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Sollten wir uns wirklich halbnackt auf Instagram zeigen?

Foto: bitmoji.
Lia Haubner und Edith Löhle sind das Yin und Yang des Online-Journalismus, das Feuer und Eis von Refinery29, das Salz und Pfeffer in der Suppe von Meinungen. Im Büro sitzen sie sich gegenüber, genau wie ihre Gedanken – denn so sehr sie sich auch gern haben, ihre Meinung ist meist konträr. Diese Woche spielen ihre Haltungen Ping Pong zu Instagram-Posts in Unterwäsche. Los geht's mit Lia, die das Gefühl hat, dass Instagram der neue Strand ist. Für sie ist es also vollkommen okay, wenn sich Privatmenschen im Netz nackig machen...

„Instagram ist der neue Strand!“
Versteht mich nicht falsch, wahrscheinlich würde auch ich gucken wie ein Auto, wenn eine meiner Kolleginnen am Morgen in Unterwäsche in die Redaktion spazieren würde. Doch genau hier beginnt mein Dilemma: Nacktheit ist nicht nur in den eigenen vier Wänden erlaubt, in denen ausschließlich der Zimmerkaktus oder der Lieblingsmensch zuguckt. Stattdessen gibt es eine Art Textilskala. Wie Layering, nur andersherum: Büro bedeutet maximalen Outfiteinsatz, zu Hause tut’s auch mal BH und Jogginghose und am Strand ist es auf einmal vollkommen okay, dass der Bikini nicht mehr bedeckt als die Unterwäsche, mit der man sonst nur in Ausnahmefällen in der Öffentlichkeit unterwegs wäre. Seitdem ein neuer sozialer Raum auf der Bildfläche erschienen ist, scheinen jedoch alle Standards über den Haufen geworfen zu sein. Instagram ist das digitale Zuhause der Millennials, in dem es vollkommen normal ist, Haut zu zeigen. Soll heißen? Wer seinen Kolleginnen und Kollegen dort folgt, kennt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur das Lieblingsgeschirr und die aufgeräumten Ecken der Wohnung, sondern auch mal das Bett, die Unterwäsche und die unbekleidete Pose des Vertrauens. Dass solche Bilder für Irritationen sorgen können, wenn man am nächsten Tag wieder maximal bekleidet über die Quartalszahlen spricht, möchte ich gar nicht abstreiten. Warum eigentlich? Am Strand ist die Chance hoch, sich selbst ebenfalls in Badekleidung zu befinden, wenn man zufällig die Schreibtischnachbarin im Bikini trifft. Bei Instagram sieht das anders aus. Wenn man vollkommen angezogen auf einmal ins Bett der Kollegin katapultiert wird, fühlt man sich ertappt und voyeuristisch zugleich. Ganz so, als würde man seine Nachbarin oder seinen Nachbarn versehentlich am frühen Morgen mit offenem Bademantel auf dem gegenüberliegenden Balkon antreffen: Man kämpft nicht direkt mit einem Ohnmachtsanfall, einen Tick zu intim fühlt es sich aber unbestreitbar an. Trotzdem plädiere ich dafür, aus dem kleinen Adrenalinmoment ein anerkennendes Kopfnicken zu machen. Neben vielen guten Winkeln gibt es nämlich auch genügend Beispiele, die zeigen, dass mehr als nur ein Körperideal Schönheit bedeutet. Das macht nicht nur Mut, sondern inspiriert auch die Modeindustrie: Monki, #IAmAllWoman und Lonely sind die perfekten Beispiele. Embrace your Normalschlüpper und Dehnungsstreifen? Ja, bitte! Lia Haubner
„Soziale Netzwerke sind unsere digitalen Visitenkarten!“ Wow, bei diesem Thema komme ich mir schon fast schizophren vor, denn in meinem Kopf streiten verschiedene Meinungen: Auf der einen Seite bin ich für alles, bei dem ich auch nur den winzigsten Hauch von female Empowerment spüre, auf der anderen Seite finde ich es einfach nicht schlau, wenn Frauen und Männer auf öffentlichen Kanälen zu viel von sich zeigen!
Natürlich ist es erstrebenswert, dass man sich in seinem Körper so sexy fühlt, dass man diesen auch zeigen will. Genauso erstrebenswert ist es, dass es 2017 keine Gerede mehr darüber gibt. Realitätscheck: negativ. Wenn eine Privatperson sich durch Instagram in Dessous räkelt, dann wird darüber geredet. Und zwar nicht nett. Räkel-Girl verpasst sich also selbst einen Stempel, den sie schwer losbekommt. Ich finde es einfach schade, wenn gute Arbeit oder Qualifikationen unter einen Lästerteppich gekehrt werden, weil die heißen Fotos bessere Gesprächsthemen für manche abgeben.

Heutzutage sind die sozialen Netzwerke unsere digitalen Visitenkarten, auf das Papierformat hätte man doch früher auch kein Bild in Unterwäsche drucken lassen?
Und das Argument, dass Instagram der neue Strand ist, hinkt für mich einem falschen Zukunftsgefühl nach: Immerhin gehen die Wenigsten mit ihren Chefs und Kollegen an den Strand, sondern suchen sich aus, wer mit aufs Handtuch darf. Ich will den ollen Satz „Das Internet vergisst nie" nicht anführen, doch appelliere – vor allem an die jungen Nutzer – zuerst nachzudenken, bevor man für alle sichtbar postet. Auch wenn ich dabei wie meine Eltern klinge. Und nun zu dem Gegenargument, dass Nacktheit der Helfer des Feminismus sei: Eine Pauschalaussage hierzu finde ich ebenso schwierig. Dass die Femen-Aktivistinnen barbusig für Rechte kämpfen, ist stark und einleuchtend. Dass junge Mädchen ihre Brüste zeigen, um ihre Selbstbestimmtheit zu demonstrieren, halte ich für falsch. Wenn das Mittel des Feminismus Sexismus sein soll, dann gehe ich da nicht mehr mit. Die britische Modejournalistin und Bloggerin Pandora Sykes schrieb dazu letztens: „Wenn man sich einen Feed voller Nacktbilder anschaut, dringt dann eine starke Botschaft durch? Oder sieht man, wenn man ehrlich ist, nur ein Paar sehr schöner Brüste.“ Amen.

Edith Löhle

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