Vor zwei Wochen waren BLACKPINK für zwei Konzerte ihrer Born Pink World Tour in London. Während ihrer ersten Show musste die beliebteste Girl Group der Welt ihre Fans aber darum bitten, einfach mal im Hier und Jetzt zu leben und sich auf das Konzert zu konzentrieren.
„Wir sehen gerne die Gesichter unserer Blinks, nicht ihre Handys. Wir halten gern Augenkontakt und singen unsere Songs am liebsten mit euch zusammen“, erzählte BLACKPINKs Jennie Kim ihrem Publikum. „Ich will mehr Leucht-Sticks in der Luft sehen, mehr Bewegung!“, stimmte ihr auch Rosé Park zu.
Das Handys-bei-Konzerten-Dilemma ist kein neues. Dieses Jahr kommt es uns aber besonders schlimm vor, weil es lange her ist, dass wir so große Konzerte besuchen konnten.
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Im Februar teilte auch die japanisch-amerikanische Singer-Songwriterin Mitski auf Twitter ihre Abneigung für Handys bei Konzerten. In einem inzwischen gelöschten Tweet schrieb sie: „Ich habe nichts dagegen, wenn jemand bei einem Konzert Fotos macht (aber bitte ohne Blitz, lol). Manchmal sehe ich aber Leute, die ganze Songs oder sogar das komplette Konzert filmen, und dann fühlt sich das so an, als seien wir nicht zusammen hier.“
@elizeymirza I felt so bad for them 🥺😭 the crowd was not giving :((( #blackpinkofficial #blackpinkinyourarea #blackpink #kpopconcert #blackpinklondon ♬ Shut Down - BLACKPINK
Klar reagierte das Internet darauf ganz typisch: wütend, laut und aufgeregt. Mitskis eigene meinungsstarke Fanbase kritisierte sie für ihr Statement und führte Be_hinderungen oder geistige Gesundheitsprobleme als Gründe für das Filmen an.
Die Gegenreaktion ließ demnach nicht lange auf sich warten. Dabei haben auch schon Musiker:innen wie Florence and the Machine, Bob Dylan, Jack White und The Lumineers ihre Missbilligung für Handys bei ihren Shows klargestellt. Einige von ihnen bitten darum, keine Handys bei den Konzerten zu benutzen – oder verbieten sie sogar komplett –, ohne dafür einen ähnlichen Shitstorm wie Mitski zu kassieren.
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Ich dachte erst, es sei so ein Boomer-Ding, ganze Songs und Konzerte zu filmen, aber diese Mädels vor mir schauten sich die Band quasi ausschließlich auf ihren Handy-Bildschirmen an.
Jasmine
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Die 26-jährige Jasmine war vor Kurzem bei einem Wallows-Konzert in Melbourne. Eine ihrer liebsten Bands zum ersten Mal live zu sehen, hätte für sie eigentlich eine tolle Erinnerung werden sollen. Sie hatte aber nicht damit gerechnet, dass sie sich beim Gedanken an das Konzert heute vor allem ärgern würde.
Ein junges Publikum ist für viele Musiker:innen ein echtes Lebenselixier. Das findet auch Jasmine. „Ich bin der Meinung, dass Teenager die Seele jeder Fan-Community sind (und vor allem jugendliche Mädchen). Trotzdem merke ich, dass es bei den großen Gigs kaum noch Etikette gibt“, erzählt sie. „Ich dachte erst, es sei so ein Boomer-Ding, ganze Songs und Konzerte zu filmen, aber diese Mädels vor mir schauten sich die Band quasi ausschließlich auf ihren Handy-Bildschirmen an. Jedes Mal, wenn der Frontsänger der Band, Dylan Minnette, zu unserer Seite der Bühne rüberkam, tauchten vor plötzlich unzählige Handys auf und verdeckten sein Gesicht“, erinnert sie sich.
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Jasmine verließ das Konzert „frustriert und niedergeschlagen“. „Du musst nicht jeden einzelnen Song filmen oder jede Bewegung der Musiker:innen fotografieren. Damit versaust du allen Leuten hinter dir die Show.“
Der astronomische Erfolg von TikTok spiegelt diese neue Konzerterfahrung wider. Unsere Feeds sind voller Konzertaufnahmen (denk nur an Harry Styles’ Harryween-Performances oder Sabrina Carpenters stadtspezifische Lyrics-Änderungen). Wir feiern die Videos zu Konzert-Outfits, Stars im Publikum und Fan-Interaktionen.
Klar, in Konzerten ging es immer schon um Entertainment und um den Kontakt zwischen Musiker:innen und Fans. Der Unterschied ist aber, dass das Publikum inzwischen zur Produktion dazugehört. Die Chance, mit einem Video oder Foto viral zu gehen, hat grundlegend verändert, wie wir ein Konzert erleben; wir filmen und knipsen nicht mehr bloß zu Dokumentationszwecken oder um eine Erinnerung festzuhalten. Die Besessenheit, ununterbrochen das Handy draufzuhalten, hängt damit zusammen, was wir von einem Konzert „bekommen“ können – Likes, Views, Bewunderung, Bekanntheit.
Konzerte sind inzwischen zu Content-Fabriken geworden.
Es geht nicht mehr um FOMO („fear of missing out“, die Angst, etwas zu verpassen), sondern um die Angst, das Foto oder das Video zu verpassen. Wer ein Konzert von The 1975 besucht, macht das vielleicht nicht mehr bloß aus Liebe zur Band – sondern vielleicht auch dafür, die theatralische Art von Matty Healy auf Video festzuhalten und aufzunehmen, wie er womöglich betrunken performt und mit Fans auf der Bühne rummacht.
Natürlich kann TikTok Musiker:innen zu einer Karriere verhelfen und Songs die Charts-Leiter hochklettern lassen. All das erfordert aber einen Preis.
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Steve Lacys Songs sind die Grundlage für viele virale TikTok-Sounds. Der 24-jährige machte aber im Oktober Schlagzeilen, als er sein Konzert in New Orleans abbrach, kurz nachdem er eine Kamera zerstört hatte, die jemand aus dem Publikum auf die Bühne geworfen hatte. Als die 25-jährige Millie Ende November bei einem seiner Konzerte war, sorgte das Meer aus Handys im Publikum dafür, dass sie „nicht mehr da sein wollte. Ich konnte es gar nicht mehr erwarten, endlich abzuhauen“.
„Alle hatten durchgehend die Handys oben. Es war unmöglich, [Steve Lacy] überhaupt zu sehen. Ich hatte einen besseren Blick durch die ganzen iPhone-Bildschirme als ‚in echt‘“, erzählt sie. „Ganz viele Leute schickten ihre Videos direkt per Snapchat weiter. Das ist ja okay – ich verstehe, wenn man den eigenen Freund:innen zeigen will, wo man grad ist. Das dauernde Aufnehmen fühlte sich aber so an, als warteten alle nur darauf, dass sich ein perfekter Moment ergab, der dann auf TikTok viral gehen könnte.“
Die Debatte rund um Konzert-Etikette ist natürlich kein neues Thema. Es gibt schon unzählige Subreddits zu den Dos und Don’ts. „Sei nicht der Depp, der allen die Laune verdirbt, weil er zu laut singt“, schreibt dort zum Beispiel jemand. „Trink nicht zu viel, damit du während des Konzerts nicht aufs Klo musst“, schreibt jemand anderes. „Lass deinen Müll nicht einfach liegen, sondern räum hinter dir auf“, steht in einem anderen Kommentar.
„Bei der Konzert-Etikette ging es früher darum, sich nicht nach vorne durchzudrängeln, einen Zopf zu tragen, damit du deine Haare niemandem ins Gesicht haust, und nicht so laut zu singen, dass es den Leuten die Videos verdirbt, wenn sie sie sich im Nachhinein angucken“, meint Millie. Sie findet aber, dass diese Etikette an das Leben nach den Lockdowns angepasst werden sollte.
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Für viele junge Konzertbesucher:innen ist dieses Jahr vielleicht das erste, in dem sie solche Gigs wirklich selbst besuchen können und dürfen. Das heißt: Für viele von ihnen ist es womöglich das allererste Konzert überhaupt. Anstatt wirklich im echten Leben mit Leuten zu interagieren, mussten sie das virtuell tun. Die Community wurde digital, und viele von uns erlebten das Leben nur durch das Rumklicken mit dem Finger auf einem Handy-Bildschirm. Jetzt auf den persönlichen Raum anderer Leute Rücksicht nehmen zu müssen, mit denen wir gemeinsame Erinnerungen erschaffen, kann sich daher für viele sehr fremd anfühlen.
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Was ich auf diesem Konzert erlebt habe, hat der Live-Musik die Energie ausgesaugt. Da war kein Gefühl von Geselligkeit – davon, nicht nur mit den Musiker:innen, sondern auch mit den anderen Fans dort zu sein.
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Weder Jasmine noch Millie haben etwas dagegen, ein paar Fotos zu machen oder zwischendurch mal ein wenig zu filmen, um etwas für das virtuelle Fotoalbum oder den Social-Media-Feed mitzunehmen. „Den ganzen Gig zu filmen, um hoffentlich einen ‚viralen‘ Moment festzuhalten, sorgt aber dafür, dass du das Gefühl für das Hier und Jetzt verlierst und keine Rücksicht auf die Leute um dich herum nimmst“, findet Millie.
„Was ich auf diesem Konzert erlebt habe, hat der Live-Musik die Energie ausgesaugt. Da war kein Gefühl von Geselligkeit – davon, nicht nur mit den Musiker:innen, sondern auch mit den anderen Fans dort zu sein.“
All diejenigen, die schon mal in einem guten Mosh Pit rumgehüpft sind, wissen genau, welche tolle Energie zwischen Künstler:in und Publikum entstehen kann. Wenn alles richtig läuft, kann sich das fast schon spirituell anfühlen. Wenn diese Magie aber auf solchen Gigs nicht mehr zu finden ist, was sollen wir dann da überhaupt?
Wenn wir unsere wertvolle Zeit stattdessen lieber damit verbringen, einen rechteckigen Bildschirm anzustarren, verpassen wir währenddessen womöglich echte, tiefe Kontakte.
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Wie Mitski schrieb: „Ich liebe Shows, weil man dabei eine Beziehung zueinander aufbaut, einen Traum teilt und spürt, wie schön es ist, zur selben Zeit zu leben – bevor sich unsere Wege trennen.“
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