Heiraten ist doch irgendwie der Knaller, das dachte ich zumindest, ziemlich lange sogar. Bis sich eine meiner besten Freundinnen verlobte. Nach dem Antrag bin ich ihr um den Hals gefallen, habe den Klunker bestaunt und gab ihr High Five für ihren Kerl und all die Männerkatastrophen, die sie jetzt hinter sich lassen würde. Kurz danach wurde sie allerdings zur Bridezilla – und zwar binnen weniger Tage. Die Hochzeit ist zwar erst in anderthalb Jahren (just saying!), aber Gästeliste, Location, Band, Kleid und Trauringe waren schon innerhalb der ersten beiden Wochen nach der Verlobung beschlossene Sache, auch ein Link zur Hochzeitswebsite mit Countdown zum Tag der Tage wurde bereits herumgeschickt.
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Vielleicht bin ich ja naiv oder zu simpel gestrickt, aber ich habe mir die ganze Zeit überlegt, was man außer den genannten Stichpunkten eigentlich noch alles organisieren kann. Doch dann kamen die Überlegungen zum Look der Brautjungfernkleider (und gleichzeitig der Reminder an uns, dass niemand die Braut in den Schatten stellen darf), zur Auswahl des richtigen BHs und der besten Diät, was mich geradewegs zu dem Gedanken brachte: „Scheiße, was geht eigentlich bei ihr gerade ab?” Kein Anruf, kein Treffen, keine Nachricht ohne nicht einmal das Thema anzuschneiden, ach was, es zum alles verschlingendem Monster zu machen. Dass ich über Ärger im Job oder nur über das Staffelfinale unserer Lieblingsserie quatschen wollte, interessiert sie seither nicht mehr. Viel spannender sind die mittlerweile 26 angelegten Pinterest-Boards zu Hochsteckfrisuren, dem Arrangement der Tischblumen, der Deko der Kirche, der Farbe der Fliege des Bräutigams, Ideen für Gastgeschenke, anschließende Flitterwochen – nicht zu vergessen die Pins über mögliche Posen für das Brautpaar-Shooting – #ichdiebraut.
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DASS ICH ÜBER ÄRGER IM JOB ODER NUR ÜBER DAS STAFFELFINALE UNSERER GEMEINSAMEN LIEBLINGSSERIE QUATSCHEN WOLLTE, INTERESSIERT SIE SEIT DER VERLOBUNG NICHT MEHR.
Melanie Siebert
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Was macht man mit so einer Freundin? Das Thema zu wechseln, klappt einfach nicht, sie zum Relaxen zu animieren, war bislang auch vergebene Liebesmüh – wie unentspannt die Hochzeit mit dieser Bridezilla wird, darüber will ich gar nicht nachdenken. Aber kann man seiner Freundin die Freundschaft kündigen, zumindest kurzfristig für die Phase der Hochzeitsvorbereitung? Ich denke gerade ernsthaft darüber nach. Mit jedem abgenommenen Kilo ihrerseits nimmt meine Aggression proportional zu. Nicht, weil ich es ihr nicht gönne, sondern weil ich nicht 24/7 über Menüvorschläge, möglichen glowy Primer und den Geschmack der Hochzeitstorte informiert werden möchte. Und das alles noch über 19 Monate lang! Ich hatte deswegen übrigens schon Beef mit meinen Freund, weil all diese Infos, die ich tagtäglich aufnehmen muss, einen Kanal nach außen brauchen. Allerdings war er von mir und meinem Stressabbau zwischenzeitlich schon so genervt, wie ich von Bridezilla. Ist es das wert? Wird es danach vielleicht noch schlimmer, wenn irgendwann Kinder da sind und über Whatsapp täglich die Farbe der Babysocken eruiert wird? Eigentlich ist eine Hochzeit doch ein Fest der Liebe, in mir brodelt gerade aber etwas ganz anderes.
Noch denke ich: In der Ruhe liegt die Kraft fürs eigene Seelenheil. Das Gute an Bridezilla ist immerhin, dass ich jetzt schon genau weiß, wie meine Hochzeit irgendwann einmal nicht werden soll – und dass sie genau deswegen ein ziemlicher Knaller wird!