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Ich habe seine Ex auf Social Media gestalkt – & viel über mich selbst gelernt

Foto: Meg O'Donnell
Erst, als ich rausfand, welche Noten ihre kleine Schwester im mittleren Schulabschluss geschrieben hatte, wusste ich: Ich war zu weit gegangen. Die letzten 45 Minuten hatte ich wild auf meinem Handy herumgetippt, auf der Jagd nach Informationen. Und nicht bloß irgendwelche Informationen – ich wollte mehr über die Ex meines Freundes herausfinden. So viel wie nur möglich.
Und damit meinte ich nicht das oberflächliche Zeug – ihr Alter, ihren Wohnort, ihren Job. Nein, ich musste wissen, wer diese Frau war. Was fand sie lustig? Bestellte sie sich zu ihrem Burger lieber Pommes oder einen Salat? Würde sie sich selbst als „eine von den Jungs“ bezeichnen? Ging sie auf Partys früh nach Hause oder blieb sie bis zum Ende? Und wie verbrachte sie ihre Wochenenden? Ich war mir sicher, all das über ihre Social-Media-Profile herausfinden zu können. Was ich da noch nicht ahnte: Das Ganze würde mir etwas Wichtiges über mich selbst und meine Beziehung verraten. Aber dazu komme ich später.
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Meine Jagd begann ich an diesem Tag auf Instagram. Nachdem ich jeden ihrer Posts genau angesehen und analysiert hatte – wo shoppte sie, wo aß sie, wo hing sie gerne rum? –, tauchte ich tiefer ein. Wem folgte sie? Wer folgte ihr? Auf welcher Art von Bildern war sie verlinkt worden? Postete sie Selfies? Wie oft hatte sie Fotos mit meinem Freund gepostet, als sie noch zusammen waren? Öfter oder seltener als er?
Denselben Prozess wiederholte ich dann mit ihrem Twitter- und Facebook-Account. Weil ich danach immer noch nicht zufrieden war, ging ich zu den Profilen ihrer Freund:innen und Verwandten über. So landete ich schließlich auf der LinkedIn-Seite ihrer Schwester – die mir nicht nur verriet, wie die im mittleren Schulabschluss abgeschnitten hatte, sondern auch, wo sie studiert hatte, bei welcher Wohltätigkeitsorganisation sie zwischen Schule und Uni gearbeitet hatte und dass sie scheinbar ein „Talent für kritisches Denken“ hatte.
Mir ist klar, dass ich jetzt ein bisschen extrem rüberkomme. Dabei ist Social-Media-Stalking gar nicht so extrem, und auch keine Seltenheit. Tatsächlich ist es inzwischen so verbreitet, dass schon niemand mehr infrage zu stellen scheint, wie merkwürdig und vor allem ungesund das eigentlich ist.
Wenn dein Date einen Social-Media-Account hat, bekommst du darüber oft viel mehr Informationen, als du bei einem tatsächlichen Date je erfahren würdest. Natürlich sind manche Leute überhaupt nicht daran interessiert, schon im Voraus alles über ihr nächstes Tinder-Date rauszufinden; wenn dich die erste Verliebtheit aber so richtig fest im Griff hat, ist es schwer, deine Augen vor diesen digitalen Profilen zu verschließen. Stattdessen erschaffen wir uns durch die Bilder und Informationen, die wir da finden, oft eine Fantasievorstellung von dieser Person, die letztlich nur zu Enttäuschung und Verblendung führt.
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Für mich ging es bei diesem Stalking aber nie wirklich um meine Partner an sich – sondern um deren Ex-Freundinnen. Ich klammere mich an jeden Informationsfetzen zu diesen Menschen, um mich selbst besser zu fühlen und stärker an meine Beziehung zu glauben.

Ich habe mich selbst immer als Feministin gesehen, als jemand, die sich für andere Frauen einsetzt und an ihrer Seite steht. Und trotzdem hatte ich scheinbar kein Problem damit, die Frauen zu verurteilen, die dieselben Männer gedatet haben wie ich.

Wenn ich zum Beispiel rausfinden würde, dass eine seiner Ex-Freundinnen nie Farben trägt, würde ich mich ihr irgendwie überlegen fühlen, weil ich sehr wohl Farben trage. Wenn ich rauskriegen würde, dass sie eine Veganerin ist, würde ich höhnisch grinsen und mir denken, dass sie bestimmt eine anstrengende Partnerin war – im Gegensatz zu mir, weil ich Käse esse (und ich weiß, wie absurd das klingt). Und so weiter. Der Taylor-Swift-Song „You Belong With Me“ fasst diese Gefühle perfekt in Worte. Übersetzt singt sie da: „Sie trägt Miniröcke, ich trage T-Shirts. Sie ist Anführerin der Cheerleader, ich sitze im Publikum. Ich träume von dem Tag, an dem du aufwachst und begreifst, dass das, was du dir gewünscht hast, schon die ganze Zeit vor deinen Augen war.“
Ich weiß, wie ungesund das alles ist, und es ist definitiv nicht gut für mein Selbstwertgefühl. Aber ich kann einfach nicht anders; wenn ich weiß, dass das Wissen über diese Frauen da draußen ist, will ich es finden. Ich muss. 
Vermutlich spielt dabei auch eine Rolle, dass mich einige der Männer, mit denen ich zusammen war, explizit mit ihren Ex-Freundinnen verglichen haben. Die Kommentare waren dabei aber immer ziemlich subtil. Zum Beispiel: „Sie hat immer Jeans getragen. Ich weiß, dass du Jeans nicht so magst.“ Oder: „Ihr war es immer ziemlich egal, wenn sie sich vor anderen blamierte. Ich weiß, dass du da unsicherer bist.“ Und mein persönliches Highlight verfolgt mich jetzt schon seit Jahren: „Du bist die am wenigsten hipstermäßige Frau, die ich je gedatet habe.“ Ich weiß bis heute nicht, was das überhaupt heißen soll.
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Erst, als ich mit dem Schreiben meines Buchs Millennial Loveanfing, in dem ich dem Social-Media-Stalking ein ganzes Kapitel gewidmet habe, wurde mir klar, wie toxisch mein Verhalten inzwischen geworden war. Das war nicht mehr bloß eine komische Faszination, befeuert von meiner Unsicherheit und dem Suchtpotential der sozialen Medien – sondern tief verinnerlichte Misogynie. 
Ich habe mich selbst immer als Feministin gesehen, als jemand, die sich für andere Frauen einsetzt und an ihrer Seite steht. Und trotzdem hatte ich scheinbar kein Problem damit, die Frauen zu verurteilen, die dieselben Männer gedatet haben wie ich, und mir jede Menge Vorurteile über sie zu bilden. Basierend worauf genau? Auf ein paar gefilterten Selfies und einer Ansammlung von Hashtags?
Frauen kämpfen schon seit einer Ewigkeit dagegen, immer in klitzekleine Schubladen gedrängt zu werden, die uns unsere Selbstbestimmung rauben und uns gesellschaftlich leichter verdaulich machen. Ich brauchte sehr lange, um zu begreifen, dass ich genau dasselbe getan hatte.
Das hat nicht nur meine Meinung von diesen Frauen beeinflusst. Wann immer mein Partner negativ über eine Ex spricht, schlage ich mich direkt auf seine Seite – anstatt zu bedenken, dass ich ja nur seine Version der Geschichte höre. Ich habe mich sogar selbst dabei erwischt, wie ich gegenüber Freund:innen über diese Ex-Partnerinnen herziehe, obwohl ich diese Frauen selbst nie getroffen habe und sie nur aus der subjektiven Perspektive meiner Partner „kenne“. Das ist Sexismus, wie er im Buche steht – und wenn ich mir vorstelle, dass andere Frauen genauso mit mir umgehen, zieht sich in mir alles zusammen.
Ich habe viel über mich gelernt, während ich mein Buch geschrieben habe. Eine meiner größten Einsichten ist aber diese: Ich trage eine gewisse Verantwortung für die Frauen, die meine Partner mal geliebt haben – auch, wenn ich ihnen vielleicht nie begegnen werde. Ich sollte sie nicht bloß respektieren und würdigen, sondern anerkennen, dass es nicht fair ist, mir eine Meinung von ihnen oder ihrer ehemaligen Beziehung zu meinem Partner zu bilden. Sie verdienen genauso viel Selbstbestimmung wie ich. Und heute weiß ich außerdem: Ich sollte vermutlich ein bisschen weniger Zeit auf Instagram verbringen.

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