Als ich fünf Jahre alt war, nahm mein Vater Drogen und meine Mutter ging ihm fremd. Keine Ahnung, wer wen beeinflusst hat und im Endeffekt spielt das auch keine Rolle. Fakt ist, durch ihr Verhalten, wurde meine Kindheit zu einem dunklen Kapitel in meinem Leben. Wir alle (damit meine ich meine Eltern, meinen Bruder und mich) lebten in der ständigen Angst, dass durch ein falsches Wort oder eine unvorsichtige Bewegung der Haussegen jederzeit wieder schief hängen würde. Und so war mein Zuhause nicht gerade der beste Ort zum Aufwachsen.
Zum Glück war ich noch zu jung, um mich heute an alle schlimmen Ereignisse erinnern zu können und die wenigen Erinnerungen, die ich an meine Kindheit habe, unterdrücke ich so gut es geht. Bekannte erzählen mir, ich hätte einmal mehrere Monate lang nicht gesprochen – was schwer zu glauben ist, wenn man bedenkt, dass ich heute gefühlt nie still sein kann.
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Ich weiß nicht, wie es dazu kam, aber irgendwann beschlossen meine Eltern sich zusammenzuraufen. Sie schworen, sie würden sich ändern, um ihre Ehe zu retten. Und überraschenderweise schafften sie es – soweit ich weiß, blieb mein Vater trocken und meine Mutter hörte auf, ihn ständig anzulügen. Gestritten haben sie sich weiterhin am laufenden Band. Schon bei der kleinsten Auseinandersetzung flogen bei uns die Fetzen und mein Bruder und ich waren immer mittendrin. Wie oft habe ich meine Kopfhörer aufgesetzt und die Gloria-Estefan-Kassette in meinem Ghettoblaster in voller Lautstärke abgespielt – nur um bei Verstand zu bleiben und das permanente Gezanke meiner Eltern zu übertönen.
Es gab keinen einzigen Tag, an dem bei uns zu Hause nicht geschrien oder geweint wurde und immer spürte ich diese dunkle Wolke über uns. Es ist fast ein Wunder, dass meine Eltern nach 30 Jahren Dauerstreit, immer noch zusammen sind (ich sage bewusst „fast“, weil es wahrscheinlich für beide besser wäre, sich scheiden zu lassen).
Ich weiß, dass meine Lebensgeschichte nicht so unüblich ist. Viele Menschen haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Ehrlich gesagt kenne ich niemanden in meinem Umfeld, der oder die in einem "gesunden" Haushalt groß geworden ist. Und wie viele andere, die so eine Kindheit durchleben mussten, war ich mir mit 18 sicher, dass ich die Fehler meiner Eltern niemals machen würde – leichter gesagt, als getan. Vor allem in meiner Jugend und als junge Erwachsene fühlte ich mich gerade zu den Leuten hingezogen, bei denen Drama und Streit vorprogrammiert waren. Ich gab mich mit Stress und Kummer zufrieden, ohne zu merken, dass ich eigentlich noch die Wahl hatte. Mit Mitte 20 schaffte ich es, mich aus einer Beziehung zu retten, die im Grunde aus Drogen und Untreue bestand. Ich denke, damals wusste ein Teil von mir, dass ich diese schlechten Erfahrungen erstmal machen musste, damit ich von ihnen lernen und eine glückliche Beziehung führen konnte.
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Ich begann über meine Probleme in normaler Zimmerlautstärke zu reden und ich nahm mir die Zeit, mich mit mir und meinem Leben auseinanderzusetzen.
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Durch diese Erkenntnis, war ich bereit für eine glückliche Beziehung und kurz darauf lernte ich meine Frau kennen. Vom ersten Tag an war sie mein Vorbild. Meine Liebe und mein Respekt ihr gegenüber waren so wahrhaftig und weckten in mir den Wunsch, endlich die Partnerin zu sein, die ich tief in mir drin vergraben glaubte. Bevor wir zusammen kamen, war ich wie eine tickende Zeitbombe. Wann immer sich die Möglichkeit bot, rastete ich vollkommen aus und wurde beleidigend. Aber dank meiner Frau lernte ich mich zu beherrschen. Ich begann über meine Probleme in normaler Zimmerlautstärke zu reden und ich nahm mir die Zeit, mich mit mir und meinem Leben auseinanderzusetzen.
Sie öffnete mir die Augen und ich verstand endlich, dass meine Vergangenheit sich nicht zwangsläufig negativ auf meine Gegenwart auswirken muss. Ich stand über dem, was ich als Kind ertragen musste und gab mir selbst die Chance, die Erwachsene zu sein, die ich schon immer sein wollte.
Endlich tat ich genau das, was meine Eltern nie gemacht haben: Statt zu versuchen den Streit zu gewinnen (was auch immer gewinnen heißen mag, denn so etwas gibt es einfach nicht), konzentrierte ich mich darauf, die Liebe und den Frieden zwischen mir und der Frau, die ich so sehr respektiere, zu wahren. Ich lernte, dass ich mit Ruhe und Gelassenheit schneller Konflikte aus der Welt schaffen konnte – eine für mich unglaubliche Feststellung.
Jedes Mal, wenn wir einen Streit durch Zuhören und mit höflichen Worten beilegen konnten, fühlte ich mich, als hätte ich im Lotto gewonnen. Ich konnte spüren, wie ich mich immer mehr von dem Beispiel meiner Eltern löste.
Seit sieben Jahren sind meine Frau und ich jetzt schon zusammen und ich kann an einer Hand abzählen, wie oft wir unsere Stimmen beim Streit erhoben haben; was nicht heißt, dass wir wichtige Themen verdrängen oder Probleme ignorieren. Natürlich sind wir auch keine Heiligen, und auch bei uns läuft nicht alles harmonisch ab. Es bedeutet nur, dass wir uns bewusst bemühen, Mitgefühl und Respekt als Grundpfeiler dieser Beziehung wahren.
Falls sich an dieser Stelle jemand fragt, ob ich meine Eltern für all die schlechten Momente meiner Kindheit hasse, kann ich heute beruhigt antworten: Nein. Ich bin ihnen, ganz im Gegenteil, sogar dankbar dafür, denn sie haben mir gezeigt, was ich nicht tun und wie ich niemals werden wollte. Das soll die Art und Weise ihrer Eheführung nicht gutheißen, man sollte nicht erst durch die Hölle gehen müssen, um am Ende seinen Weg zu finden. Aber die Tatsache, dass ich in dieser Familie groß geworden bin, lässt mich dankbarer denn je sein, dass ich heute endlich die Beziehung führe, von der ich als Kind immer geträumt habe.
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