Kennst du die Tage, an denen jeder Mensch auf Erden deine Geduld zu testen scheint? Jemand auf der Straße läuft viel zu nah an dir vorbei. Oder deine Mitbewohnerin nervt dich, weil sie unfassbar laut auf ihren Abendessen herum kaut. Oder dein/e Partner/in hat die Dreistigkeit zu fragen, wie dein Tag war – wie unverschämt! Wenn dich wirklich alles nervt, was übrigens ziemlich normal ist, ist hier womöglich deine alte Freundin schuld: die Angststörung.
„Personen mit Angststörung sind generell gereizt und lassen sich leicht aus dem Ruder bringen,” sagt Andrea Bonior, Doktorin der klinischen Psychologin. „Sie sind schnell aufgebracht, verletzt und manchmal wirklich sensibel was Geräusche und Reize angeht.” Im Prinzip ist jemand, der/die generell angespannt und ängstlich ist auch jemand, der/die schneller genervt ist.”
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Es mag dir vorkommen, dass all deine Frustrationen nur in deinem Kopf stattfinden, aber es gibt in der Tat eine physiologische Erklärung, warum du so genervt bist. „Bei einer chronischen Angststörung ist das Nervensystem immer in höchster Alarmbereitschaft,” sagt sie. Und sobald manche Menschen erkennen, dass sie genervt sind, sind sie noch mehr genervt, weil sie überhaupt genervt sind. Was natürlich großartig ist, not! Wenn dein Nervensystem angeswitcht ist, kannst du gar nicht anders, als auf das, was vor dir ist, zu reagieren – positiv oder negativ und ungeachtet dessen, ob die Angelegenheit nichtig oder wichtig ist.
Du bist auch meist ein wenig schnippischer, wenn du schlecht geschlafen hast, erklärt Dr. Bonior. „Je wenig Schlaf man abgekommen hat, desto bedrohlicher ist die Ansicht, die du über deine Umgebung hast,” sagt sie. „Wenn du unausgeschlafen bist, scheinen die Dinge nerviger, weil du mit einer negativen Einstellung an sie herantrittst.” Langeweile kann ebenfalls zu einer erhöhten Gereiztheit führen, denn wenn deine Gedanken viel hin und her wandern, stößt du womöglich auf Dinge, die du sonst gar nicht auf dem Schirm gehabt hättest, sagt sie. Glücklicherweise kann man immer versuchen, mehr Schlaf abzubekommen oder sich selbst beschäftigt zu halten, aber es gibt auch ein paar konstantere und weniger schnell lösbare Gründe, wieso du konstant angepisst bist.
Wenn du eine rigide Person bist mit super hohen Standards, was die Art, wie dein Leben zu laufen hat, betrifft (zum Beispiel, wenn du jemand bist, der/die Spülmaschine nochmal umräumt, nachdem sie jemand eingeräumt hat), dann könnte es für dich so aussehen, als wäre der Rest der Welt nicht immer im Einklang mit deinen hohen Standards – was dich wiederum nerven wird, wie Dr. Bonior erklärt. „Du könntest der Typ Mensch sein, der einfach unflexibel und unnachgiebig ist, weshalb du es schwer findest, entspannter mit deinen eigens aufgelegten Regeln umzugehen und zu akzeptieren, dass manche Dinge einfach nicht so laufen, wie du es dir vorstellst,” sagt sie. Der Grund, wieso du das Gefühl hast, die Grammatik von jemandem ständig korrigieren oder deinen Schreibtisch täglich aufräumen zu müssen, ist ein Nebenprodukt dessen, wie du erzogen wurdest. „Üblicherweise resultiert das alles aus einer Erfahrung im Kindesalter,” erklärt Dr. Bonior. „Wir sind mit etwas aufgewachsen, dass uns wahnsinnig gemacht hat.”
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Bei anderen sind es bestimmte Stimulanzien, die sie wahnsinnig machen. Wie beispielsweise die Ungerechtigkeit wenn jemand einem die Fahrbahn schneidet, oder wenn jemand in einem öffentlichen Raum zu laut am Telefon spricht. Menschen, die es nicht aushalten können, wenn jemand anderes Kaugeräusche von sich gibt, könnten Misphonia haben, was in der Tat eine Krankheit ist. „Das ist dann aber etwas anderes, weil dein Gehirn die Stimulanzien anders verarbeitet,” sagt Dr. Bonior. Wie auch immer, es ist total normal, dass dich manche Dinge nerven und nur weil dein/e Partner/in mit den Knöcheln knackst oder ständig die Schranktür offen lässt, heißt das nicht, dass du ihn oder sie hasst. Aber denk daran, dass – solltest du immer und immer wieder von der selben Person genervt sein – auch andere Faktoren eine Rolle spielen könnten. „Es kann sein, dass wir manchmal gewisse Themen für uns behalten und dann wiederum super genervt von einer Nichtigkeit sind, die gar keine Rolle gespielt hätte, wenn man nicht die ganze Zeit den Ärger über das andere Thema heruntergeschluckt hätte,” gibt sie zu Bedenken.
Und vergiss nicht: Das Verhalten von anderen mag man nicht ändern können, aber die Art, wie du auf sie reagierst, kannst du selbst aktiv ändern. Wenn du überdurchschnittlich genervt bist, solltest du dich darauf fokussieren, was dein Körper tut. „Oftmals sind wir irgendwie angespannt und dann genervt, dass wir angespannt sind – es ist ein Teufelskreis,” sagt Dr. Bonior.
Stattdessen empfiehlt sie ein paar simple Atemübungen zu machen, die einem dabei helfen, sich in solchen Nervmomenten zu zentrieren. Oftmals hilft es auch ein Mantra, wie zum Beispiel „Ich bin hier” immer und immer vorzusagen. Das kann helfen, dass man sich mit seinem Körper wieder verknüpft und dann bewusster und weniger impulsiv reagieren kann. Außerdem kann es hilfreich sein, ein Danksagungstagebuch zu führen, in dem man festhält, was gerade im eigenen Leben gut läuft – oder ein Buch darüber zu schreiben, wieso es absolut unausstehlich ist, dass sich jemand heute Morgen in der Schlange beim Kaffeeladen vor dich gedrängt hat.
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