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Sorry, aber ich kaufe Kristen Stewart die Diana in Spencer nicht ab

Foto: bereitgestellt vom TIFF.
Es gab eine Zeit in Kristen Stewarts Karriere, während der ihr ihre Berühmtheit sichtlich unwohl war. Sie schien ihre Prominenz ähnlich wenig leiden zu können wie damals Prinzessin Diana ihren Royal-Status, obwohl diese beiden Frauen natürlich Generationen, Kulturen und Erwartungen trennen. Womit Stewart als Star des Twilight-Franchises konfrontiert wurde (ihre sehr öffentliche Beziehung mit Co-Star Robert Pattinson und die generelle Besessenheit der Medien mit jungen, objektifizierten Schauspielerinnen), ist nicht dasselbe, womit sich Diana als Gefangene in einer lieblosen Ehe herumschlagen musste, die sie an eine Familie kettete, die gleichgültig zusah, während sie unter der Last der royalen und öffentlichen Aufmerksamkeit zu ersticken drohte. In Spencer, der letzte Woche beim Toronto International Film Festival seine Premiere feierte, kommen diese beiden Frauen zusammen: Stewart spielt die verstorbene Diana, Princess of Wales, während eines besonders albtraumhaften langen Weihnachtswochenendes 1991 mit der Royal Family im Sandringham Estate. Die Leben der beiden berühmten Frauen lassen sich sicher nur begrenzt miteinander vergleichen – auf dem Bildschirm lässt sich KStew aber kaum von Lady Di trennen.
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Die Leben der beiden berühmten Frauen lassen sich sicher nur begrenzt miteinander vergleichen – auf dem Bildschirm lässt sich KStew aber kaum von Lady Di trennen.

Für Spencer arbeitete Stewart mit einem Dialekt-Coach zusammen, um Dianas Akzent zu meistern (ob ihr das gelang, bleibt dem Publikum überlassen); außerdem versuchte sie, ihre Größe (die Schauspielerin ist mehrere Zentimeter kleiner als die echte Diana) mit Körperhaltung und Gestik auszugleichen, erzählte Stewart bei einem digitalen Event des Filmfestivals. Es sind aber genau diese körperlichen Entscheidungen, die mich immer wieder daran erinnerten: Das ist nicht Diana, sondern Kristen Stewart. (Zum Beispiel in Spencers kitschigster Montage, in der Diana vor einer Horde schreiender Paparazzi steht. Stewart neigt ihren Kopf genau so, wie wir es von Diana aus unzähligen Archivaufnahmen kennen, aber die Grimasse in ihrem Gesicht ist ganz ihre eigene.) Stewart hatte schon immer eine etwas hektische Bildschirm-Präsenz und lässt ihre natürlichen nervösen Ticks in ihre Rollen einfließen. Meist kommt ihre Art von schüchternem Unbehagen sympathisch rüber – vor allem, weil sie sich in den letzten Jahren scheinbar zunehmend wohler mit ihrer Berühmtheit zu fühlen scheint und sich selbst nicht mehr so ernst nimmt –, aber in dieser Rolle, in der sie eben Dianas Art von schüchternem Unbehagen darstellen soll, lenkt sowas nur ab.
„Sie steht so unter Strom und hat diese unglaublich entwaffnende, lockere, ansteckende, wunderschöne, empathische, warme Ausstrahlung. Gleichzeitig hast du bei ihr aber immer das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt – dass sie irgendwas zu beschützen versucht“, meinte Stewart über Diana. Und Stewart hat zwar dieselbe mysteriöse Anziehungskraft wie Diana (sie könnte sich mit ihren Worten auch selbst beschreiben), und in manchen Szenen in Pablo Larraíns Spencer klappt das sehr gut mit diesen Ähnlichkeiten. In anderen hast du als Zuschauer:in aber einfach den Eindruck, Stewart dabei zuzusehen, wie sie sich selbst dabei spielt, Prinzessin Diana zu spielen. 
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„Du weißt nie, was passiert. Sie betritt einen Raum und plötzlich fängt die Erde an zu beben“, sagte Stewart weiter beim Filmfestival über Dianas Unberechenbarkeit. „Ich wusste also, dass ich diese Rolle niemals perfekt würde spielen können. Dadurch war es leichter, mich nicht so einschüchtern oder entmutigen zu lassen. Ich konnte nur meine Version [von Diana] spielen und hoffen, dass – wenn ich auf merkwürdige Art gleichzeitig ich selbst und sie war – das die beste Version sein würde.“
Vielleicht liegt es an meinem Alter. Ich bin eine Millennial, die den Höhepunkt der Twilight-Ära live und leidenschaftlich miterlebt und Stewart seitdem immer im Auge behalten hat – mitsamt Skandalen, öffentlichen Enthüllungen und Umstylings. Ich glaube, ich habe schon zu viel gesehen. Obwohl viele Kritiker:innen Stewart in Spencer lieben, konnte ich Stewarts Ticks nicht von Dianas charakteristischem Schmunzeln loslösen (das Stewart im Laufe des Films zu perfektionieren versucht). Stewart liefert hier zwar, wie Vulture schreibt, „beachtliche Durchsichtigkeit“ – anstatt mich aber in dieser Transparenz zu verlieren, fragte ich mich andauernd, wie gründlich sie jede einzelne Bewegung durchdacht hatte. Mit jedem zurückhaltenden Schritt und gehauchtem Satz konnte ich die sich drehenden Zahnräder in Stewarts Kopf erkennen.
Das kann man jetzt auf ihren Status als einer der berühmtesten Menschen der Welt schieben – aber viele bekannte Schauspielerinnen schaffen es, andere Stars zu spielen und in diesen Rollen komplett zu verschwinden (sieh dir nur mal Jessica Chastain als Tammy Faye Bakker in The Eyes of Tammy Faye an – ebenfalls ein neuer Release auf dem Toronto Film Festival ’21). Und andere, noch berühmtere Promis als Stewart haben Performances abgeliefert, bei denen ihnen ihr Star-Status nicht in die Quere kam. Denk bloß an Jennifer Lopez, deren charakteristische arrogante Art perfekt zu ihrer Rolle als selbstbewusste, betrügerische Stripperin in Hustlers passte. Einige Darsteller:innen können ihre einzigartigen, unvermeidlichen und ununterdrückbaren Eigenarten zu ihrem Vorteil nutzen. Bei Stewart in Spencer fühlte es sich aber nie so an, als sei es Absicht gewesen, ihre ureigenen Ticks in die Rolle einfließen zu lassen.
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Im Laufe von Larraíns Film bekommen wir aber doch ein paar Beweise für Stewarts Schauspieltalent, während Spencer angestrengt versucht, mehr zu sein als bloß ein leeres Sezieren von Dianas geistigem Zustand in den letzten Tagen ihrer bröckelnden Ehe mit Prinz Charles. Das trifft vor allem auf die Szenen zu, in denen sie mit den beiden Schauspielern vor der Kamera steht, die Dianas Söhne William und Harry spielen. „Sie war nicht sehr gut darin, sich selbst zu schützen – aber sie war sehr, sehr gut darin, die beiden zu beschützen“, sagte Stewart über Dianas Identität als Mutter, eine verwundbare Seite der Prinzessin, von der Stewart wusste, dass sie sie richtig rüberbringen musste. „Wenn du das nicht richtig hinbekommst, bekommst du sie nicht richtig hin.“ Da liegt sie nicht falsch, aber in diesen Szenen fühlt es sich an, als sei dafür den Jungs zu danken, die Stewart ein bisschen aus ihren eigenen Gedanken zerren und ihr ermöglichen, sich komplett in der Darstellung zu verlieren – was wiederum mehr über die schauspielerischen Fähigkeiten der beiden Jungen aussagt als über ihre eigenen.

Spencer versucht angestrengt, mehr zu sein als bloß ein leeres Sezieren von Dianas geistigem Zustand in den letzten Tagen ihrer bröckelnden Ehe mit Prinz Charles.

Viele Zuschauer:innen werden Stewart, die im Rampenlicht aufgewachsen ist, sicher problemlos von Diana trennen können, die nur widerwillig hineintrat und ihm nie wieder entkam. Für dieses Publikum ist Spencer garantiert ein Triumph. Der Film ist auch sehr, sehr hübsch anzusehen und hat Wichtiges über die Konsequenzen zu sagen, die die erdrückende royale Kontrolle über Frauen mit sich bringt, die es wagen, unmögliche Erwartungen zu enttäuschen (in mehreren Traumsequenzen halluziniert Diana zum Beispiel Anne Boleyn). Letztlich dringt der Film aber doch nie tiefer in Dianas Leben vor, als wir schon aus Tausenden Schlagzeilen kennen – und wirft dadurch die Frage auf, ob wir diese Story wirklich gebraucht haben.
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„Ich wurde oft gefragt, ob es okay ist, jemandes Geschichte zu erzählen, wenn die Person gar nicht mehr lebt – vor allem bei jemandem, in deren [Privatsphäre] schon so oft eingegriffen wurde“, meinte Stewart. „Weil wir nicht behaupten, irgendwas [Neues] zu wissen oder neue Informationen zu präsentieren, und weil wir den Film so persönlich gemacht haben, hoffe ich, dass es nicht so rüberkommt, als würden wir [Diana] ausbeuten.“ Und es ist tatsächlich nicht so, als würde sich Spencer wie eine Ausbeutung von Diana oder ihrem Vermächtnis anfühlen – aber der Film erweckt sehr wohl den Eindruck, eine Verbindung zwischen Stewart und Diana herstellen zu wollen, die es so einfach nicht gibt.
„Sie will berührt werden und sich verstanden und begleitet fühlen, und trotzdem ist sie sehr isoliert. Es ist schwer, sich in sie hineinzuversetzen“, sagte Stewart. „Manchmal wollte ich mich [beim Dreh] selbst umarmen, wenn es niemand anderes tat – körperlich… Sie hat immer gemeint: ‚Die königliche Familie umarmt niemanden‘, aber das kann man natürlich im Film so nicht direkt sagen. Deswegen dachte ich mir manchmal: ‚Umarm dich einfach selbst.‘“ Die Entscheidung, sich in der Rolle der Diana derart körperlich einzuigeln, fühlte sich mehr wie ein defensiver Instinkt von Stewart selbst an als wie einer von Diana, und diese Interpretation erklärt sich auf dem Bildschirm nicht von selbst. Im Laufe des Films zieht sich Stewart auf ihrer Suche nach Wärme immer wieder zurück, während Diana diese Wärme eigentlich selbst ausstrahlte.
Und genau darin liegt das größte Problem mit Spencer: Stewart scheint nie so richtig die Prinzessin in Diana spielen zu können. „Sie trägt ihr Herz auf der Zunge wie niemand sonst. Sie kann nichts verstecken, und doch wissen wir gar nichts über sie“, erzählte Stewart und klang schon wieder, als würde sie von sich selbst sprechen. Auch über sie wissen wir kaum etwas – und doch kann sich Stewart in ihrer übermäßig affektierten Performance nicht selbst verstecken.
Timing ist alles, und im Laufe von Spencer kommt Prinzessin Diana mehrmals zu spät – ob nun absichtlich oder gedankenverloren –, wodurch sie mehrere Streits mit ihren royalen Betreuer:innen vom Zaun bricht. Weil wir darauf trainiert sind, auf Dianas Seite zu sein, wirkt ihr Zuspätkommen entweder als stark oder sympathisch. Stewart hingegen versucht immer pünktlich zu sein, alles richtig zu machen, den perfekten Ton zu treffen, schafft es aber nie so richtig. Die Meinung, ob diese Strategie gut rüberkommt, bleibt letztlich dem Publikum überlassen.
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