Kaum irgendetwas hat es geschafft, über so viele Jahre hinweg im Beauty-DIY-Rampenlicht stehen zu bleiben, wie Apfelessig. Abgesehen von seiner Fähigkeit, jedem noch so faden Salat ein bisschen Leben einzuhauchen, hat sich der fermentierte Saft auch in der Wellness- und Beauty-Branche ein fantastisches Image aufgebaut; von Shots für die Verdauung bis hin zur Verwendung als Toner für reine Haut taucht der Apfelessig inzwischen gefühlt in fast jedem DIY-Rezept auf.
Tippst du das Wort aber in die Google-Suchleiste, geht es bei den Ergebnissen kaum um Salatdressings oder Hautpflege – sondern vor allem um Haare. Suchst du „Apfelessig“ oder „apple cider vinegar“ bei YouTube, findest du Hunderte, wenn nicht gar Tausende Videos, in denen Leute ihre Mähnen mit dem stark riechenden Zeug spülen. Warum? Weil Apfelessig angeblich das Haarwachstum anregt, Feuchtigkeit spendet und Schuppen entfernt. Wenn du jetzt der Meinung bist, das klingt alles zu gut, um wahr zu sein, bist du damit nicht allein.
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Genau deswegen haben wir den Dermatologen Dr. Neil Sadick um seine Einschätzung gebeten. „Apfelessig hat ein paar wohltuende Eigenschaften“, sagt er. „Er wirkt antibakteriell, entzündungshemmend, antioxidativ und ist sauer.“ Dr. Sadick zufolge kann genau diese Säure dabei helfen, den natürlichen pH-Wert der Kopfhaut zu optimieren und Produktrückstände sanft zu entfernen.
Trotzdem ist es aber natürlich nicht dasselbe, den Essig auf deiner Kopfhaut anzuwenden, wie auf deinem Haar. Deswegen rät die Dermatologin Dr. Yolanda Lenzy zur DIY-Vorsicht. „Ich betone immer wieder den Unterschied dazwischen, etwas in den Haaren versus auf der gesamten Kopfhaut anzuwenden“, sagt sie. „Apfelessig ist nicht an sich schädlich, aber eben sehr sauer und kann das Haar austrocknen, wodurch es womöglich abbricht.“
Während die meisten Expert:innen zwar nicht leugnen, dass Instagrams und TikToks liebste Beauty-Geheimwaffe durchaus ihre Vorteile haben kann, kann es doch gefährlich (sprich: schmerzhaft) werden, deine Kopfhaut damit zu behandeln. Der Dermatologe Dr. Ted Lain erklärt, dass der Essig zwar einen hohen pH-Wert der Kopfhaut absenken, aber eben auch zu Reizungen führen kann, wenn der pH-Wert zu tief sinkt. „Weil Apfelessig so sauer ist, kann die direkte, unverdünnte Anwendung auf der Kopfhaut sogar milde Verbrennungen auslösen“, warnt er.
Dr. Lain zufolge vermeidest du diese Verbrennungen und Irritationen am besten, indem du zwei bis vier Esslöffel mit etwa 250 ml Wasser verdünnst. „Ich empfehle, diese Mischung dann auch nur etwa 30 Sekunden in die Kopfhaut einziehen zu lassen, bevor du sie gründlich abspülst“, sagt er. Dr. Sadick rät außerdem dazu, die Mischung erst einmal an einer kleinen Hautstelle zu testen, bevor du deinen ganzen Kopf damit übergießt, um eventuelle allergische Reaktionen ausschließen zu können.
Obwohl die direkte Verwendung von unbehandeltem Apfelessig zwar nicht gefährlich ist, sofern du alles richtig machst, gibt es auch genügend Produkte, die Apfelessig enthalten und sicherer in der Anwendung sind. „In Produkten mit Apfelessig findet man oft auch andere haarpflegende Inhaltsstoffe, die Trockenheit und Reizungen vorbeugen“, sagt Dr. Lain. „Die Konzentration von Essig ist darin außerdem niedrig, wodurch das Verbrennungsrisiko gesenkt wird.“
Wenn du unter trockener oder schuppiger Kopfhaut leidest, die durch die Behandlung mit Apfelessig nicht besser wird oder sich sogar verschlimmert, solltest du dir immer professionellen Rat holen, empfiehlt Dr. Lenzy. „Du kannst nicht immer alles glauben, was du auf Google findest“, sagt sie. „Manchmal glaubst du vielleicht, dich selbst diagnostiziert zu haben; bis du eine Expert:innenmeinung hast, kannst du dir aber nie sicher sein.“ Wenn du also unter Schuppen leidest, erspar dir die stinkende Essigbehandlung und wende dich damit lieber gleich an eine:n Dermatolog:in (oder kauf dir zumindest lieber ein Anti-Schuppen-Shampoo).
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