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Wenn die kleine Krise kommt und das Leben Kopf steht: Ein Plädoyer für die Selbstverwirklichung

Wir sind Ende 20, wir haben eine nette Wohnung, einen tollen Job und einen heißen Typen an unserer Seite. Und plötzlich sind da diese Zweifel. Ich wollte doch eigentlich immer mal mit dem Rucksack durch Südamerika. Bin ich zu jung für Settlement? Und eigentlich wollte ich mich doch seit meiner Jugend als Musiker versuchen. Wenn die kleine Krise kommt, dann meist unverhofft, aber laut, stürmisch und häufig mit vielen Zweifeln und Ängsten verbunden. Was tun, wenn man plötzlich an sich und seinem Lebensentwurf zweifelt.
FOTO: KATE COX
In meinem Freundeskreis und entfernteren Bekanntenkreis gibt es eine nahezu unglaubwürdige Häufung von Menschen, die nicht nur glücklich sind, sondern auch echt ein gutes Händchen für vieles haben: Tolle Jobs, den richtigen Mann oder die richtige Frau an ihrer Seite, das vierblättrige Kleeblatt quasi ständig in der Hosentasche – was sie beginnen, gelingt ihnen. Ich war nie richtig neidisch auf diese Menschen, aber manchmal habe ich mich gefragt: Wie kann das sein? Wir kennen uns zum Teil schon aus Schulzeiten und es ist für mich immer wieder auffällig, wie viele Personen in diesem Dunstkreis ein so prädestiniertes Leben führen, dass andere vor Neid erblassen. Eine dieser Personen ist Editha*. Wir kennen uns nicht so gut, wie ich andere aus eben diesem Kreis kenne, aber wir gehen ab und zu einen Wein zusammen trinken, quatschen, treffen uns auf Openings und Partys. Edithas Leben ist das Ideal, was sich so manch eine Frau wünscht. Als Modedesignerin eines großen, überregional bekannten Modehauses hat sie einen sie fordernden, gut bezahlten und abwechslungsreichen Job; ihre Altbauwohnung im angesagtesten Viertel der Stadt ist ein Traum, wie man ihn sonst nur auf Pinterest findet, und in diesem Traum von Apartment setzt sie sich jeden Abend zu einem echten Fullpackage an den Tisch. Adrian ist Unternehmensberater, der jeden Monat ein stolzes Sümmchen überwiesen bekommt, aussieht wie ein blonder Surferboy, den man in den perfekten Anzug gesteckt hat, und noch dazu himmelt er sie an wie kein Zweiter. Er schickt Blumen ins Büro, entführt sie gern mal für ein Wochenende in eine tolle Stadt in Europa und wenn ihre Mutter krank ist, nimmt er sich frei, um Editha den Rücken freizuhalten: Kurzum ist ihr Leben also ein wahrgewordener Traum. Jetzt, mit Ende 20, reden plötzlich alle von Hochzeit und Kindern und auch bei den beiden sah ich genau das zeitnah passieren. Zumindest war ich mir bis vor ein paar Monaten mehr als sicher. Bis Editha und ich uns auf einen kühlen Grauburgunder in unserem Stammrestaurant trafen. Erst platzte sie ein bisschen wie ein aufgeregter Teenager heraus damit, dass sie einen neuen Plan habe, um eine halbe Stunde später mit Tränen in den Augen zu fragen, wie das denn sein könne, sie sei doch glücklich und habe doch alles. Kurzform: Ihr Job sei toll, aber eigentlich wollte sie immer mit dem Rucksack durch Südamerika. Adrian sei ein Traum, aber vielleicht zum falschen Zeitpunkt in ihr Leben getreten – und die Wohnung? Ja, wunderschön, aber eigentlich wollte sie ihre Heimatstadt immer mal hinter sich lassen und vielleicht sogar in einer WG wohnen. Ich war überrascht – aber nicht unbedingt negativ. Bei all der Perfektion hatte ich immer den Eindruck, da fehlt doch was. Vielleicht auch der Punkt, dass mal etwas nicht ideal läuft, einfach damit man daran wachsen kann. Adrian war am Boden zerstört, Edithas Eltern entsetzt und viele unserer Freunde sahen sie mit offenen Augen in ihr Unglück rennen, den Mann ihres Lebens verlieren und ihre Zukunft aufs Spiel setzen. Ich konnte all diese Zweifel verstehen, sah aber auch das erste Mal echte Emotionen bei Miss Perfect.
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Und sind wir ehrlich, ich war nicht so überrascht, weil es nicht die erste Frau in meinem Dunstkreis war, die plötzlich auf den letzten Metern der Zielgeraden zum von der Gesellschaft vorgesehenen Goal für Frauen um die 30 links oder rechts abbog und allen Stimmen zum Trotz ein anderes Ziel, Tempo und einen anderen Traum wählte. Immer öfter hört man in unserem Alter vom Petra-Pan-Konzept. Dem Wunsch eben nicht erwachsen zu werden, weil die Gesellschaft, die Norm, das Umfeld es erwartet. Wer all den Konventionen, die die Gesellschaft an Frauen um die 30 stellt, entsprechen will, bitte. Wer jedoch ein Leben leben will, fernab von „das gehört sich so“, „du bist aber doch schon 30“ und „wie sieht es denn mit Kinder/Hochzeit/sich niederlassen aus“, sollte die Chance ergreifen.
Der Vergleich zu Peter Pan – oder in diesem Fall Petra Pan – hinkt. Nur weil wir nicht mit 30 den Beruf aufgeben wollen, um treusorgende Mutter zu werden, oder statt für einen soliden 9-to-5-Job uns auch mit Ende 20 noch für die Selbstständigkeit entscheiden oder aber merken, der Traummann ist toll, aber war vielleicht eher Mr.Right Now als Mr. Right, heißt das nicht, dass wir uns scheuen Verantwortung zu übernehmen oder uns in die wohlig-warme Kuhle der Geborgenheit und Kindheit zurückziehen wollen. Es heißt vielleicht einfach, dass wir unser Leben noch mal überdacht haben – und ja, vielleicht auch unter dem Druck der Außenwelt, die Dinge fordert, für die wir uns nicht bereit fühlen und vielleicht auch nie fühlen werden.
Eltern vermuten bei solchen Handlungen, Entscheidungen und alternativen Wegen häufig Torschlusspanik und ganz davon freisprechen können wir uns sicher nicht. Frauen unterliegen nun mal der rigorosen biologischen Uhr, die uns zumindest vorbestimmt, ob und wann wir Kinder in die Welt setzen. Torschlusspanik aber klingt so negativ. Vielleicht ist die Schwelle zur 30 und der nachfolgenden 40 auch einfach Auslöser und noch einmal hinzusetzen, einen Rückblick zu wagen und in uns zu gehen. Was wollten wir immer erreichen? Was davon ist realistisch gesehen auch heute noch unser Wunsch? Bereuen wir? Das eigene Glück sollte über den Wünschen und Erwartungen des Umfelds stehen und unser höchstes Gut sein. Es mag sein, dass Menschen wie Editha dadurch jemanden verletzten und wiederum andere enttäuschen. Das tut weh und leid, dient es jedoch der Selbstverwirklichung und der Möglichkeit, irgendwann auf das eigene Leben zurück zu blicken und zu wissen: So und nicht anders. Das ist mein Leben und es hat mich glücklich gemacht – dann muss es wohl sein.
Wenn die kleine Krise kommt, dann meist unverhofft, aber laut, stürmisch und häufig mit vielen Zweifeln und Ängsten verbunden. Ich bin kein Fan von unüberlegten Entscheidungen, bin Kopfmensch durch und durch. Aber manchmal ist so ein Bauchgefühl eben das, was wir brauchen, um (überlegt und nach genügend Hinterfragen) alte Pläne über den Haufen zu werfen. Es gibt tausende kluge und weniger kluge Sprüche zu diesem Thema. Weisheiten, die als grausame Wandtattoos Wohnungen in Kleinstädten schmücken, solche, die auf vintage-artige Holzbretter oder Tafeln geschrieben werden, um dem Zuhause den gewünschten Look zu geben und wiederum welche, die auf Pinnwände in sozialen Medien geschrieben werden. Und es gibt solche, die einfach wahr sind, egal ob kitschig, abgenutzt und tausendfach gehört. Einer davon ist dieser: Du hast nur ein Leben. Er ist wahr und gut. Und tut manchmal fast ein bisschen weh. Genauso wie dieser hier: Auch dies geht vorbei. Der tut vielleicht noch ein bisschen mehr weh, ist aber ebenso wahr. Und sagt uns, wenn du dir sicher bist, dass dein ursprünglicher Lebensentwurf nicht der Richtige ist, weh tut und dir Angst macht oder viel schlimmer noch, gar nicht dein eigener ist, lass ihn los. Das Leben ist zu kurz, um unglücklich zu sein, denn es geht vorbei. Geh raus und tu es. Das was dir das meiste Glück verspricht, für alles andere ist deine Zeit zu wertvoll – und du bist es allemal.

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