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Freitags kommt Frau P. – keine Manieren, oder was?

FOTO: Philip Nu00fcrnberger
Hier gibt’s jede Woche Highlife in Tüten. Wer ist Frau P.? Die Berliner Autorin treibt es gern bunt, bekennt immer F­arbe und wird (was sie selbst ärgert) immer noch rot. Sie ist laut, ihr Rostkehlchen-Lachen (lieblich ist anders…) unüberhörbar. Sie hasst Langeweile, Ja-Sager und Männer ohne Eier. Dafür liebt sie Rührei mit Speck. „Turnschuh oder Lackschuh?“ – was auf den ersten Blick wie eine oberflächliche Frage beim Shopping klingen mag, ist vielmehr eine tiefgehende Frage der Lebenseinstellung. Wer sich stillos daneben benimmt, ist eben ein Turnschuh, bei dem anderen ist – wegen seiner vorbildlichen Etikette – sprichwörtlich alles im Lack. Der oben genannte Spruch kommt von meinem geliebten Opa Hermann, der immer alles schnell einzuordnen wusste und kurz und knapp auf den Punkt brachte. Und sowas vergisst man nicht so schnell – genau wie einige Fehltritte von, na, eben Turnschuhen… Erst letzte Woche hat mich eins dieser Exemplare echt aus den Latschen gehauen: So erzählte mir meine Freundin Julia, dass sie in München auf den Geburtstag ihres langjährigen Freundes eingeladen war und dessen Frau extra einen riesengroßen Blumenstrauß mitgebracht hatte. Als nette Geste. Anstandslos hatte die den aber einfach in die Ecke des Sofas gedonnert. Und dort bis zum Ende der Party liegengelassen… Man muss es nicht durch die Blume sagen: Da hatten die Hortensien mehr Sti(e)l als die Dame des Hauses! Auf derselben Party geschah es dann auch, dass meiner Freundin zur Begrüßung ziemlich herzlich der Po betatscht wurde. Als sie schreckhaft zurückwich, sagte der Herr dann auch noch dreist: „Sorry, dass ich dir an deinen Hintern gegangen bin, aber ich habe mich so gefreut, dich wiederzusehen!“ Das sah die nur zwei Meter weiter stehende Ehefrau gar nicht gern, weshalb diese ihren Grauburgunder auf dem weißen Unschuldshemd der Besagten auskippte. Na, dann Prost… Vielleicht kam der Mann aus der Po-Ebene, nach dem Motto: andere Länder, andere Sitten… Jedenfalls schien ihm die Etikette wohl am Arsch vorbeizugehen. Wo ich herkomme, gibt man sich zur Begrüßung ganz einfach die Hand – meistens mit dem Satz „Ich sach’ ma Tach, ’ne!“. Das bedeutet, wenn man auf’m Dörbn (norddeutscher Slang für Dorf) als letzter Gast auf einen Geburtstag (wahlweise eine Hochzeit oder Taufe) eintrudelt, dass man rumgehen muss, von Tisch zu Tisch, um den Gästen die Hand zu schütteln. Gelernt ist eben gelernt. Genauso lief das bei uns Zuhause in Schleswig-Holstein ab, wenn „die gute Stube“ – das sagte man wirklich so – mal wieder voll war: „Ilka, sach’ schön Tach!“– ich habe es wirklich gehasst, da ich als kleines Mädchen (noch) extrem schüchtern war. Ich mochte es ganz einfach nicht, wenn mir fast alle an meinem „Ach so süßen“-Kleidchen und den „Ach so dicken“-Zöpfen (dekoriert mit extragroßen roten Schleifchen) zogen, das Mama selbst gestrickt hatte. Was ich auch nicht mochte, weil es so fürchterlich kratzte. Das Handgeben inklusive Gezuppel wurde aber wenigstens süß belohnt: Die Tanten hatten immer Schokolade mit einem in der Mitte der Tafel draufgeklebten „Heiermann“ in ihren dunkelbraunen Handtaschen. So nannte man vorm Euro bei uns im Norden das Fünf-Mark-Stück. Die eher etwas knickerigen (= geizigen) Damen drückten meinem Bruder und mir nur ein Zwei-Mark-Stück in die Hand. Oder Björn einen Heiermann, mir als kleiner Schwester nur den kleinen Taler. Sollte es gelegentlich auch geben, gar nicht die feine Art… Da bei uns oft Action unterm (Bauernhof-)Dach war, hatten wir beide in unseren Zimmern schnell prall gefüllte Naschschränke und Sparschweine. Eine ganz schöne Sauerei kann es auch mal bei der Fütterung geben. Nicht im Stall, sondern im Restaurant. Am Tresen statt Trog. Ich werde nie vergessen, wie meine damalige Mitvolontärin erzählte, wie sie ihr Dinner-Date abgeblasen hat. Nein, jetzt werden hier keine Schweinereien aufgetischt… Das ging wohl auf keine Kuhhaut, wie Frank – mit Ellenbogen auf dem Tisch und zudem fies schlürfend – seine Suppe auslöffelte. „Der hatte echt keine Manieren, NOCD“, habe ich sie noch heute im Ohr. NOCD? „Not our class, darling!“ Sie war einfach immer schon extrem classy, selbst zum Sofa-Mädels-Grandprix-Fernsehabend mit Pizza und Prosecco stand sie mit Fönwelle und akkurat gezogenem Lidstrich vor meiner Haustür in Hamburg-Winterhude. Eine Klasse für sich eben! Wer nun glaubt, dass Menschen aus reichem Hause automatisch in Hinsicht auf Manieren reich beschenkt wurden, der liegt falsch. Da kommt mir ein in unserer Heimat sehr bekannten Bäcker (der liebe Gott hab ihn selig) in den Sinn, der sich auf der Konfirmation meines kleinen Bruders Thore immer wieder schön ein paar Eiswürfel in sein Glas Rotwein tat. „Der ist mir sonst einfach zu warm“, sagte er. Selbstredend. Das hatte etwas von unseren Teenager-Trinkspielen mit Rotwein-Cola (in Fach-Kreisen auch „Kalte Muschi“ genannt). Das war zwar beides sicher nicht manierlich, aber wenigstens ehrlich. Und authentisch. Manche glauben allerdings immer noch, dass das Wort Etikette aus der Mode gekommen sei. Aber ich rate Euch: Schmückt euch mit Benimmregeln! Das bedeutet nun nicht, dass ihr den Knigge auswendig lernen und befolgen müsst. Ich finde, es gehört vor allem zum guten Ton, dass man sich bedankt. Ob für kleine oder große Aufmerksamkeiten, vor allem aber für Taten, die nicht selbstverständlich sind. Das gehört zur Wertschätzung und feinen Art dazu. DANKE!

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