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Warum Body Positivity einen negativen Beigeschmack hat

Foto: Eylul Aslan.
„Liebe deinen Körper“, „Du bist schön, wie du bist!“: So oder so ähnlich lauten die Sinnsprüche der Body-Positivity-Bewegung. Wer kann dem auch schon widersprechen? Das dachten sich wohl auch die großen Marken und pappen dieselben Worte munter auf ihre Produkte. Aber reicht es „Body Positivity!“ zu schreien, um wirklich Selbstliebe zu verbreiten? Oder ist es nur ein neuer Werbetrend, der eigentlich die alten Klischeebilder in neuem Marketinggewand verkauft?
Eigentlich könnte man sich freuen.
Dove, Victoria’s Secret und andere große Marken werben mit Selbstliebe. Vorbei scheint die Zeit, in der die Werbung diktiert hat, wie man auszusehen hat. Heute schreit es von den Werbebannern: Liebe dich so, wie du bist!
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Blöd nur, dass die Bilder, die neben diesen schönen Worten stehen, oft immer noch die gleichen sind, wie „damals“, als noch nicht „Body Positivity“ darüber stand. Die Models sind immer noch atemberaubend schön – und wahrscheinlich noch schöner gephotoshoppt. Ihre Gesichter entsprechen unseren gängigen Schönheitsidealen. Ihre Brüste haben die perfekte Größe. Ihre Hintern sind rund, aber nicht fett. Klar, die eine oder andere Marke lässt sich dazu herab, „realistische“ Models zu zeigen. Aber mit Models und ihrer Schönheit scheint es sich zu verhalten wie mit einem Gift: Ein bisschen tödlich ist immer noch tödlich. Und so sind diese wahnsinnig schönen Frauen auch immer noch wahnsinnig schön – trotz angeblicher „Problemzonen“. Da hat etwa ein Model „ein paar Kilo mehr“ drauf, aber immer noch ein Gesicht, um das sie Engel beneiden. Oder die junge Frau, die ihren Höcker auf der Nase als ihren größten Schönheitsmakel bezeichnet, während ihr Modelkörper perfekt zu sein scheint.

Ist der Begriff Body Positivity nur ein Verkaufsargument?

Ob nun Marken, die bloß in Worten „echte Schönheit“ feiern, oder jene Brands, die nur sehr schöne Menschen, mit winzig kleinen Abweichungen von der Norm für ihre Body-Positivity-Kampagnen nutzen: Beide Arten von Unternehmen lassen sich für ihr Engagement für die Selbstliebe feiern.
Man könnte das belächeln und sich denken, dass das alles nur ein neuer Trend ist. Nur eine neue Möglichkeit für Unternehmen, ihre Produkte an den Mann bzw. wohl eher an die Frau zu bringen. Aber das Lächeln bleibt einem sehr schnell im Halse stecken, wenn man erkennt, was diese falsche Selbstliebe eigentlich bedeutet.
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Liebe dich selbst. Aber bitte nur, wenn du dich immer noch in den Grenzen bewegst, die die Gesellschaft dir vorgibt. Und diese Grenzen sind verdammt engmaschig: Eine krumme Nase geht, aber dann solltest du doch bitte einen hammer Körper haben. Ein paar Kilo mehr sind kein Ding, aber um Gottes willen, keiner will ein Walross sehen. Oder noch krasser: Du bist schwarz? Toll. Aber bitte nur bis zu einem Milchkaffee-Hautton und mit Gesichtszügen, die immer noch europäisch aussehen. Falls du mit einer Behinderung lebst, hast du übrigens Pech gehabt: Du kommst maximal in Werbungen für „Aktion Mensch“ vor.
Foto: Eylul Aslan.
Aber sogar wenn man davon absieht, dass der Begriff Body Positivity mittlerweile zu einem Verkaufsargument für nahezu alles geworden zu sein scheint, ist der Begriff immer noch nicht ganz einfach. Klar, prinzipiell ist es jedem zu wünschen, dass er sich und seinen Körper liebt. Aber was ist zum Beispiel mit denen, die ihren Körper nicht lieben? Das müssen nicht zwangsweise Menschen mit Essstörungen oder psychischen Erkrankungen sein, die ihren Körper hassen. Vielmehr kann es doch so sein, dass man Frieden mit seinem Körper geschlossen hat, ihm einfach neutral gegenübersteht. Zwischen Selbsthass und Selbstliebe liegen immerhin noch zahlreiche Abstufungen, die sich von Mensch zu Mensch und sogar Tageszeit unterscheiden können. Plärrt dir die Werbung aber ständig entgegen, dass du dich verflucht noch mal selbst zu lieben hast, fühlst du dich gezwungenermaßen wie ein Versager, wenn du das nicht hinkriegst. Anstatt das Leben leichter zu nehmen und Druck von sich selbst und dem eigenen Körper zu nehmen, legt Body Positivity dann noch ein paar Anforderungen mehr nach.
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Was ist die Lösung? Realistischere Models? Die Verbannung des Begriffs „Body Positivity“? Wie bei allen großen Fragen: Es gibt keine schnelle und keine einfache Antwort darauf. Eigentlich gibt es nur Denkanstöße.
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Was du beim Thema „Body Positivity“ mitbedenken solltest:

Bild-Text-Schere: Wenn das nächste Mal eine Marke versucht, dir ihre Produkte unter dem Banner „Body Positivity“ anzudrehen, frag' dich, ob die Bilder zum Text passen. Könnten die Models dieselben sein wie letztes Jahr, als der Slogan noch „This is the Perfect Body“ statt „Your Body is Perfect“ war? Und selbst wenn die Models ihre Makel zeigen, frag' dich, ob es wirkliche Schönheitsfehler sind, oder nur eine gut verkäufliche Version davon.
Body Acceptance statt Body Positivity: Was gar nicht oft genug gesagt werden kann: Du musst deinen Körper nicht lieben. Akzeptanz reicht eigentlich schon aus. Akzeptiere, dass das Verhältnis zu deinem Körper nicht jeden Tag dasselbe sein muss. Es ist okay, manchmal nicht zu mögen, was man im Spiegel sieht. Gleichzeitig ist es auch absolut in Ordnung, sich selbst zu feiern, wenn man findet, dass man großartig aussieht. Sich selbst Selbstliebe vorzuschreiben baut nur Druck auf, wo eigentlich Entspannung sein sollte.
Ist Schönheit das Ziel? Die letzte Frage, die aber seltsamerweise immer unter den Tisch zu fallen scheint, ist, ob es schlussendlich überhaupt wichtig ist, sich selbst schön zu finden. Dass Kosmetik- und Modekonzerne bemüht darum sind, unsere Schönheitsideale zu prägen ist klar: Sie leben davon, uns Heilmittel gegen erfundene Schönheitsprobleme zu verkaufen. Aber warum fressen wir diese Giftköder so begierig? Warum lassen wir uns einreden, dass es das Wichtigste überhaupt ist, ob wir schön sind oder nicht. Was, wenn die Frage nicht ist: „Bin ich schön so, wie ich bin“, sondern „Muss ich schön sein?“. Das klingt erst mal nach einer tief gehenden philosophischen Diskussion. Und nach Klischees von Feministinnen, die ungewaschen sind. Aber eigentlich ist es nur die logische Folge aus existierenden, gefährlichen Schönheitsidealen und verdrehten Körperbildern.
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Produktwerbung sollte von Körpern getrennt werden

Foto: Eylul Aslan.
Wenn jedes Werbeposter dir ein Bild – ob nun unter der Überschriftder „Body Positivity“ oder nicht – aufdrücken will, nachdem du deinen Körper formen sollst, ist es nur eine kosmetische Lösung mehr Vorbilder zu verlangen. Die einzige langfristige Lösung wäre, Produkte und somit die Werbung von Körpern zu trennen. Statt uns Schönheitsideale andrehen zu lassen, sollte Produktwerbung wieder zu ihren Wurzeln zurückkehren und Funktionen bewerben. Eure Creme behauptet, mich begehrenswert zu machen? Coole Sache, aber diese andere Creme sorgt dafür, dass die Haut an meinen Beinen nie wieder trocken wird. Eure Smoothies helfen mir, den perfekten Beach Body zu bekommen? Netter Versuch, aber dieser Saft sorgt dafür, dass ich morgens ohne Magenknurren drei Meetings überstehe.
Obwohl „Body Positivity“ gerade überall zu sein scheint, ist sie kein Befreiungsschlag aus der Schönheitsindustrie. Stattdessen schnürt „Body Positivity“ Frauen oft nur in ein anderes,t einengendes Korsett, genau so wie andere Schönheitsideale davor.

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