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Wie ich weite, “unförmige“ Plus-Size-Kleider wieder für mich entdeckte

Photo Courtesy of Marie Southard Ospina
Es war 2012, als ich die Welt des Plus-Size-Modebloggings und der Fat-Liberation-Bewegung entdeckte. Damals machte ich gerade die ersten Schritte in Richtung “Ich liebe meinen dicken Körper“. Einer davon war, neuen Schwung in meine Garderobe zu bringen.
In meinen Teenagerjahren und Anfang der 20er trug ich vor allem unförmige Kleider, dunkle Farben, A-Linien-Silhouetten und alles, was oversized genug war, um meine Dellen, Unebenheiten und angeblichen Mängel zu “verstecken“. Lange Zeit glaubte ich, fett zu sein wäre eine der schlimmsten Dinge, die eine Person sein könnte (ein Gedanke, den viele von uns im Kindesalter eingepflanzt bekommen). Ich dachte, niemand sollte meine Figur und die Nuancen meines wabbeligen Fleischs sehen müssen.
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Ich bin mit unzähligen Artikeln in Mainstream-Frauenmagazinen und TV-Programmen großgeworden, die mir beibrachten, fließende Kleidungsstücke würden mich schmaler wirken lassen und für “schmeichelnde“ Resultate sorgen. Und die kleinen, versteckten, traurigen Ecken in Boutiquen, in denen es “Mode für Mollige“ gab, bestätigten mir diese Idee. Hier gab es praktisch nur Tuniken und Zeltkleider. Sprich selbst, wenn ich tatsächlich mal Lust darauf hatte, etwas Figurbetontes zu tragen, konnte ich das nicht machen, einfach weil die Auswahl an Klamotten so limitiert war.
Über die Jahre lernte ich dann mehr über Themen wie Diätkultur, Körperbild und Co. Ich entdeckte neue Orte, an denen ich Klamotten kaufen konnte und Plus-Size-Designer*innen, die die Wünsche ihrer Kund*innen tatsächlich hörten und umsetzten. Ich beobachtete, wie radikal es wirkte, wenn dicken Frauen die Styles trugen, die sie laut den Mainstream-Medien und der Gesellschaft unbedingt vermeiden sollten. Ich beobachtete, wie andere ihre “Röllchen“ in Lederminiröcken, hautengen Jumpsuits, Bleistiftröcken und Skinny-Jeans präsentierten. Und so langsam gewöhnte ich mich an den Gedanken, meinen eigenen Körper ebenfalls auf diese Art und Weise zu zelebrieren.
Es war befreiend, um es milde auszudrücken. Nie zuvor hatte ich eng an meinem Bauch, meinen Oberschenkeln, meinen Oberarmen oder meinem Po anliegende Stoffe gespürt. Nie zuvor habe ich auch nur einen Teil meines Körpers wie etwas behandelt, dem man Empathie gegenüber zeigen kann – geschweige denn wie etwas, das man zelebrieren kann. In den folgenden Jahren habe ich hauptsächlich körpernahe Kleidung gekauft. Es fühlte sich fantastisch an, meine Figur so stolz zu zeigen – trotz all der Ratschläge, ich solle sie verstecken. Eng anliegende Klamotten halfen mir dabei, mich wohler beim Anblick meines Körpers zu fühlen. Und wenn mein Aussehen bei anderen für Unwohlsein sorgte, fühlte sich das ein klitzekleines bisschen befriedigend an. Schließlich war es ja gut, dass sich die Menschen mit ihrer verinnerlichten Fatphobia auseinandersetzen mussten. Abgesehen davon sollten dicke Menschen sowieso tragen können, was sie wollen.
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Hinter all diesen Sachen stehe ich auch heute noch. Und trotzdem habe ich in letzter Zeit immer öfter mit unförmiger Kleidung geliebäugelt. Wenn es im Sommer richtig heiß wird, sehne ich mich nach der Luftigkeit eines Kleidungsstückes, das nicht an meinem Körper klebt. Ich vermisse es, morgens das erste weite Teil überzuwerfen, das ich sehe, wenn ich meine beiden kleinen Kinder und mich fertigmache. Ich begann, mich zu fragen, wie es sich wohl anfühlen würde, etwas Großes, Lockeres zu tragen, nach dem ich all die Arbeit darin gesteckt hatte, ein Selbstwertgefühl aufzubauen. Wie wäre es wohl, sich in einem Zeltkleid im Kreise zu drehen? Wie würde es sich anfühlen, noch mehr Platz einzunehmen, wenn ich etwas Weites anhabe?
Photo Courtesy of Marie Southard Ospina
Nachdem ich mir ein paar lockere Kleider gekauft und schnell realisiert hatte, wie unglaublich bequem und praktisch die Styles sind, stellte ich fest, dass das Problem mit diesen Kleidungsstücken gar nicht die Kleidungsstücke an sich waren. Das Problem war, dass viele Menschen glaubten, “unförmige“ Klamotten sind das einzige, was dicke Frauen tragen sollten. Jahrelang fühlten sie sich wie die einzigen Teile an, die man überhaupt für uns produzierte. Wenn man das mit dem riesigen Angebot für “normale“ Größen vergleicht, sendet der Fakt, dass es für uns nur einen einzigen Look gibt folgende Nachricht: Dicke Frauen sind anderer Styles nicht würdig. Dicke Frauen verdienen ausschließlich die Schnitte und Farben, die uns schlanker wirken lassen. Oder mit denen wir zumindest nicht auffallen – denn kein Kleidungsstück kann jemals eine fettleibige Person dünn wirken lassen. Unsere Kleidung muss schlicht und zurückhaltend sein. Irgendwie müssen wir es ja wieder gutmachen, dass wir so grotesk sind.
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Es stimmt, dass die Einzelheiten meines dicken Körpers in weiten Kleidern nicht so sichtbar sind wie in körpernah geschnittenen. Und trotzdem haben sie auch etwas Mutiges, Unerschrockenes an sich. Wenn ich diese Oversize-Styles trage, habe ich das Gefühl, mehr Platz im Raum einzunehmen. Ich bin eine große Frau in einem großen Kleid, die es sich erlaubt, sich in ihrem Körper wohlzufühlen – und das in einer Kultur, der es lieber wäre, dass ich etwas abnehme. Als 29-Jährige, die an Fat Liberation glaubt, ist das Gefühl, unförmige Kleidungsstücke zu tragen ein ganz anderes als das einer 19-Jährigen, die sich am liebsten den ganzen Tag verstecken möchte.
Photo Courtesy of Marie Southard Ospina
Gleichzeitig fühlt es sich wie eine gute Möglichkeit der Idee entgegenzuwirken, dass sich dicke Frauen immer und überall hyperfeminin zeigen müssen. Ich habe mich lange gefragt, ob meine Liebe für den Pin-up-Stil, Make-up und Bleistiftröcke echt ist oder ob ich sie irgendwann entwickelt habe, um mich für meinen Körper zu entschuldigen oder ihn zu rechtfertigen. Die Realität ist, übergewichtige Frauen haben oft das Gefühl, von der Gesellschaft besser behandelt zu werden, wenn wir uns “Mühe geben“. Wenn wir uns aufhübschen, uns schminken und die langen (!) Haare frisieren, denken die Leute, wir würden uns wenigstens Mühe geben. Wir bekommen dann Dinge zu hören wie „Wenigstens hast du ein schönes Gesicht“ der „Zumindest ziehst du dich gut an“. Wir werden dann als angenehmer wahrgenommen.
Nach einer Weile der Selbstbeobachtung habe ich gemerkt, mir persönlich macht es wirklich Spaß, Make-up zu benutzen. Ich liebe dieses Gefühl, gerade von einem glamourösen alten Film-Set zu kommen. Ich verbringe meine begrenzte Me-Time gern damit, meinen Körper zu schmücken und meiner Fettleibigkeit damit zu zeigen, dass sie es Wert ist, gehegt und gepflegt zu werden. Allerdings will ich das auch nicht immer machen und ich weigere mich dagegen, es immer tun zu müssen.
Manchmal will ich einfach nur einen Kartoffelsack tragen und kein oder nur wenig Make-up. Ich will mich in unförmigen, mal eben übergeworfenen Klamotten genauso wohlfühlen wie in einem schicken, schmaler geschnittenen Ensemble. Ich will mich immer wohl in meinem Körper fühlen und das Gefühl haben, Respekt zu verdienen – egal, was ich trage. Ich will in sackartigen Klamotten genauso liebevoll und freundlich behandelt werden, wie wenn ich einen Bleistiftrock und roten Lippenstift rocke.

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