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Freitags kommt Frau P. – Warum wir dem Leben vertrauen müssen

Hier gibt’s jede Woche Highlife in Tüten. Wer ist Frau P.? Die Berliner Autorin treibt es gern bunt, bekennt immer F­arbe und wird (was sie selbst ärgert) immer noch rot. Sie ist laut, ihr Rostkehlchen-Lachen (lieblich ist anders…) unüberhörbar. Sie hasst Langeweile, Ja-Sager und Männer ohne Eier. Dafür liebt sie Rührei mit Speck. Die besten Geschichten liegen auf der Straße. Alte Reporter-Weisheit. Und da lag sie – in Form einer großen Lederumhängetasche. Gerade von der Wiesn zurück, radelte ich durch meine Stadt, um eine extragroße Dosis Berliner Luft zu schnappen. Beseelt von meinen Reisen und glücklich, wieder Zuhause zu sein, bretterte ich auf meinem Hollandrad die Tucholskystraße hinunter. Mit wehendem Mantel und laut (und wie immer schief) lustige Lieder singend. Mein Blick fiel auf das unübersehbare Teil, aber ich trat weiter in die Pedalen. Erst nach 200 Metern an der Kreuzung zur Oranienburger Straße hielt ich an. Nicht weil meine Bremsen nachgezogen werden müssen, sondern weil irgendwas in mir sagte: „Stell dir mal vor, es wäre deine Tasche… und du hättest sie verloren, weil du mal wieder einen ordentlichen Zahn drauf hattest. So wie es dir schon mit deiner Jacke von Paul’s Boutique aus London auf dem Weg zum Springer-Verlag passiert war…“ Das gute Stück fand ich nie wieder. Und es fand auch nicht zu mir zurück. Es bleibt nur die Erinnerung, verewigt auf Interviewfotos – damals gab es das Wort Selfies noch nicht! – mit Justin Timberlake und Paris Hilton. Was habe ich mich damals geärgert, über meine Unachtsamkeit, über mein mal wieder zu schnelles Tempo… Ganz genau so musste es bestimmt in diesem Moment dem Besitzer der Tasche gehen. Ich drehte vor Aufregung am Rad – und ratzfatz wieder in die andere Richtung. Sechs andere, so zählte ich, radelten an dem Teil vorbei, während ich zielsicher drauf zu steuerte… Ich fuhr den Ständer aus (Nein, die Kolumne kommt an dieser Stelle nicht zum Höhepunkt) und packte das gute Stück… in meinen Fahrradkorb. Ich fischte einen Reiseführer raus, las das Wort Fietsen. Ha, das holländische Wort für Fahrrad! Kombiniere: also ein Holländer, der gern Rad fährt! Mit meinem Scharfsinn hätte ich vielleicht Ermittlerin werden sollen? Dabei schoss mir Justus Jonas, der Held meiner Kindheit, in den Kopf. Wie der Oberschlaumeier in der ersten „Die drei ???“-Folge sich blitzschnell und blitzgescheit zusammenreimte: „Lucius et Licinius et Lucullus… L ist die römische Zahl für 50… Baker Street 150!“ Ja, klar, ganz logisch! Noch heute haben meine Freundin Gesa und ich den größten Spaß daran, aus „Der Superpapagei“ zu zitieren. Und werden dabei öfter mal als schräge Vögel abgetan. Aber gut, Detektiv Peemöller schweift ab. Was war noch in der Tasche? Eine Berlin-Karte, die Hackeschen Höfe waren mit einem Kugelschreiber eingekreist. Kombiniere: Er (oder sie?) muss in der Gegend wohnen. Zwei Snickers, ein Ladegerät fürs iPad, ausgedruckte Emails, zwei Krimis, ein iPad… Passbilder (also ein Mann) und seine Papiere (Reise- und Impfpass). Henk. Leider nicht Hank. Klar, dass ich sofort an Hank Moody aus „Californication“ denken musste, dann eben Henk Moody in der Oranje-Version mit mir als „lekker meisje“ in der Hauptrolle. Da war es wieder, das Kopfkino. Ich kann da einfach nichts gegen machen, ich drehe ganz schnell und ganz oft meinen ganz eigenen Film. Die Frage war nur: Würde es ein Drama oder eine Komödie werden? Ich fand ziemlich schnell seine Email-Adresse und Handynummer raus. Natürlich könnte ich jetzt so tun, als wäre es stundenlange Recherche gewesen, aber die Wahrheit ist, dass das iPad keine PIN hatte und in seinen Mails schnell seine Kontaktdaten zu finden waren… Schnell die Auslandsvorwahl für die Niederlande gegoogelt – und fertig war die Laube! Ich sprach Henk Moody auf die Mailbox. Nur zwei Minuten später rief er zurück. Seine Stimme war so erwartungs- und gleichzeitig hoffnungsvoll. Das machte mich richtig glücklich, ihm jetzt die gute Nachricht zu übermitteln. Der Holländer flog mir fast vor Freude durchs Telefon. Wir machten einen Treffpunkt am Hackeschen Markt aus, wo er mich auf ein Glas Wein einladen wollte. Es wurden einige mehr, wir stießen gefühlt 100mal auf die glücklichen Umstände an.
Wir sprachen darüber, dass man lernen muss, dem Leben zu vertrauen. Egal, wie oft man vielleicht schon enttäuscht worden ist. „Man sollte immer an das Gute glauben, in neun von zehn Fällen hat man Glück“, sagte Henk, der in Tel Aviv schon mal einer Studentin in Not mit Geld ausgeholfen hatte. Sie hatte es ihm drei Monate später auf ihrer Reise nach Amsterdam zurückgegeben. Und ich bin sicher, dass ich durch meine Tat auch wieder Glück haben werde, dass ich etwas zurückbekomme, sollte ich mal wieder etwas verlieren. Frei nach dem Motto „What goes around comes around“ oder wie die Fantastischen Vier mal so schön gesungen haben: „Wir ernten, was wir säen“. Zum Abschluss fragte ich ihn, ob er denn nicht nachsehen wolle, dass auch noch alles in seiner Tasche sei. „Nein, das muss ich nicht“, sagte er dankbar. Dann hätte er aber vielleicht bemerkt, dass ich ihm ein (von zwei) Snickers stibitzt hatte. Bei meiner Recherchearbeit brauchte ich einfach etwas Nervennahrung…

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