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Fast-Fashion-Marken klauen Designs von Häkel-Künstler:innen

Häkelklamotten sind in den letzten paar Jahren zum absoluten Trend geworden – auch dank Corona und unseres dadurch gesteigerten Interesses an künstlerischen Handarbeits-Hobbys. Wie auch viele andere Trends der 70er sind daher auch Häkel-Pieces auf den Luxus-Catwalks und in den Fast-Fashion-Shops momentan oft zu sehen. Dabei ist gerade Letzteres überraschend. Wer schon mal selbst gehäkelt hat, weiß nämlich: Fast Fashion und Häkelware passen gar nicht zusammen – denn eine Maschine kann nicht häkeln
Maschinen sind (noch) nicht dazu imstande, die diagonalen Muster zu kreieren, die das Häkeln ausmachen. Die großen Fast-Fashion-Labels, die Häkeltops, -taschen, -hüte und Co. verkaufen, erstellen daher entweder Fake-Häkelstoffe, der von Maschinen gewoben und genäht wird – oder zahlen den Arbeiter:innen viel zu wenig, die diese Stücke von Hand häkeln.
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Die Unterbezahlung von Arbeitskräften in der Fast-Fashion-Industrie ist leider nichts Neues. In diesem Fall kommt dazu aber noch der Diebstahl der Designs unabhängiger Häkel-Künstler:innen, die daran keinen Cent verdienen. 
Die 24-jährige Evvia kennt das inzwischen. Sie arbeitet als Pflegekraft und verdient sich mit ihrer Häkelkunst etwas dazu, die sie auf ihrem Instagram-Account @loupystudio präsentiert. Evvia erstellt handgehäkelte Stücke aus fehlerhaften, unverkäuflichen Stoffen, die sie zum Beispiel aus Secondhand-Läden und via eBay bekommt. Ihre Kunstwerke sind farbenfroh, individuell geformt und absolut einzigartig. Ihre Follower lieben ihre Kunst, und ihre Instagram-Posts werden oft auch Leuten in den Discover-Feed gespült, die mit Häkeln sonst nichts zu tun haben.
Und genau so kommt es dazu, dass ihre Designs gestohlen werden.
Wir haben mit Evvia darüber gesprochen, wie der Großhandel den Häkel-Trend für sich ausnutzt, wie das die Branche beeinflusst und was wir tun können, um dagegen anzugehen.
„Seitdem das Häkeln im letzten Jahr zum ‚Trend‘ wurde, taucht Häkelware in so vielen Fast-Fashion-Shops auf. Das fühlt sich komisch an – vor allem, wenn das Designs sind, die bei und anderen Künstler:innen geklaut wurden. Ich glaube, so viele Leute haben das Hobby für sich entdeckt und wissen inzwischen, wie viel Mühe und Zeit in jedes dieser Stücke fließt. Manchmal schaust du dir ein Kleidungsstück an und weißt dann sofort, dass die Person, die das gehäkelt hat, monatelang dafür üben und mehrere Stunden in die Herstellung investieren musste.
„Wenn du ein Kleidungsstück siehst, von dem du vermutest, dass es maschinell hergestellt wurde, gerät die Arbeitskraft dahinter ein bisschen in Vergessenheit. Sofern du dich nicht gerade sehr gut mit Maschinen-Strickerei auskennst, weißt du zum Beispiel gar nicht, wie lange ein maschinell gestricktes Piece in der Herstellung braucht. Wenn es aber von Hand gestrickt ist, kannst du dir das schon vorstellen. Und dann siehst du, für welchen Preis das verkauft wird! Ich erinnere mich noch an diese wunderschönen, detaillierten Häkel-Klamotten, für die ich selbst nie die Geduld hätte, die letzten Sommer plötzlich bei Zara auftauchten. Das war echt ein Schock! Ich häkle ziemlich schnell und übe es schon seit einer ganzen Weile – und selbst ich hätte dafür einen kompletten Arbeitstag gebraucht. Diese Pieces hatten lauter kleine, filigrane Muster. Das machte mir einige große Probleme mit der Branche bewusst, und ich glaube, dass die Leute [die Auswirkungen von Fast Fashion] inzwischen auch in einem emotionalen Kontext begreifen – nicht nur aus moralischer Sicht.
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„Meine Designs werden schon seit einiger Zeit von Fast-Fashion-Brands geklaut. Meinen Instagram-Account gibt es seit dem Sommer 2021, und kaum hatten es ein paar meiner Posts auf die Explore-Page geschafft, bekam ich ein paar Wochen später Nachrichten von Leuten, die mir Fotos von kleinen Brands schickten, die meine Fotos benutzten. Sie hatten einfach ihr Wasserzeichen raufgehauen und verkauften ihre eigene Version meiner Klamotten. Das erste Piece, was geklaut wurde, war das braune Quadrat-Top. Davon tauchen seit Monaten überall verschiedene Kopien auf. Das tat echt weh.
„Das Design ist nicht völlig neu: Jean Paul Gaultier hatte etwas Ähnliches schon in den 90ern, und auch Isa Boulder verkauft viele Häkel-Designs. Ich habe mich von beidem inspirieren lassen; mein Top war also definitiv nicht superoriginell, aber die Tatsache, dass diese großen Brands ein Häkel-Piece verkaufen, das meinem in jedem Detail gleicht, tut extrem weh. Das Garn, das ich für dieses Top benutzt habe, war Secondhand-Acryl-Mohair. Diesen Stoff werde ich nie wieder finden können – also kann ich das Top niemals neu häkeln.
„Gleichzeitig war das ein Top, was ich niemals verkauft hätte, weil ich es für meinen Körper und meine Figur entworfen habe. Obwohl sich so viele Leute das Top wünschten, wusste ich, dass ich es einfach nicht für alle Körpertypen würde designen können. Es machte mich total unsicher, nicht inklusiv sein zu können – das tat mir extrem leid. Und es tat deswegen umso mehr, dass einer meiner ersten erfolgreichen Posts mit einem Top, über das ich mir so sehr den Kopf zerbrochen hatte und das ich schweren Herzens bewusst nicht verkaufen wollte, plötzlich überall auftauchte. Das ist echt entmutigend.
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„Noch schlimmer war aber, dass ich einer Firma eine Nachricht schrieb, die mein Foto benutzt hatte. Die entfernte den Post und das Produkt sofort aus dem Sortiment – aber weil ich mir nicht vorstellen kann, dass diese Pieces nur auf Bestellung gefertigt werden, vermute ich, dass davon jetzt einfach ganz viele irgendwo rumliegen. Die werden nicht mehr verkauft, und die Leute, die sie gehäkelt haben, bekommen für ihre Arbeit vielleicht kein Geld. Für all sowas gibt es keine Lösung. 
„Bei Pinterest ist es besonders schlimm. Ich bekomme rund eine DM pro Woche, in der mir jemand schreibt, irgendeine neue Firma würde meine Fotos mit meinem Gesicht, aber ihrem Wasserzeichen auf Pinterest verwenden. Ich bitte dann immer um die Entfernung des Fotos, und das machen sie auch – nur um es dann kurz darauf neu zu posten. Scheinbar kann Pinterest dagegen auch nichts unternehmen. Und als kleine:r Creator hast du einfach weder die Zeit noch die Energie, um gegen jeden dieser Copyright-Verstöße vorzugehen. Du hast irgendwann das Gefühl, in diesen komplizierten, ausbeuterischen Teufelskreis reingezogen worden zu sein, gegen den du irgendwas unternehmen musst. Aber was?
„Deswegen ist es so wichtig, kleine Creators zu unterstützen, wenn du kannst. Sowas lässt sich nur sehr schwer stoppen, weil es nie offizielle Ansprechpartner:innen zu geben scheint. Du kannst dich also nie wirklich direkt an jemanden wenden, sondern dir nur via Pinterests Copyright-Verstoß helfen. Mich hat das alles früher so aufgeregt. Inzwischen ist mir aber klar, dass es keine Lösung gibt. Daran erkennt man echt die Ausmaße der Fast-Fashion-Industrie: Dir wird ein Design geklaut – und dann ist es einfach verloren. Du hast keine Kontrolle mehr darüber. Die Tatsache, dass diese betrügerischen Händler:innen auch noch mein Gesicht benutzen, ist der Wahnsinn.“

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