Achtung: Spoiler zur 5. Staffel von Netflix’ The Crown direkt voraus!
Das Haus Windsor steht in Flammen – zumindest auf unseren Bildschirmen. In der vierten Folge von Staffel 5 der Netflix-Serie The Crown steht Queen Elizabeth II. (Imelda Staunton) in den frühen Morgenstunden vor Windsor Castle und sieht dabei zu, wie die royale Residenz von Flammen verschlungen wird und unter ihrer eigenen Last zusammenbricht. Es ist der Höhepunkt eines Jahres, das die Queen selbst als eines der schwierigsten ihrer Regentschaft bezeichnete – sowohl in der Serie als auch im wahren Leben –, doch passt die Symbolik der Szene auch gut zu der erfolgreichen Netflix-Serie. Wohingegen die vorherigen Staffeln, die sich von der Krönung von Queen Elizabeth II. bis in die 1980er erstreckten, dafür gelobt wurden, dass sie den Schleier rund um die royale Familie lüfteten und damit veränderten, wie die Öffentlichkeit über sie dachte, wird die neueste Staffel als „unzulänglich“ und „langweilig“ kritisiert. Das ist überraschend – eigentlich sollte diese Staffel zumindest in der Theorie die bisher dramatischste und relevanteste sein. Immerhin deckt sie Jahre ab, an die sich viele von uns sogar noch erinnern können – 1991 bis 1997 –, inklusive den Untergang der Ehe von Prinz Charles und Prinzessin Diana sowie die Monate und Jahre bis kurz vor Dianas Tod (der Autounfall und ihr Tod sollen Berichten zufolge in Staffel 6 behandelt werden).
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Woran liegt also diese Ernüchterung? Ein Großteil davon lässt sich so erklären: Obwohl die Serie fiktionalisiert und nur von der realen Geschichte inspiriert ist, kommt das, was wir auf dem Bildschirm sehen, unserer heutigen Zeit immer näher. Das erlaubt es uns, dem Publikum, unsere eigenen Gefühle für die royale Familie und unsere Erinnerung an die dargestellten Ereignisse auf die Serie zu projizieren.
Das war nicht immer so. Seit seiner Premiere im November 2016 wird The Crown als Beispiel für Hochklasse-Fernsehen gefeiert, weil die Serie ihrem Publikum intime Einblicke in die Geschichte und das Innenleben der bekanntesten Königsfamilie und -institution der Welt gewährt und die erste darin gezeigte royale Ehe als RomCom darstellt (zwischen Claire Foy als jüngere Lilibet und Matt Smith als ihr Prinz Philip stimmte einfach die *Chemie*).
Während die Serie unserer heutigen Zeit aber immer näher kam und Foy in der Rolle von Elizabeth II. erst gegen Olivia Colman, dann gegen Imelda Staunton eingetauscht wurde, die die meisten von uns wohl am ehesten als Dolores Umbridge aus Harry Potter kennen, hat sich so einiges verändert. Die Queen – die echte Queen – ist mittlerweile verstorben, und angesichts ihres Todes im September wird die Debatte darum immer lauter, was sie und die britische Monarchie eigentlich für Menschen aus aller Welt bedeuten. Und obwohl es zweifellos Leute gibt, die für die verstorbene Monarchin viel Zuneigung empfinden (vor der Veröffentlichung dieser neuen The-Crown-Staffel setzte sich zum Beispiel Dame Judi Dench lautstark für die Queen und die royale Familie ein), gab es nach ihrem Tod auch sehr laute (und gerechtfertigte) Gegenstimmen, die insbesondere die britische Kolonialismus-Vergangenheit und die Symbolfigur einer Queen an der Spitze eines solchen Systems betonten. Das sind schlagkräftige Argumente gegen die Romantisierung der Queen und der Royals im Allgemeinen – und sie sorgen dafür, dass es manchen Leuten schwerfällt, sich die Serie zur puren Unterhaltung anzusehen. Es ist nämlich schwierig, sich von diesen Gedanken zu lösen, und das sollten wir vermutlich auch gar nicht tun.
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Darüber hinaus liegen die dargestellten Ereignisse eben auch gar nicht lange zurück. Die Dramatisierung der ersten Jahre der Regentschaft von Queen Elizabeth II. – der Anfangszeit ihrer Ehe auf Malta, ihrer romantischen Safari-Flitterwochen in Afrika und historischer Momente wie der Minenkatastrophe in Aberfan 1966 – ließ sich als Zuschauer:in noch leichter verdauen, weil diese Ereignisse historisch sehr „weit weg“ waren. Viele derjenigen, die einschalteten, konnten sich vermutlich gar nicht an all das erinnern oder waren damals noch nicht einmal auf der Welt.
Für viele jüngere Zuschauer:innen – inklusive mir selbst – ist der Tod von Prinzessin Diana aber eine frühe eigene Erinnerung. Wir können die Ereignisse dieser Staffel noch eher mit unseren eigenen Erinnerungen und Meinungen vergleichen. Damit macht sich Staffel 5 angreifbarer für Kritik als vorherige Staffeln. Es ist schwierig, den gelebten Erfahrungen von Zuschauer:innen gerecht zu werden – und das wurde besonders deutlich, als vor der Staffelpremiere ein Clip aus der Serie auf Twitter kursierte, in dem Elizabeth Debicki als Diana das berüchtigte BBC-Panorama-Interview nachspielt, in dem Diana betonte, in ihrer Ehe hätten drei Leute mitgemischt. Damit spielte sie auf Prinz Charles’ (Dominic West) Affäre mit Camilla Parker Bowles an. Prompt wurde der Clip ins kleinste Detail mit dem Original-Interview verglichen, und zahlreiche Leute posteten ihre eigenen Erinnerungen an das Interview und Interpretationen davon, was Diana mit ihren Worten wohl wirklich gemeint habe. Die meisten von ihnen kritisierten, wie die Serie und Elizabeth Debicki Prinzessin Diana in diesem Moment dargestellt hatten.
Ein Teil des Problems dieser Staffel ist demnach womöglich die Tatsache, dass Diana überhaupt dargestellt wird. Zwar stellt die Serie inzwischen in Form von Disclaimern klar, dass manche Szenen doch deutlich von der Realität abweichen. Letztlich ist es aber egal, dass The Crown lediglich von der wahren Geschichte inspiriert ist, weil es immer schwieriger wird, als Zuschauer:in Fakt und Fiktion auseinanderzuhalten. Ebenso wie auch Britney Spears und Marilyn Monroe – Frauen, deren Traumata schon seit Jahrzehnten für den öffentlichen Konsum ausgeschlachtet werden – wurden auch Prinzessin Diana und ihr Tod seitdem in Film und Fernsehen immer wieder neu inszeniert, wie in Spencer von 2021 mit Kristen Stewart in der Hauptrolle oder in Dokumentationen wie HBOs The Princess.
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Am tragischsten ist aber vielleicht die Tatsache, dass diese Staffel nur ein weiteres Licht darauf wirft, wie wenig Fortschritt wir im Umgang mit der royalen Familie eigentlich seit den 90ern gemacht haben. Viele derselben Probleme, die in der Serie thematisiert werden, beschäftigen uns auch heute noch. Der Umgang der britischen Presse sowie der Königsfamilie mit Prinzessin Diana und ihrer geistigen Gesundheit ist eine direkte Parallele dazu, wie auch Meghan Markle, ehemals Duchess of Sussex, angeblich behandelt wurde – auch sie war eine bürgerliche „Außenseiterin“. (In einem Interview mit Oprah Winfrey von 2021 verriet Markle, sie habe als Teil der royalen Familie mitunter sogar Suizidgedanken gehabt.)
Schon die erste Folge der fünften Staffel von The Crown handelt davon, dass die Öffentlichkeit die Notwendigkeit der Queen hinterfragt – sowie deren Fähigkeit, wirklich für echte Menschen zu stehen. Dieselbe Frage stellen wir uns auch heute noch, nachdem König Charles III. soeben den Thron übernommen hat. In vielerlei Hinsicht drehen wir uns dahingehend im Kreis, und die Debatten rund um den Nutzen der Monarchie überschatten die aktuelle Staffel von The Crown. Die Serie soll nach ihrer sechsten Staffel enden, mit der sie ihr Publikum in die frühen 2000er zurückversetzt und Charaktere wie Kate Middleton ins Boot holt, bevor die zur Duchess of Cambridge wurde. Wir wissen aber, was als Nächstes passiert – denn wir können uns noch gut daran erinnern. Und das führt dazu, dass es sich ein wenig sinnlos anfühlt, uns das Ganze nochmal anzusehen.
Staffel 5 von The Crown ist zum Streamen auf Netflix verfügbar.
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