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Warum verlieben sich Frauen in Serienkiller wie Ted Bundy?

PHOTO: COURTESY
Als Ted Bundy, ein notorischer Serienkiller, der über 30 Frauen vergewaltigt und ermordet hat, 1979 vor Gericht gestellt wurde, bekam er aus der ganzen Welt Fanpost von Frauen geschickt. Viele davon enthielten Nacktfotos und einige sogar Heiratsanträge, erzählt Stephen Michaud, Co-Autor des Buches Ted Bundy: Conversations with a Killer. Während Bundys Prozess kamen Frauen als Zuschauerinnen in den Gerichtssaal und trugen Mittelscheitel und Kreolen, weil sie hofften, so seinem Typ Frau (den, den er, zur Erinnerung, vergewaltigt und ermordet hat), ähnlich zu sehen. 1980, als er immer noch vor Gericht stand, heiratete er eine seiner Bewunderinnen. Die Ehe hielt neun Jahre, bis er 1989 für seine Verbrechen mit dem Tod bestraft wurde.
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Obwohl seine Hinrichtung nun schon 30 Jahre zurückliegt, hat er immer noch einen festen Platz in der Popkultur sicher. Die Netflix-Dokumentation über ihn und seine Vergehen, Ted Bundy: Selbstporträt eines Serienmörders, schlug große Wellen. Und während er wahrscheinlich der berühmteste Fall eines Verbrechers ist, der weibliche Fans um sich scharte, passiert so etwas immer und immer wieder. Nehmen wir beispielsweise Jeffrey Dahmer, der Liebesbriefe und Geschenke von weiblichen Fans erhielt, nachdem er wegen des Mordes und der anschließenden Verstümmelung der Leichen von 17 jungen Männern ins Gefängnis gekommen war. Oder den als „Night Stalker“ bekannt gewordene Richard Ramirez, der über 25 Opfer vergewaltigt und gequält hat und mindestens 13 von ihnen umbrachte. Er heiratet 1996 einen seiner Fans im Gefängnis. Ein aktuelleres Beispiel ist Anders Breivik, der bei einem nationalistisch motivierten Amoklauf 2011 77 Menschen umbrachte. Es wird berichtet, dass auch er Liebesbriefe bekomme, teilweise von Mädchen, die nicht älter sind als 16 Jahre.

Während Bundy wahrscheinlich der berühmteste Fall eines Verbrechers ist, der weibliche Fans um sich scharte, passiert so etwas immer und immer wieder.

Was aber sind das für Frauen, die sich in solche Männer verlieben? Laura Elizabeth Woollett hat ein Buch geschrieben, das The Love of a Bad Man heißt und bisher nur auf Englisch erschienen ist. Es behandelt genau dieses Thema und besteht aus zwölf fiktiven Kurzgeschichten über das komplizierte Innenleben solcher Frauen, darunter Eva Braun, die Geliebte Adolf Hitlers und Marceline Baldwin, die Ehefrau von Jim Jones, der das Jonestown Massaker zu verantworten hat. Wir haben mit Woollett darüber gesprochen, wieso sie das Buch geschrieben und es geschafft hat, sich in die Frauen hineinzuversetzen.
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Das Interview wurde zum besseren Verständnis redaktionell aufbereitet und gekürzt.
Refinery29: Warum hast du dieses Buch geschrieben?
Elizabeth Woollett: Ich fand True-Crime-Geschichten schon immer spannend. Am aufregendsten fand ich die von Leuten, die eigentlich relativ normale Kindheiten gehabt haben, in denen nichts Schlimmes vorgefallen ist. Das Wie und Warum dieser Fälle ist hier besonders interessant und mysteriös für mich. Aus den gleichen Gründen haben mich auch Verbrecherinnen immer besonders interessiert. Frauen werden aus verschiedenen Gründen nicht so häufig mit Straftaten in Verbindung gebracht wie Männer, insbesondere wenn es um Gewaltverbrechen geht. Es ist so unwahrscheinlich, um trotzdem passiert es.
Wie sah deine Recherchearbeit aus?
Ich habe Biografien gelesen, True-Crime-Bücher, Prozessmitschriften, Zeitungsartikel und Briefe. Alle relevanten Quellen, die ich in die Hände bekommen konnte. Wenn möglich, habe ich mir außerdem Dokumentationen und Originalmaterial angesehen. Eva Braun beispielsweise hatte jede Menge Homevideos. Um den Ton und die Stimmung der damaligen Zeit zu verstehen, habe ich außerdem Romane und Filme aus der jeweiligen Epoche und den Ländern angesehen, in denen diese Frauen lebten.
Ist dir eine Gemeinsamkeit zwischen diesen Frauen aufgefallen?
Wenn es so etwas wie eine Gemeinsamkeit gibt, dann ist es wohl eine Kombination aus Unsicherheit und der Bereitschaft, ihr Selbstwertgefühl von den Männern, mit denen sie zusammen waren, bestimmen zu lassen. Ich glaube aber, dass Unsicherheit etwas sehr Menschliches ist. Es wird schwierig sein, jemanden zu finden, der nicht auf irgendeine Weise unsicher ist oder es zumindest mal zu irgendeinem Zeitpunkt seines Lebens mal war.
Grundsätzlich haben junge Erwachsene mehr Unsicherheiten und sind in ihrem Selbstwertgefühl nicht so stabil. Die meisten Frauen, die in The Love of a Bad Man vorkommen, sind junge Frauen, teilweise sogar Teenager. Und die Frauen, die nicht in die Kategorie fallen, sind oftmals mit ihrem Partner zusammengekommen, als sie jung waren. Oder aber sie hatten schon vorher Beziehungen mit missbräuchlichen Männern, bis sie auf den Kriminellen trafen, in den sie sich verliebten.
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Wenn es so etwas wie eine Gemeinsamkeit gibt, dann ist es wohl eine Kombination aus Unsicherheit und der Bereitschaft, ihr Selbstwertgefühl von den Männern, mit denen sie zusammen waren, bestimmen zu lassen.

Wie nah hast du dich an die Wahrheit gehalten?
Das hing von den Informationen ab, die ich zur Hand hatte. Bei Frauen wie Myra Hindley und Eva Braun war es einfacher, sich näher an das Realvorbild zu halten, weil über sie schon viele Bücher geschrieben wurden. Bei ihnen ging es eher darum, Anekdoten oder Zeitpunkte ihres Lebens auszuwählen, die ihren Charakter gut repräsentieren. Wer sie waren, was sie gemacht haben und wie sie dahin gekommen sind, wo sie dann landeten.
Bei anderen, wie Janice Hooker und Veronica Compton, gab es nur wenig Information. Da musste ich meine Fantasie mehr spielen lassen. Ich werde wahrscheinlich nie wissen, wie nah diese Kurzgeschichten an der Wahrheit sind.
Hast du die Geschichten absichtlich aus der Ich-Perspektive erzählt, damit sich die Leser*innen besser mit ihnen identifizieren können?
Das alle Frauen ihre eigene Stimme haben, war mir extrem wichtig. Ich wollte, dass jede Stimme einzigartig, echt und überzeugend rüberkommt. Wenn Leute ihre eigene Geschichte erzählen, wollen sie in der Regel Mitgefühl erzeugen und sich verletzlich und menschlich zeigen. Ich habe versucht, dass im Hinterkopf zu behalten, als ich die Geschichten geschrieben habe.
Wieso haben sie sich zu diesen Männern hingezogen gefühlt?
Es ist schwer zu sagen, wo die Grenze zwischen dem „bösen Mann“ und dem „Antihelden“ verläuft. Da gibt es einige Vermischungen, die dazu führen, dass böse Männer oft romantisiert werden: Sie sind auf tragische Weise fehlerhaft, aber menschlich. Sie sind düster und unheilvoll, aber aufregend. Solange Antihelden als attraktiv gelten, wird das auch bis zu einem Grad auf böse Männer zutreffen.
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Im echten Leben ist es aber nicht unbedingt so, dass sich solche Frauen ausschließlich zu dem Bösen in diesen Männern hingezogen fühlen, es sind vielmehr die Brotkrumen an Güte, die sie ihnen hinschmeißen, die dazu führt, dass sie sich verlieben. Die Männer schenken ihnen Aufmerksamkeit, wenn es sonst keiner tut. In Form von Stofftieren, Pralinen, Fahrten im Mondschein oder anregenden Unterhaltungen. Es ist schwierig, das Schlechte zu sehen, wenn sie auch so gute Eigenschaften haben.
Wie viele der Frauen, über die du geschrieben hast, denkst du, wurden einer Gehirnwäsche unterzogen und wie viele waren genauso böse wie ihr Partner?
Ich habe so meine Probleme mit dem Begriff Gehirnwäsche, weil er für mich Hirnlosigkeit und totale Schwäche impliziert. Das wird der Komplexität des richtigen Lebens und echter Menschen nicht gerecht. Ich glaube, dass es sehr begabte Manipulatoren gibt, die etwas tief in der manipulierten Person Schlummerndes anstoßen und dann kanalisieren können, während sie es dieser Person erlauben, ein Gefühl der Handlungsfähigkeit zu bewahren und in einigen Fällen sogar ihr Ego zu stärken. Diese Dynamik habe ich in vielen dieser Beziehungen festgestellt.

Ich glaube, dass es sehr begabte Manipulatoren gibt, die etwas tief in der manipulierten Person Schlummerndes anstoßen und dann kanalisieren können.

Ich möchte damit nicht sagen, dass die Männer keine Psychopathen waren. Aber diese klare Abgrenzung der Partnerinnen in willenlose Anhängerin und gleichgestelltem Bösewicht gibt es in den meisten Fällen einfach nicht. Viele, wenn nicht alle der Frauen, hätten die Verbrechen wahrscheinlich nicht begangen, wenn sie sich nicht auf diese Männer eingelassen hätten. Auf der anderen Seite hätten viele der Männer nicht so erfolgreiche Kriminelle werden können, wenn sie nicht hingebungsvolle Frauen hinter sich gehabt hätten, die ihn geholfen haben.
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Die schockierendste Geschichte aus dem Buch ist wahrscheinlich die von Caril Ann Fugate. Hatten die Leute denn kein Mitleid mit ihr, weil sie noch so jung war?
Caril Ann Fugate war tatsächlich erst dreizehn Jahre alt, als sie sich mit Charles Starkweather einließ. Obwohl er fünf Jahre älter war als sie, war er intellektuell sowie emotional sehr unterentwickelt. Er machte Caril einen Antrag und sie lehnte ihn ab. Kurz danach brachte er ihre Familie um und zwang sie dazu, mit ihr wegzurennen, während er auf dem Weg noch mehr Menschen umbrachte.
Wenn man sich die Beweise ansieht, ist klar, dass Caril eine unfreiwillige Komplizin war. Erst kürzlich ist ein Buch von Linda M. Battisti erschienen, dass The Twelfth Victimheißt und ihre Unschuld beweist. In den Fünfzigern, als der Fall jedoch passierte, war sie in der öffentlichen Meinung jedoch keinesfalls unschuldig. Sie war ein Mädchen, das Sex vor der Ehe hatte und in einer beschaulichen Nachbarschaft in Nebraska lebte, die gerade erst von den grausamen Morden erschüttert worden war. Als sie in den Zeugenstand gerufen wurde, empfanden sie viele Menschen als kalt und hochnäsig, dabei litt sie wahrscheinlich nur unter posttraumatischer Belastungsstörung. Sie wurde wegen Mordes ersten Grades zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt, auch wenn sie im Alter von 17 Jahren unter Auflagen wieder entlassen wurde.
Glaubst du, dass den Männern tatsächlich was an diesen Frauen lag?
Es gibt sogar Beweise, dass einige von ihnen sehr fürsorglich waren und ehrliche Gefühle gegenüber ihrer Partnerin hegten. Nehmen wir den Serienkiller David Birnie, der über 2000 Briefe mit seiner Frau Catherine Birnie austauschte, bevor sie den Kontakt zu ihm abbrach. Oder Raymond Fernandez, der sich nochmal öffentlich zu seiner Liebe für Martha Beck bekannte, bevor er hingerichtet wurde. Wenn Fürsorge jedoch bedeutet, bereit zu sein, die Bedürfnisse und das Glück eines Anderen über seine eigenen zu stellen, würden die meisten Männer diesen Test wohl nicht bestehen. Generell würden diesen Test aber wohl auch die wenigsten von uns bestehen.
The Love of a Bad Man ist bei Scribe erschienen.

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