Alles hätte so schön laufen können für Lyndsey Gunnulfsen und ihre Jungs: Mit ihrem 2014er Debütalbum „White Noise“ brachen PVRIS (sprich: Paris) vor drei Jahren aus dem Stand sämtliche Rekorde und wurden als next big thing des Indie-Rock gehandelt. Doch mit zunehmendem Erfolg schottete sich die 23-jährige Sängerin immer mehr ab – bis hin zur Depression. Auf dem neuen Longplayer „All We Know Of Heaven, All We Need Of Hell“ rechnet das amerikanische Trio nun ab: mit sich und seiner Umwelt. Lynn Gunn spricht mit uns über ihren kreativen Burn-Out, ihr schwieriges Coming-Out, ihre angebliche Affäre mit „Personal Shopper“-Schauspielerin Kristen Stewart und das ständige Leben zwischen Himmel und Hölle.
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Im Titel eures neuen Albums„All We Know Of Heaven, All We Need Of Hell“ zitierst du Emily Dickinson. Was hat eine Band mit einem französischen Namen mit der amerikanischen Dichterin gemeinsam?
Sie beschäftigte sich mit existenziellen Fragen wie dem Tod oder der Unendlichkeit. Ich habe mich schon immer für das Übernatürliche interessiert und bin sicher, dass es viel mehr gibt, als wir mit unseren beschränkten Sinnen wahrnehmen können. Ich glaube an die Macht des Unterbewußten und den Einfluss, den der Kosmos auf unser Handeln hat. Manchmal muss man sich nur still in die Ecke setzen und das Universum die kreative Arbeit machen lassen. Viele Dinge ergeben sich von selbst, wenn man ihnen einfach ihren Lauf lässt.
Wie definierst du denn Himmel und Hölle?
Das ist eine große Frage. Ich bin sicher, jeder hat eine andere Definition. Beides repräsentiert für mich verschiedene Seiten derselben Sache. Freude und Lust genauso, wie Schmerz und Verlust. In meinen Augen sind Emotionen wie Wut genauso wichtig, wie Glück und Zufriedenheit. Ohne das eine kann es das andere nicht geben. Wo keine Hölle ist, kann auch kein Himmel existieren. Wobei manchmal auch ein Bad Hair-Day ziemlich höllisch sein kann. Die ganze Platte ist geprägt von einem gewissen dunklen Zynismus. Der Albumtitel spiegelt auf doppeldeutige Art wider, was wir in den letzten drei Jahren durchgemacht haben.
Was denn?
Seit Veröffentlichung unseres ersten Albums im Jahr 2014 waren wir ununterbrochen auf Tour. Obwohl wir immer erfolgreicher wurden, ging es mir mental immer schlechter. Ich kann manchmal sehr hart zu mir selbst sein. Ich habe mich nach jedem Konzert über meine Fehler geärgert und mich selbst fertig gemacht. Irgendwann begann ich, mir einen emotionalen Panzer anzulegen, um meine Gefühle zu unterdrücken. Das endete damit, dass ich gegen Tourende kreativ und menschlich ausgebrannt war. Ich war zu meinem größten Feind geworden; die Shows mutierten zu einer Art Überlebenstraining. Als wir ein paar Tage Ruhe hatten, brachen die aufgestauten Emotionen plötzlich hervor.
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Irgendwann begann ich, mir einen emotionalen Panzer anzulegen, um meine Gefühle zu unterdrücken. Das endete damit, dass ich gegen Tourende kreativ und menschlich ausgebrannt war. Ich war zu meinem größten Feind geworden.
Lynn Gunn von PVRIS
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Wie hast du dich aus diesem schwarzen Loch gekämpft?
Mit viel Geduld. Ich habe mir Rat bei einem Psychotherapeuten geholt. So lernte ich langsam, meine Gefühle wieder zuzulassen und mich angreifbar zu machen. Durch den ständigen Stress, den Erfolgsdruck, das andauernde Funktionierenmüssen und nicht zuletzt durch meinen Perfektionswillen hatte ich mein Hirn unterbewußt darauf konditioniert, alle persönlichen Befindlichkeiten total auszublenden. Heute kann ich die Dinge wieder klar sehen. Je angreifbarer man sich macht, desto stärker und unerschrockener wird man. Dieser Lernprozess ist noch lange nicht abgeschlossen, aber ich bin auf dem besten Weg. Das Album handelt davon, mit gewissen Dingen abzuschließen und sich selbst zu akzeptieren, wie man ist.
Hattest du Probleme, dich nach so langer Zeit auf Tournee wieder im „richtigen Leben“ zurecht zu finden?
Wahnsinnige Probleme sogar! Das Leben auf Tour ist vergleichbar mit einer großen, bunten Blase, in der einem alles abgenommen wird. Man verlernt die simpelsten Dinge des Alltags. Ich war überhaupt nicht mehr gewohnt, meine Wäsche zu waschen oder mir morgens selbst Frühstück zu machen. Wenn man wieder zurück Zuhause ist, muss man sich erst wieder daran gewöhnen, keinen bis ins kleinste Detail durchgeplanten Tagesablauf zu haben, bei dem alles minutiös vorgegeben ist. Das erfordert eine Menge Disziplin.
Du gehst ganz offen mit deinerSexualität um und bist auch mit PVRIS aktiv in der LGBTQ-Community. In Deutschland wurde gerade die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert, viele andere Länder beschränken dagegen neuerdings die Rechte von Schwulen und Lesben...
Eine extrem traurige Sache. Ich denke, es hat sehr viel mit der Angst vor dem Unbekannten, mit purer Ignoranz und mit mangelndem Verständnis zu tun. Am Ende des Tages sind wir alle Menschen, die auf ihre Art versuchen, glücklich zu werden. Niemand sollte wegen der Wahl seines gleichgeschlechtlichen Partners diskriminiert werden. Viele Kulturen sind heute immer noch in gewissen Traditionen gefangen. Es ist wichtig, diese Verhaltensmuster zu durchbrechen.
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Niemand sollte wegen der Wahl seines*r gleichgeschlechtlichen Partners*in diskriminiert werden.
Lynn Gunn von PVRIS
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Welche Erinnerungen hast du noch an dein Coming-Out?
Ich war gerade 18 und frisch mit meiner ersten Freundin zusammen. Mein Freundeskreis wußte größtenteils Bescheid, nur meinen Eltern hatte ich bis dahin noch nichts gesagt. Ich musste einen wahnsinnigen inneren Kampf austragen, bevor ich mich entschied, es ihnen zu erzählen. Ich schrieb meiner Mutter schließlich einen Brief, den ich unter ihr Kopfkissen legte, bevor wir auf unsere erste Tournee gingen. Seitdem sich meine Eltern daran gewöhnt haben, erfahre ich eine unglaubliche Unterstützung. Genau wie von unseren Fans!
Vor zwei Jahren hat dir die Regenbogenpresse eine Affäre mit Schauspielerin Kristen Stewart angedichtet...
Sie ist eine sehr gute Freundin, die ich als Mensch und als Schauspielerin bewundere. Sie besuchte damals eine unserer Shows; uns sofort eine Affäre anzudichten, fand ich eher amüsant. Gerade zu dieser Zeit gab es so viele Gerüchte über mich, ich kann sie gar nicht mehr alle aufzählen. Ich bin eigentlich auch kein Mensch, der sich selbst googelt oder die Klatschspalten absucht, was gerade über mich geschrieben wird. Seitdem bin ich aber sehr vorsichtig mit den Dingen geworden, die ich in den Magazinen lese. Es gab bisher nur ein Gerücht, das mich wirklich auf die Palme gebracht hat: Vor ungefähr einem Jahr brachte jemand in Umlauf, wir hätten einen Ghostwriter, der unsere Songs komponiert! Dieser Bullshit hat mich wirklich wütend gemacht.
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Sie ist eine sehr gute Freundin, die ich als Mensch und als Schauspielerin bewundere.
Lynn Gunn von PVRIS über Kristen Stewart
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Das Album „All We Know Of Heaven, All We Need Of Hell“ erscheint am 25. August 2017 bei Warner Music.
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