von ihren Verwandten abwechselnd Mitleid und Kritik für ihren Single-Status. Ich kann mir wirklich keine Welt vorstellen, in der meine Liebsten so mit mir reden würden – und trotzdem wird das Single-Shaming hier als ganz normal und unvermeidbar dargestellt. In Weihnachtsfilmen wird das Single-Sein jedenfalls alles andere als „ausgekostet“.
Foto: bereitgestellt von Netflix.
Aber warum eigentlich? Um mal zu den Worten von Jo Marchs Verlegerin zurückzukehren: Liegt das daran, dass die Firmen hinter diesen Filmen davon ausgehen, dass das Publikum positive Darstellungen vom Single-Sein an Weihnachten nicht akzeptieren oder glauben würde? Wenn ja, unterschätzen sie meiner Meinung nach die Toleranz ihrer Zuschauer:innen. Wenn die nämlich damit klarkommen, dass sich Brooke Shields und Cary Elwes ineinander verlieben, einfach weil sie durch Zufall zusammen in einem schottischen Schloss wohnen (ja, die Story von A Castle for Christmas verwirrt mich immer noch), ist ein Single-Happy-End wohl kaum unvorstellbar.
Kurz und knapp: Ich liebe es, Single zu sein, und ich liebe Weihnachten. Ich fände es toll, mal einen festlichen Film zu sehen, wo diese beiden Sachen nicht unvereinbar sind. Bis dahin muss ich wohl zum x-ten Mal Kevin allein zu Haus zu gucken.
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