Sexueller Missbrauch, Körperbildstörung, Alkoholsucht: In Open Book spricht Jessica Simpson extrem offen über sehr private Themen. Das Buch zählt zu den wenigen Celebrity-Memoiren, die für tiefes Mitgefühl bei der Leserschaft sorgen. Und das liegt zum Teil daran, dass viele schon ähnliche Dinge erlebt haben wie sie. Ich konnte mich zum Beispiel sehr gut mit ihren Geschichten über toxische Beziehungen und ein niedriges Selbstwertgefühl identifizieren. Aber es gibt auch noch eine andere Sache, die die Sängerin und ich gemein haben: Bei uns beiden wurde ein Eierstock entfernt und wir sind trotzdem schwanger geworden.
In ihrem Buch schreibt Simpson, wie sie von einer Ärztin zur nächsten ging, weil sie nach einer kräfteraubenden Tour zu Beginn ihrer Karriere unter Schmerzen und Krämpfen litt. Sie wurde fehldiagnostiziert – man sagte ihr, sie hätte eine vergrößerte Blase –, mit Aspirin behandelt und nach Hause geschickt. Doch bei einem Auftritt in Boston kamen die Schmerzen zurück und sie waren sogar noch schlimmer als vorher. Ein Gynäkologe führte eine Ultraschalluntersuchung durch und fand eine Zyste an ihrem rechten Eileiter. Weil der Eileiter zu stark beschädigt war als das man ihn hätte retten können, wurde er komplett entfernt. Als sie das erfuhr, reagierte Simpson verzweifelt, weil sie Angst hatte, jetzt keine Kinder mehr bekommen zu können. Daraufhin erklärte ihr der Arzt, sie könnte jetzt nur noch jeden zweiten Monat schwanger werden. Und trotzdem bekam Jessica in den folgenden Jahren drei Kinder.
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Der Kommentar des Arztes hat mich zum Nachdenken gebracht. Als ich neun war erlitt ich eine Adnextorsion: Mein Eileiter hatte sich verdreht und war brandig. Doch genau wie bei Simpson wurde auch mir eine Fehldiagnose gestellt. Als die man die Verdrehung dann endlich entdeckte, war der Eileiter bereits so stark beschädigt, dass er rausgenommen werden musste. Jahre später begann ich damit, zu überlegen, ob ich irgendwann mal Kinder haben möchte. Ich machte mir sorgen, dass es für mich schwierig werden könnte, weil ich nur einen Eileiter habe. Aber meine Ärzt*innen versicherten mir immer, dass es zwar einen Einfluss auf die Empfängnis haben könnte, aber meine Chancen nicht automatisch nur halb so groß sind wie bei gesunden Frauen.
Wer hatte denn nun recht? Meine Ärztin oder die Simpsons? Um das herauszufinden, habe ich mit Dr. Lucky Sekhon gesprochen, einer Geburtshelferin, Gynäkologin und Spezialistin für reproduktive Endokrinologie und Unfruchtbarkeit.
Dr. Sekhon erklärte mir, Simpson wurde damals falsch informiert. Wir haben nicht erst auf der einen und im nächsten Monat auf der anderen Seite einen Eisprung, wie es Simpsons Arzt angedeutet hat. Abgesehen davon „befinden sich die Eileiter und Eierstöcke direkt nebeneinander, oft hinter dem Uterus. Deswegen ist es möglich, dass ein Ei von einem Eileiter zum anderen ‘springt‘“, so Dr. Sekhon. Selbst, wenn ich auf der linken Seite einen Eisprung habe (das ist die Seite, auf der mein Eileiter entfernt wurde), könnte das Ei immer noch seinen Weg zum rechten Eileiter finden.
Abgesehen von Zysten und Drehungen können auch Infektionen (wie Tripper oder Chlamydien) oder eine Eileiterschwangerschaft die Eileiter schädigen, warnt Dr. Sekhon. Letzteres liegt vor, wenn ein befruchtetes Ei auf dem Weg zur Gebärmutter im Eileiter stecken bleibt. „Das kann zu permanenten Schäden und eine Vernarbung des Eileiters führen. Wenn die ektope Schwangerschaft zu weit vorangeschritten ist, kann der Eileiter reißen, was zu lebensbedrohlichen Blutungen führen kann. In diesem Fall muss notoperiert und der Eileiter entfernt werden.“
Während meiner Recherche für den Artikel habe ich auch mit der 39-jährigen Elizabeth gesprochen. Sie hatte mit 27 eine Eileiterschwangerschaft, wegen der sie einen Eileiter und fast ihr Leben verlor. Heute hat sie zwei Kinder. Mal wieder war eine Fehldiagnose der Grund dafür, dass der Eileiter letztendlich entfernt werden musste. „Mir war gar nicht bewusst, dass ich eine Fehlgeburt erlitt“, erzählt Elizabeth. „Meine Periode kam später als sonst, war deutlich schmerzhafter und es gab ungewöhnliche Blutgerinnung. Eine Kollegin sagte, ich solle zum Arzt gehen, aber ich wollte erst nicht, weil ich nicht versichert war. Doch als die Schmerzen schlimmer wurden, hatte ich keine Wahl mehr. Erst bei der Ärztin fand ich heraus, dass ich gerade eine Fehlgeburt erlitten hatte. Weil ich aus eigener Tasche bezahlen musste, führte sie keine Ultraschalluntersuchung durch, weil ich dadurch Geld sparen könnte, so die Ärztin.“ Aber eine Ultraschalluntersuchung hätte gezeigt, dass sich im Uterus keine Fruchtblase befand, was wiederum auf eine Eileiterschwangerschaft hingedeutet hätte. Stattdessen ließ sie eine Ausschabung vornehmen. Während der OP riss der Eileiter, in dem sich das Embryo eingenistet hatte. Er wurde entfernt und die Ärzt*innen erzählten Elizabeth, ihre Fruchtbarkeit könnte jetzt eventuell gefährdet sein. Doch weil ihre Eierstöcke noch intakt waren (genau wie bei mir und Simpson), konnte man ihr nicht sagen, wie schwer es für sie werden würde, schwanger zu werden. Neun Monate später wurde sie mit ihrem ersten Kind schwanger. Und zwei weitere Jahre später kam das zweite zur Welt.
Fazit: Es kann sein, dass deine Chancen auf natürlichem Weg schwanger zu werden etwas geringer sind, wenn du nur einen Eileiter hast. Aber so lange der andere Eileiter und die Eierstöcke gesund sind, gibt es keinen Beweis dafür, dass deine Chancen nur halb so groß sind wie bei Personen mit zwei Eileitern. Erfahrungen wie die von Jessica, Elizabeth und mir zeigen jedoch, wie wichtig es ist, auf das eigene Bauchgefühl zu hören und sich zur Not eine Zweit- oder Drittmeinung einzuholen. Ohne die Fehldiagnosen hätten wir alle drei vielleicht noch unsere Eileiter. Außerdem zeigen unsere Geschichten, wie wichtig ein bezahlbares Gesundheitssystem ist. Wichtige Untersuchungen (wie eine Ultraschalluntersuchung) sollten nicht so teuer sein, dass sich manche Menschen gegen sie entscheiden müssen. Niemand sollte die schwierige Entscheidung treffen müssen, aus Kostengründen auf eine potentiell lebensrettende Maßnahme zu verzichten.
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