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So beherrschte die Angst vor einem Säureangriff mein Leben

Anna Jay
Ein Angriff mit Säure ist eines der schlimmsten Verbrechen, das man begehen kann. Dafür sollten die Täter im Höchstmaß bestraft werden und ebenso sollte es ein Verbot dafür geben, dass Säure für jeden einfach so zugänglich ist. Die Opfer eines Säureangriffs leiden nicht nur unter schlimmsten körperliche Qualen, sondern tragen weitaus größere seelische Verletzungen davon. Auch für Freunde und Angehörige, die mit dem Opfer leiden, ist das eine Geschichte voller Leid und Elend. Für ein junges Leben einfach unvorstellbar! Einige der Opfer können nicht mehr sehen, und viele erliegen ihren Verletzungen – ein Angriff mit Säure ist eines der wirklich abscheulichsten Verbrechen überhaupt.
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Ständig mit der Angst zu leben, dass man solch einem Angriff zum Opfer fallen kann, gleicht einem Leben auf Messers Schneide. Dieses Messer hängt über dir wie ein Schwert und droht jeden Tag hinunterzufallen und deine Seele zu verletzen, egal wohin du gehst. Ich habe solch ein Leben voller Angst hinter mir, mit einem zerstörten Selbstvertrauen, da die Angst vor einem Säureangriff meinen Kopf beherrschte.

Es gab Tage, an denen ich mir vorstellte, mein Gesicht gleiche einer verätzten, entstellten Pflanze

Das Leben als Teenager in einer kleinen Stadt war demnach nicht einfach, denn als meine Eltern mich zum ersten Mal vor solch einem unvorhersehbaren und grundlosen Angriff mit Säure warnten, setzte sich diese Angstpsychose in mir fest. Diese ganzen Geschichten von Eifersucht, abgewiesenen Verehrern oder abgelehnten Anträgen waren einfach nur beängstigend!
Meine Schule war ganz in der Nähe meines Zuhauses, die beste Klosterschule der Stadt. Den Weg zur Schule ging ich mit meinen Freunden, die mich jeden Tag abholten. Und seitdem hatte ich diese Panik vor einem Säureangriff, immer! Diese Angst fing an, in mir wie offenes Feuer zu lodern. Es gab Tage, an denen ich mir vorstellte, mein Gesicht gleiche einer verätzten, entstellten Pflanze. Diese Furcht verfolgte mich als Teenager während der Schulzeit, nachdem ich zum ersten Mal von Säureangriffen durch zurückgewiesene Liebhaber als Racheakt erfuhr. Und aus Vorsicht habe ich einfach jedem misstraut, der mir folgte oder von dem ich glaubte, er würde mich verfolgen. Was ich in diesem Prozess nicht realisierte, war, dass ich eine innere Angst hatte, die sich nie bewahrheitete. Meine Eltern hatten extra zwei Leute beauftragt, die mich als Aufpasser zur Schule begleiteten. Anfangs ging ich den Schulweg noch zu Fuß, doch nach und nach wurde meine Freiheit eingeschränkt und der Fußweg zur Schule erschien mir wie ein ferner Traum, da ich ja das kurze Stück bis zum Schulgebäude mit dem Auto gefahren wurde.
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Und ich war nicht die einzige, die mit dieser Angst lebte. Viele Freunde von mir sprachen über die Folgen solch eines Verbrechens, und auch sie versuchten Situationen zu vermeiden, die zu eben solchen Konsequenzen führen könnten. Der Gedanke an einen Säureangriff löst immer noch Ängste in mir aus, da Säuren heutzutage überall und absolut kostengünstig erhältlich sind. Meine Schulzeit liegt nun schon 20 Jahre zurück, aber was sich seitdem definitiv geändert hat, das ist wohl die Tatsache, dass es zunehmend mehr Opfer von Säureangriffen gibt, die möglicherweise hätten verhindert werden können.

Angst ist ein Gedanke, der sich möglicherweise nach und nach verflüchtigt, ein verätztes Gesicht jedoch erinnert unaufhörlich daran, was heute verhindert werden kann

Heute habe ich einige dieser Opfer kennengelernt. Starke junge Frauen, die mir die Augen geöffnet und mir gezeigt haben, dass das Leben weitaus mehr bedeutet als „nur“ dieser Säureangriff! In jeder Situation wieder aufzustehen, der Wahrheit ins Gesicht zu schauen und einen Weg heraus zu finden, heraus aus diesem schlimmen Erlebnis. Ich selber erzählte hier bislang nur von meiner Angst vor einem Angriff, doch wie ist bloß das Leben eines tatsächlichen Opfers, das einen Angriff mit Säure erfahren hat? Nun, alle diese jungen Frauen, die ich kennenlernen durfte, hatten ein Lächeln im Gesicht, das gleiche Selbstvertrauen und eine große Portion Mut und den Willen zur Unabhängigkeit. Ungeachtet dessen, was ihnen im Leben widerfahren ist, schauen sie entschlossen nach vorne und stellen sich dem Leben, das sie in vollen Zügen genießen wollen. Angst ist ein Gedanke, der sich möglicherweise nach und nach verflüchtigt, ein verätztes Gesicht jedoch erinnert unaufhörlich daran, was heute verhindert werden kann – für eine bessere Zukunft von morgen. Ein Angriff mit Säure ist eine heimtückische Tat ohne Gleichen, die einfach jeden treffen kann. Ich bin ganz klar der Meinung, dass dieser böswillige Gedanke dringend aus den Köpfen muss, und das kann nur geschehen, wenn das Bewusstsein geschärft wird und eine richtige Aufklärung und Erziehung der jungen Menschen stattfindet.
Jaya Prasad ist die Geschäftsführerin von Serviceplan India. Sie kämpft für mehr Aufmerksamkeit und Hilfe für das Thema. Jedes Jahr werden tausende Frauen Opfer von Säureangriffen und Verbrennungen. Der Großteil der Opfer kommt aus Indien, Pakistan, Uganda, Nepal, Bangladesch und Kambodscha. Allein in Indien werden schätzungsweise 1.000 Frauen pro Jahr mit Säure angegriffen.

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