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Kein Kinderwunsch – wie du das Thema am besten ansprichst

Foto: Emli Bendixen
Sheri Jacobson, eine Psychotherapeutin im Ruhestand mit über 17 Jahren klinischer Erfahrung und Gründerin von HarleyTherapy.com, beantwortet Fragen unser Leser:innen, die professionelle Hilfe benötigen.
Frage von Georgina, 27:
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich keine Kinder will, und das aus verschiedenen Gründen. Dazu gehören meine Vorgeschichte mit gesundheitlichen Problemen, die Frauen betreffen, mein geistiger Gesundheitszustand und die Tatsache, dass ich mich durch ein unabhängiges Leben mit geliebten Menschen, meinem Job, der mir Spaß macht, und so weiter vollkommen erfüllt fühle. Ich will damit nicht behaupten, dass sich das nie ändern könnte, denn alles im Leben kann sich schließlich verändern. Wenn ich aber höre, wie Gleichaltrige über ihren Kinderwunsch sprechen, kann ich das nicht nachvollziehen. Mein:e Partner:in, mit dem:der ich seit sechs Jahren zusammen bin, schien eigentlich immer der gleichen Meinung zu sein. Mit dem Alter und je stärker der Wunsch danach wird, „Wurzeln zu schlagen“, desto mehr zweifelt er:sie daran, ob er:sie tatsächlich keine Kinder will. Das bedeutet, dass wir uns wahrscheinlich trennen müssten, wenn er:sie nicht auf Nachwuchs verzichten will. Offensichtlich ist dieses Thema so heikel, dass wir beide nicht wissen, wie wir es ansprechen sollen und es deshalb einfach verdrängen.
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Meine größte Befürchtung ist, dass wir entweder in unseren Dreißigern von vorne anfangen müssen (was furchtbar wäre) oder eine:r von uns aus Angst vor dem Alleinsein zu viel opfert und der anderen Person letztendlich für immer böse ist (was ebenfalls furchtbar wäre). Deshalb halte ich es für wichtig, einen Zeitrahmen zu setzen.
Wie sollen wir am besten mit dieser Situation umgehen? Sollen wir ein Datum für eine endgültige Entscheidung festlegen? Ist es überhaupt gesund, das von jemandem zu verlangen? Kann sich eine Person jemals wirklich sicher sein, dass sie nicht eines Tages aufwacht und ihre Meinung ändert?
Sheris Antwort:
Das ist eine schwierige Frage, denn diese Situation ist zwar nicht einzigartig, deine Beziehung aber sehr wohl. Ich kann dir jedoch ein paar Ratschläge dazu geben, wie du dieses schwierige Thema am besten ansprichst und mit Erwartungen umgehst.
Zuallererst solltest du über deine Befürchtung hinwegkommen, deine:n Partner:in zu kränken oder zu verärgern. Dir kann es nur dann wirklich gut gehen, wenn du deine Gefühle ausdrückst und dich darum bemühst, dass deine Bedürfnisse erfüllt werden. Solange wir heikle Themen mit einem gewissen Maß an Sensibilität ansprechen, ist es im Allgemeinen besser, Dinge offen zu besprechen. Die Wahrscheinlichkeit ist nämlich hoch, dass sie nicht von selbst verschwinden werden. Wenn Gefühle unausgesprochen bleiben, können sie mit der Zeit zu einem größeren Problem werden und sich auf andere Weise manifestieren: von Wut über mögliche Untreue bis hin zu passiv-aggressivem Verhalten.
Du solltest auch nicht vor einem Gespräch zurückschrecken, denn das Ergebnis wird so oder so aufschlussreich sein. Hoffentlich ist dein:e Partner:in offen für weitere Unterhaltungen und hat sich nicht endgültig festgelegt oder gibt sich abweisend. Egal, wie die Konversation auch verlaufen mag, die Reaktion, die du bekommst, wird dir sehr viel Aufschluss geben. Gute Kommunikation ist auch besser für unsere eigene Gesundheit und die Beziehung selbst. Viele meiner Patient:innen haben festgestellt (so wie ich auch), dass die Möglichkeit, frei über die Dinge zu sprechen, die dir wichtig sind, im Allgemeinen körperliche Vorteile mit sich bringt. Je mehr du in der Lage bist, deinen Gedanken und Gefühlen Ausdruck zu verleihen, desto weniger belastest du damit deinen Körper. Ob es sich dabei nun um eine direkte Wirkung oder einen Placebo-Effekt handelt, ist letzten Endes ja dann auch egal.
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Schneide das Thema also an, anstatt es unter den Teppich zu kehren. Bring dazu die nötige Menge Mut auf und finde heraus, was du genau fühlst. Anstatt mit unausgereiften Gedanken in ein Gespräch zu gehen, solltest du dir davor Klarheit über deine innere Verfassung verschaffen. Das kannst du in schriftlicher Form tun oder durch ein Gespräch mit einer vertrauenswürdigen Fachkraft oder engen Freund:innen, um dir völlig klar darüber zu sein, was du später mitteilen willst.
Du kannst das Thema entweder auf einmal besprechen oder Schritt für Schritt in deine Unterhaltungen mit deinem Partner oder deiner Partnerin einführen. Idealerweise sollte es zu einem Zeitpunkt stattfinden, zu dem ihr beide aufnahmefähig und nicht zu sehr abgelenkt oder beschäftigt seid. Bleib auf jeden Fall offen und nimm keine abwehrende Haltung ein. Du musst dazu bereit sein, mitzuteilen, was dich beschäftigt, dich aber auch gegebenenfalls auf eine Diskussion einlassen. In der Praxis ist das sehr, sehr schwer zu bewerkstelligen. Deshalb solltest du also kein schlechtes Gewissen haben, wenn dir das schwerfällt.
Wenn dir etwas gesagt wird, das du nicht hören willst, kann das die Sache ganz schön erschweren. Die meisten Partner:innen wollen, dass die andere Person glücklich ist. Wenn deine bessere Hälfte dir also mitteilt, dass dieses Thema in Zukunft möglicherweise zu einem ernsten Problem werden könnte, ist es nachvollziehbar, wenn dir das ganz schön zu schaffen macht.
Mein Rat entspricht nicht immer dem, was Leute hören wollen, aber es ist wichtig, solche Gespräche zu führen – auch wenn sie unangenehm sind. Es kann sein, dass solche Unterhaltungen sehr schwierige Gefühle erwecken. Das sind aber alles Emotionen, die du aushalten kannst und wahrscheinlich auch solltest und Reaktionen, die bewältigbar sind. Beide Personen sollten im Idealfall Geduld aufbringen, bis das Thema vom Tisch ist. Das ist aber natürlich sehr, sehr schwierig.
Nimm dir nach dem Gespräch Zeit, um das Besprochene zu verarbeiten, und überstürze keine Entscheidungen. Es heißt ja schließlich aus einem guten Grund „drüber schlafen“. Probier es auch mit Entspannungsmethoden und Achtsamkeitsübungen und sorge dafür, dass du genug Ruhe bekommst. All das signalisiert dem Körper, dass keine unmittelbare Gefahr droht. Auf diese Weise sinkt dein Stresslevel und du hast besseren Zugang zum rationalen Teil deines Gehirns. Das erscheint uns oft kontraintuitiv, weil wir uns oft beeilen wollen, wenn etwas wichtig ist. Wenn wir es aber tatsächlich schaffen, das Tempo zu drosseln, dann können wir mit größerer Wahrscheinlichkeit besser fundierte Entscheidungen treffen. Viel Glück!

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