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„Wenn du meine Braids beleidigst, beleidigst du auch mich“

Vor Kurzem wurde ich von einem bekannten Magazin für ein Fotoshooting angefragt. Es ging um einen Beitrag über meine Arbeit für meinen Store Rag & Bone Man und Poems & Posies, aber auch meinen ganz persönlichen Stil. Ich war super happy, fühlte mich geehrt und legte mir direkt meine liebsten Looks heraus. Zum Thema Frisur wurde nichts gesagt, also rannte ich direkt zu meiner Flechterin Adeline. Sie schafft es jedes Mal, meine komplexe Haartextur innerhalb von ein paar Stunden in wunderschöne Braids zu verwandeln, aber so eine Session muss eben rechtzeitig eingeplant werden.
Als Adeline fertig war, schaute ich in den Spiegel und war hin und weg von meinem neuen Look. Ich hatte mir Twist Braids mit unterschiedlichsten Perlenelementen machen lassen, die Inspiration zur Frisur waren traditionelle Zöpfe aus Westafrika. Als ich Adelines Laden verließ, war ich rundum zufrieden. Ich konnte das Fotoshooting kaum erwarten und wollte meine neue Frisur direkt allen zeigen.
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Vor Ort empfing mich die Haar- & Make-up-Expertin als erstes mit einem warmen Lächeln. Meine Frisur begeisterte sie und wir machten uns direkt an mein Make-up. Das ganze Team war super freundlich und warmherzig. Ich spürte, wie meine Nervosität langsam nachließ. Die Haare- & Make-up-Frau war ausgesprochen einfühlsam und fragte vorsichtig nach, welche Produkte sie am besten für meinen Hautton benutzen soll. Zusammen fanden wir eine Foundation, die perfekt zu meinem Schokoladenton passte und das Ergebnis gefiel mir so gut, dass ich mich bereit für das Shooting fühlte.
Ich war begeistert von meinem Look und stellte mich selbstbewusst der Kamera. Die Fotografin nahm sich glücklicherweise viel Zeit, um mir alles zu erklären. Ich merkte sofort, dass sie oft mit Menschen zusammenarbeitet, die keine professionellen Models sind. Also freute ich mich auf ein entspanntes Shooting. Und genau in diesem Moment kam das böse Erwachen.

Ich sollte meine aufwendigen Braids, die ich mir extra für das Shooting hatte flechten lassen, zurück stecken, weil sie der Haar-Stylistin zu viel waren.

Nach ein paar Bildern kam die Hair- & Make-up-Artistin auf mich zu und fragte, ob ich meine Haare nach hinten stecken kann, weil sie zu präsent seien. Ihre genaue Wortwahl war, dass es ihr zu viele Haare sind. Mir wurde gesagt, dass ich mein eigenes Outfit aussuchen darf, aber keiner hatte etwas dazu gesagt, wie ich meine Haare tragen oder besser nicht tragen soll. Ich versuchte also ihr höflich mitzuteilen, dass die Frisur so gehört und dass ich meine Zöpfe nicht nach hinten stecken werde, weil sie genau so sitzen, wie sie sitzen sollen. Die Fotografin versuchte zu vermitteln und erklärte, dass sie die Haare genau so gut findet. Ich blieb ruhig und bestimmt, aber die Bemerkung hat mich verletzt und löste bei mir eine Welle von Gedanken aus.
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Sofort fragte ich mich, ob die Stylistin es jemals mit Afro-Haaren zutun hatte. Wusste sie irgendwas über afrikanische Haarstrukturen? Über traditionelle Flechtfrisuren? Wusste sie, wie lange es gedauert hat, um zu so einem Ergebnis zu kommen? Wie viele Stunden Adeline an dieser Frisur gearbeitet hat? Und vor allem wie verletzend ihre Bemerkung war, wenn man bedenkt, dass schwarze Frauen in Mainstream-Medien unterrepräsentiert werden und ihr Aussehen und ihre Haare oft noch als unschön eingeordnet werden? Was war ihr denn „zu viel“ an meiner Frisur? Würde sie die gleiche Bemerkung bei einer Frau mit glatten Haaren machen? Ich glaube nicht.

Viele People Of Colour kämpfen ihr Leben lang mit dem Gefühl, nicht so akzeptiert zu werden, wie sie sind.

Einerseits war ich stolz auf meine Frisur, die meine afrikanischen Wurzeln in Form von traditioneller Flechtkunst darstellt. Anderseits war ich verunsichert, weil ihr Kommentar meine Identität in Frage stellt. Auf einmal musste ich an ähnliche Situationen zurückdenken, die ich bereits erlebt habe. Mal wurde mir gesagt, dass meine Hautfarbe zu dunkel sei für ein bestimmtes Licht. Dabei war das Licht der Location vielleicht einfach schlecht. Warum sagen mir Fotografen, dass meine Haut zu dunkel ist? Das bedeutet in diesem Moment, dass meine Hautfarbe das Problem ist und nicht die Umstände – merken sie das nicht?
Meine Eltern haben hart dafür gearbeitet, dass ich meine Hautfarbe und meine natürlichen Haare lieben lerne, obwohl wir in einer Gesellschaft leben, die ständig für ein anderes Schönheitsbild wirbt. Viele People of Colour kämpfen ihr Leben lang mit dem Gefühl, nicht so akzeptiert zu werden, wie sie sind. Und der Wille, akzeptiert zu werden, kann schädliche Folgen haben: Die einen bleachen sich die Haut mit gefährlichen Produkten, während andere ihre Haare chemisch glätten. Und das nur, um akzeptiert zu werden. Um sich einer Gesellschaft anzupassen, die ihnen sagt, dass ihre Haut zu dunkel und ihre Haare zu viel sind. Es gibt heute immer noch Beauty-Unternehmen, die rassistische Kampagnen drehen, in denen man sich die dunkle Haut dank der tollen Produkte „hell waschen“ kann.
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Parallel dazu gibt es in schwarzen Communties eine wachsende Diskussion über die eigene Identität, die Rolle des natürliches Afro-Haares und Colourism. Es werden Workshops gehalten und sowohl Magazine als auch Blogs helfen dabei, dass kaputte Selbstbild und die zerstörte Identität zu heilen und positiv zu besetzen. Dabei spielt die Akzeptanz der natürlichen Afro-Haare eine sehr wichtige Rolle: Es ist eine Bewegung, die es ermöglicht die Identität und die dazugehörigen Merkmale, die durch Institutionen, Medien, Erziehung und die Gesellschaft über Jahre hinweg negativ belastet wurden, wieder positiv zu bestimmen.
Ich wünsche mir, dass mehr Menschen vor und hinter der Kamera zu sehen sind, die meine Hautfarbe haben: Stylisten, Make-Up Artists, Art Direktoren oder Fotografen aus Asien, aus dem mittleren Osten oder aus Afrika. Und ich wünsche mir, dass der Slogan „Black is Beautiful“ auch in Deutschland für mehr Diversität steht. Ich sehe immer öfter halb Schwarze, mit einem weichen Afro und einem hellen Farbton, die für Kampagnen gebucht werden. Dabei steht „Black is Beautiful“ für alle Hautfarben, von tiefschwarz bis hin zu karamellbraun. Diversität existiert auch unter Schwarzen!
Die Darstellung und die Einbindung von People of Colour in Berlins kreativer Szene spielt eine große Rolle. Diversität sollte in so einer Multi-Kulti-Stadt mehr als nur ein netter Vorsatz sein. Vielfalt fängt im Alltag an. Wenn bei einem Fotoshooting keine nicht-weißen Menschen sind, dann sollte der erste Schritt sein, sich zu Fragen warum. Vielleicht trauen sich Frauen, die meine Hautfarbe haben, nicht, sich für kreative Jobs bei Magazinen als Stylistin oder als Fotografin zu bewerben, weil sie von vorn herein denken, dass sie keine Chance haben? Woher kommt es, dass so wenig People of Colour in Berlins Kreativbranche arbeiten? In einer Stadt, die für Diversität steht, sollte die Integration überall stattfinden. Aber die Realität sieht anders aus. Ich habe neulich eine befreundete Fotografin aus Berlin gefragt, ob sie mir drei afrikanische und drei asiatische Fotografen nennen könnte. Ihre Antwort war: „Ich wünschte ich könnte, aber ich kann nicht. “ Dann sagte sie „Ich“ und lachte verlegen.
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Diversität sollte in einer Multi-Kulti-Stadt wie Berlin mehr sein als nur ein netter Vorsatz.

Meine eigene Erfahrung in Berlin ist die der einzigen schwarzen Person im Raum. Ob bei Shootings oder bei der Arbeit. Wo sind die kreativen People of Colour? Es geht mir nicht darum, von einem schwarzen Fotografen abgelichtet zu werden. Ich möchte nur nicht von einem weißen Fotografen hören, dass meine Hautfarbe sie oder ihn überfordert. Meine Lieblingsfotografin ist eine weiße Frau aus der Ukraine, und sie macht die wunderbarsten Bilder von mir. Weil sie Fragen stellt, wenn sie nicht sicher ist. Im Vergleich dazu sind passiv-aggressive Bemerkungen über meine Haare oder meine Hautfarbe schädlich und können bei unsicheren Frauen dazu führen, dass es ihrem Selbstbewusstsein schaden. Wenn Magazine und Blogger öfters mit PoC-Fotografen, -Stylisten und Make-up-Artists arbeiteten, dann würden solche Unterschiede keine ignoranten und verletzlichen Kommentare auslösen. Und falls man nicht weiß, wie man damit umgeht, dann hilft immer noch Fragen stellen.
Ich will nicht generalisieren und kann nur wiederholen, dass ich von meiner persönlichen Erfahrung spreche. Ich habe mich in letzter Zeit mit Freundinnen ausgetauscht, die als dunkelhäutige Models arbeiten. Sie haben ähnliche Erfahrungen mit mir geteilt. Ich hoffe, dass sich das mit der Zeit verändern wird und dass Diversität in der kreativen Branche Deutschlands bald zur Normalität wird. Das Leben als Person of Colour ist anders und sollte aus dem Grund mit Respekt und Authentizität dokumentiert und zelebriert werden. Ich bin dankbar, dass ich meine Geschichte auf dieser Plattform teilen durfte und auf Fotoshootings eingeladen werde, um mich vorzustellen und meine Arbeit zu zeigen. Ich nehme diese Einladungen an mit der Hoffnung, dass ich andere inspirieren konnte und ihnen Mut geben kann.
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Ich hoffe, einer jungen, schwarzen Frau so das Gefühl geben zu können, dass sie ihre Träume verwirklichen kann. Dass sie das Recht hat, gesehen und gehört zu werden. Dass sie die Chance hat, sich außerhalb der Klischeeschublade zu positionieren, in die unsere moderne Gesellschaft schwarze Frauen immer noch steckt.
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