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Ich bin Sexarbeiterin & das Coronavirus ruiniert mein Business

Photographed by Joanna Tan.
Um die Verbreitung des Coronavirus zu stoppen, wird in vielen Ländern die Sexarbeit extrem eingeschränkt oder sogar verboten. Erst vor kurzem ist Letzteres in Deutschland passiert. Letzte Woche zum Beispiel verkündete die Bundeskanzlerin in einer Fernsehansprache, dass bundesweit alle Bordelle bis auf Weiteres geschlossen werden. Im Vereinigten Königreich dagegen, gibt es derzeit nur Aufforderungen von Politiker*innen, sich von jeglichem Körperkontakt zu anderen fern zu halten. Doch auch wenn es dort noch keine Verbote wie in Deutschland gibt, haben schon jetzt viele Sexarbeiter*innen Angst um ihre Existenz. Eine Escort-Dame aus London erzählt Refinery29 mit welchen Hürden und Sorgen sie jetzt zu kämpfen hat.
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Ich bin seit Oktober 2019 eine Escort. Angefangen habe ich damit, um mir als alleinerziehende Mutter etwas nebenbei dazuverdienen zu können. In meinem Bürojob bekam ich rund 25.000 Pfund. Und selbst mit dem zusätzlichen Einkommen durch mein Freelance, konnte ich gerade so alle Kosten decken. Mit dem Escort verdiene ich mir noch etwas dazu. Weil ich aber noch neu in der Branche bin, fluktuiert mein Einkommen sehr stark.
Am Anfang machte ich damit ungefähr 2.000 Pfund im Monat und das, obwohl ich nur jeden zweiten Tag arbeitete. Im Januar wurden meine Arbeitszeiten im Office flexibler und ich hatte mehr Zeit für die Escort-Aufträge. In dem Monat erwirtschaftete ich knapp 5.000 Pfund. Im Februar waren es dann sogar 6.650 Pfund. Diesen Monat kamen dann aber die ersten Absagen – Corona fing an, mir die Kund*innen zu vergraulen. Ein italienischer Klient, der mir normalerweise 500 Pfund, also 10 Prozent meines Einkommens, einbringt, fiel plötzlich weg. Das scheint auf den ersten Blick nicht viel zu sein. Aber für mich als Selbständige war das eine Menge Geld. Ich lege nämlich 40 Prozent meines Einkommens für meine Steuern zur Seite und dann habe ich für den Job ja auch noch Ausgaben zu verzeichnen: Ich muss mir Lingerie, Kondome, Sextoys und Gleitmittel kaufen und Hotels buchen. Auch die Reisekosten und meine Beauty-Behandlungen ziehen mir einiges aus der Tasche. Jede Absage macht mir also wirklich Panik, denn es ist so schwierig, vertrauenswürdige Klient*innen zu finden, die diese Kosten wieder decken könnten.

Am Anfang machte ich damit ungefähr 2.000 Pfund im Monat und das, obwohl ich nur jeden zweiten Tag arbeitete.

Jane*, eine Escort-Kollegin, stimmt mir da zu. „Ich bekomme kaum noch Anfragen von Neukund*innen. Vielleicht haben sie Angst, sich mit dem Virus anzustecken. Oder aber die Wirtschaft ist durch den Brexit und das Virus einfach sehr im Wanken – oder vielleicht liegt es an beiden Faktoren, ich weiß es nicht.“
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Auch Letizia Miro, eine weitere Kollegin, muss mit vielen Einbüßen durch die vielen Absagen rechnen. „Ein Klient, der eigentlich für eine große Konferenz nach London kommen sollte, hat mir jetzt abgesagt. Und eine meiner ‘Flieg-mich-zu-dir‘-Buchungen (hier lassen Klient*innen ihre Escort-Damen in ihr Land einfliegen) nach Deutschland wurde jetzt storniert.“ Wenn du einen oder zwei solcher Aufträge verlierst, brennt das ein riesiges Loch in deine Tasche.
Als selbständige Sexarbeiter*innen verdienen wir nur Geld, wenn wir auch wirklich arbeiten, erklärt Jane. Falls wir uns mit dem Virus anstecken sollten, könnten wir wochenlang nicht arbeiten. Und selbst wenn wir nicht krank sind, macht uns das Virus das Geschäft kaputt. Wenn es sich so weiter ausbreitet, werden viele Sexarbeiter*innen in den kommenden Monaten gar kein Einkommen mehr haben.
„Es werden viele Konferenzen und Business-Meetings gecancellt, sprich: Es gibt viel weniger Geschäftsverkehr. Und je weniger Geschäftsverkehr wir haben, desto weniger Kund*innen kommen nach London“, erklärt Letizia. „Im Grunde muss ich mich auf meine Stammkund*innen verlassen. Ich bereite mich schon jetzt auf einen sehr ruhigen April vor. Wahrscheinlich werden viele meiner Kund*innen zu viel Angst vor Körperkontakt haben und mir absagen.“

Falls wir uns mit dem Virus anstecken sollten, könnten wir wochenlang nicht arbeiten.

Wie viele Sexarbeiter*innen, versucht auch Jane jetzt neue Wege zu finden, ihr Einkommen stabil zu halten, sollte die Lage sich verschlimmern. „Wenn es in London irgendwann Ausgangssperren wie in Spanien oder Italien gibt, dürfen wir natürlich überhaupt nicht mehr arbeiten“, erklärt sie. „Ich gehe aber stark davon aus, dass die Leute dann auf eine andere Weise versuchen werden, Geld zu verdienen – vielleicht arbeiten sie als Cam-Girls oder -Boys, übers Telefon oder per Chat.
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Die Sexindustrie erlebt schon seit Jahren dank vieler Onlineplattformen einen regelrechten Boom. Deshalb versuchen einige Sexarbeiter*innen jetzt dort Fuß zu fassen. Das Problem ist aber, auch dieser Markt ist schon recht gesättigt und ein Neueinstieg somit schwierig. Und wenn du noch keine große Followerschaft hast, zeigt sich das natürlich auch in deinem Einkommen.
Jane glaubt, eine große Zahl der Sexarbeiter*innen wird sich irgendwann gezwungen fühlen, ihre Gesundheit in Gefahr zu bringen, damit sie Geld verdienen können. „Als Selbständige kann ich mir meine Klient*innen aussuchen und sie ablehnen, sollten sie sich infiziert haben. In Bordells ist das nicht möglich und du weißt auch nicht, in welche Ländern dein*e Kund*in in letzter Zeit gereist ist.“ Sexarbeiter*innen in Freudenhäusern und Bordells bezahlen oft eine Gebühr für ihr Zimmer. Wenn ihrer Freier jetzt in Massen ausfallen, werden sie vielleicht sogar auf der Straße anschaffen gehen. Das Coronavirus ist für uns alle beängstigend, aber gerade wir Sexarbeiter*innen sind dadurch noch mehr gefährdet.
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Hilfreiche Tipps sowie tagesaktuelle Informationen zum Thema Coranavirus findest du auf der Seite des Bundesministeriums für Gesundheit. Solltest du Angst haben, möglicherweise selbst betroffen zu sein, kannst du dich unter 116117 an den ärztlichen Bereitschaftsdienst wenden. Gehörlose und Hörgeschädigte können eine Mail an info.gehoerlos@bmg.bund.de schicken oder das Gebärdentelefon (Videotelefonie) via https://www.gebaerdentelefon.de/bmg/ verwenden.

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