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Ist es hinderlich, einen bestimmten Typ bei der Parner:innensuche zu haben?

Foto: Meg O'Donnell
„Was ist dein Typ?“ Diese Frage gehört spätestens seit der Reality-Show Love Island zum modernen Dating-Vokabular. Meistens bezieht sich ein „Typ“ auf die körperlichen Eigenschaften, die eine Person bei potenziellen Partner:innen sucht. In den zwei Jahren, in denen ich Single bin, habe ich meinen so genau definiert, dass ich ein polizeiliches Phantombild meines Traummanns zeichnen könnte.
Ich bin nicht die Einzige, die beim Daten auf ein bestimmtes Aussehen achtet. Khloe Kardashian heiratete einen über 1,80 m großen Basketballspieler und hatte ein Baby mit einem anderen; Jennifer Lopez war mit zwei ihrer Background-Tänzer zusammen; einige von Kate Moss' Ex-Freunden sehen fast identisch aus. In ihrem Song „All Too Well“ erklärte Taylor Swift kürzlich höhnisch, dass Frauen Anfang 20 Jake Gyllenhaals Typ seien. Selbst bei prominente Personen, deren Instagram-Accounts zweifelsohne mit direkten Nachrichten von begehrenswerten Verehrer:innen überfüllt sind, setzt sich also der eigene Typ bei der Partner:innensuche durch.
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Ich lebe in Berlin, was – wie es bei jeder Großstadt der Fall ist – bedeutet, dass Dating-Apps eine scheinbar unendliche Menge potenzieller Partner:innen bieten. Da ich wusste, zu welchem Typ Mann ich mich hingezogen fühle – sportlich, kurze Haare, Baby-Gesicht – konnte ich beim Swipen effizient und in Sekundenbruchteilen Ja- oder Nein-Entscheidungen treffen.
Ich nutzte diese Apps einige Monate lang, aber das Ganze führte zu nichts weiter als Dates ohne Zukunft, verwirrenden Situationships und so vielen Situationen, in denen mich Leute ghosteten, dass die ganze Stadt wie ein Casting-Aufruf für den nächsten Scream-Film hätte sein können. Ein mittelmäßiges Treffen Anfang August war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der Typ und ich gingen nach einer Stunde getrennte Wege, und ich kaufte eine Flasche Wein auf dem Heimweg, die ich später am Abend alleine trank. Während ich in der Warteschlange im Supermarkt wartete, löschte ich alle Apps auf meinem Handy.
Meine Abende verbrachte ich nicht mehr damit, neue Matches kennenzulernen, und beim Warten auf dem Bahnsteig las ich ein wenig, anstatt geistlos zu swipen. Im Hintergrund schien sich etwas an meiner Einstellung zu ändern. Da ich keine Fotos mehr analysierte, um herauszufinden, ob ich mich zu jemandem hingezogen fühlte, verlor das Aussehen stark an Bedeutung. Unterbewusst hatte ich aufgehört, mich auf das Äußerliche zu konzentrieren, um festzustellen, ob es zwischen mir und der anderen Person gefunkt hat.
Ich bemerkte diesen Wandel zum ersten Mal an einem Abend im September, als ich mit einem gemeinsamen Freund, Michael, was trinken ging. Er war zwar attraktiv, aber entsprach überhaupt nicht meinem üblichen Typ. Als wir dann aber weiterzogen und im Club zu tanzen begannen, fühlten sich die Momente, in denen sich unsere Arme berührten, so an, als würde ich unter Strom stehen.
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Einen bestimmten Typ zu haben, ist oft auf unsere ersten Beziehungen zurückzuführen; jene die, uns ein Gefühl der Geborgenheit vermittelten, unabhängig davon, wie dienlich diese Beziehungen waren oder nicht.

Sarah Louise Ryan
Gegen sechs Uhr morgens, als sich unsere ahnungslosen Freund:innen verabschiedet hatten, wurde die Anziehungskraft so groß, dass wir uns zu küssen begannen.
Aus meiner kurzen Affäre mit Michael wurde zwar nichts, aber sie stellte alles in Frage, was ich über meinen so genannten Typ zu wissen glaubte. Ich hatte immer gedacht, dass ich mit Männern ausging, zu denen ich mich aufgrund ihres Aussehens besonders hingezogen fühlte, weil ich auf der Suche nach Liebe keine Kompromisse eingehen sollte. Wenn ich so darüber nachdenke, hat mein übermäßiger Fokus auf's Äußere wahrscheinlich viel zu meinen nicht erfolgreichen Dating-Entscheidungen beigetragen.
Die Partnervermittlerin und Dating-Expertin Sarah Louise Ryan erklärt gegenüber R29: „Viele Menschen schaffen sich bei der Partner:innensuche unbewusste romantische ‚Typen‘, und ziehen so immer wieder dieselbe Art von Person an.“ Wenn es um Dating-Apps geht, „kann das Vorhandensein eines ‚Typs‘ Personen davon abhalten, andere Optionen wahrzunehmen, die möglicherweise für eine romantische Beziehung infrage kommen könnten“.
Sarah erklärt, dass unser Typ „oft auf unsere ersten Beziehungen zurückzuführen ist; jene, die uns ein Gefühl der Geborgenheit vermittelten, unabhängig davon, wie dienlich diese Beziehungen waren oder nicht“. Das traf mich mitten ins Herz. Hatte ich deshalb die letzten zwei Jahre damit verbracht, unbewusst nach einem Ebenbild meines ersten Freundes, einem draufgängerischen, kontaktfreudigen Mann, zu suchen?
Einige Wochen nachdem ich Michael geküsst hatte, überraschte ich mich erneut selbst, als ich mit einem anderen Freund, Jakob, zusammenkam. Zu diesem Zeitpunkt kannten wir uns seit ein paar Monaten und in dieser Zeit hatte ich nie eine Anziehung zwischen uns gespürt. Aber meine neue Einstellung zum Daten änderte die Dinge. Ich stellte fest, dass unser Sinn für Humor perfekt zusammenpasste. Auch diese Liebelei mit Jakob verlief im Sande (als ich herausfand, dass ich nicht die einzige Frau in seinem Liebesleben war, womit die Sache für mich zu Ende war). Diese Erfahrung bestätigte aber erneut meine neue Einstellung zum Daten.
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Ich bin nicht die Einzige, die in letzter Zeit ihre Dating-Vorlieben überdacht hat. Einer neuen Umfrage von Bumble zufolge gaben 48 Prozent der Befragten an, dass die Pandemie sie dazu gebracht hat, ihren Typ zu hinterfragen. Die Netflix-Serie Sexy Beasts spiegelt diesen Trend wider: In der Show haben die Kandidat:innen Dates und tragen dabei Masken, die ihr Aussehen verbergen. Den Teilnehmer:innen bietet diese Show die Chance, eine echte Beziehung aufzubauen, die allein auf der Persönlichkeit beider Personen beruht (obwohl alle unter den Masken stereotypisch gut aussehen, was den Sinn der Sache irgendwie zunichtemacht).
Nach vier Monaten ohne Dating-Apps hatte ich meinen Typ über Bord geworfen und ich fing an, mich bei der Partner:innensuche auf die Persönlichkeit meines Gegenübers zu konzentrieren. Ich wollte selbstbewusste, gesellige, witzige und extrovertierte Männer kennenlernen. Ich dachte, diese Anforderungen würden mir helfen, die richtige Person für mich zu finden, anstatt mich daran zu hindern.
Dann lernte ich eines Abends Yu Teng beim Ausgehen kennen, und im Laufe einiger Verabredungen stellte ich fest, dass er ein kreativer Mensch ist, der gut zuhören kann und neugierig auf die Welt ist. Er war nicht laut, wie die Männer, von denen ich mich früher angezogen gefühlt hatte und die einen gesamten Raum mit ihren Witzen für sich gewinnen konnten. Das fühlte sich aber plötzlich wie eine erfrischende Abwechslung an.
Als Kim Kardashian kürzlich händchenhaltend mit Pete Davidson fotografiert wurde, geriet das Internet in Aufruhr. Dass die beiden zusammen sind, war deshalb solch eine Überraschung für alle, weil Kim vorher mit Kanye West, einem superstylischen, scheinbar humorlosen und selbsternannten Genie, verheiratet gewesen war, bevor sie sich auf den lockeren, selbstironischen Komiker Pete einließ. Dass Kim auf einmal mit Pete zusammen war, entsprach nicht den öffentlichen Erwartungen an ihr Liebesleben.
Dem breiten Lächeln auf Kims Gesicht (und dem verdächtigen Knutschfleck an Petes Hals) nach zu urteilen, kann das Brechen mit alten Gewohnheiten durchaus gut für uns sein. Darüber dachte ich nach, als ich bei meinem vierten Date mit Yu Teng in einem Laden nach Büchern stöberte – etwas, das ich noch nie mit einem romantischen Partner getan hatte. Als sich unsere Blicke währenddessen trafen, erinnerte ich mich daran, meine üblichen Kästchen nicht abzuhaken. Denn hätte ich ihm aufgrund meiner sonstigen Erwartungen keine Chance gegeben, hätte ich vielleicht nie diese Art von Glück in der Liebe gefunden.

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