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Helfen Ausmalbücher & Kunsttherapien wirklich gegen Stress?

Vor ein paar Jahren – so etwa 2015 – kletterten Ausmalbücher für Erwachsene bei Amazon an die Spitze der Bestseller-Liste und halten sich dort wacker bis heute. Die Meinungen darüber gingen und gehen auseinander: Während Kate Middleton ein großer Fan von ihnen zu sein scheint, bezeichnete sie Quartz als Hilferuf der USA. Ganz gleich, was du von ihnen hältst, laut Studien helfen sie Menschen dabei, Stress abzubauen. Und allein deswegen lohnt es sich, sich ein wenig mit dem Thema zu beschäftigen.
Nachdem Schulabschluss lassen die meisten nur noch selten der Kreativität freien Lauf – sprich: Sobald die letzte Kunststunde vorbei ist, verschwinden Pinsel, Buntstift und Co. in der untersten Schublade (oder, noch schlimmer, im Müll). „Wenn sie erwachsen werden, denken viele, sie seien nicht kreativ. Also berauben sie sich selbst dieser wunderbaren Möglichkeit, sich auszudrücken“, erklärt Dr. Christianne Strang, Präsidentin der American Art Therapy Association und Assistant Professor im Fachbereich Verhaltensneurowissenschaft an der University of Alabama.
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„Meine Tochter sagte letztens zu mir: ‚Wenn ich Geige spiele, fühle ich mich gut. Bin ich traurig, hilft mir die Violine dabei, die Sachen klarer zu sehen‘“, erzählt Dr. Girija Kaimal, Assistant Professor der Kreativtherapie-Abteilung der Drexel University. Egal ob du schreibst, malst, tanzt oder musizierst, wenn du dich künstlerisch betätigst, nutzt du deine Emotionen auf konstruktive Art und Weise. Und das nennt man dann Sublimierung. „Beim Sublimieren wandelst du destruktive oder problematische Impulse in etwas Positives“, so Dr. Kaimal. „Anstatt deine Wut an einem Menschen auszulassen, boxt du einen Tonklumpen und formst anschließend etwas daraus“.

Kunsttherapie zur Behandlung psychischer Störungen

Obwohl Kunst eine gute Form der Selbstfürsorge ist, gibt es Fälle, in denen sie allein nicht als Behandlung ausreicht. Dr. Kaimal erklärt das Ganze mit einem Vergleich: Du kannst mit einem Poster einen Riss in der Wand verstecken oder mit einer Glühbirne einen dunklen Raum erhellen. Doch wenn die Wand einzustürzen droht oder dir jede Glühbirne durchbrennt, weil es ein Problem mit der Elektrik gibt, solltest du dich an jemanden wenden, der sich mit diesen Dingen auskennt. Ähnlich verhält es sich beim Thema Malbuch versus Kunsttherapie: Stehst beispielsweise kurz vom Burnout, solltest du dich besser an eine*n ausgebildete*n Kunsttherapeut*in wenden – ausmalen hilft dir dann wahrscheinlich nur bedingt.
Kunsttherapie gibt es übrigens schon seit dem Ersten Weltkrieg: Künstler*innen (Freiwillige des Roten Kreuzes) und Ergotherapeut*innen nutzten sie um Soldaten mit posttraumatischer Belastungsstörung zu behandeln. Im Zweiten Weltkrieg setzte sich die Technik auch im Walter-Reed-Krankenhaus durch. Der Begriff „Kunsttherapie“ wurde Anfang der 40er Jahre geprägt – er tauchte im Buch Art Versus Illness von Adrian Hill (der selbst als Künstler in einem Sanatorium arbeitete) auf. Das erste offizielle Trainingsprogramm für Kunsttherapeut*innen entstand jedoch erst 20 Jahre später im Drexel-Hahnemann-Universitätsklinikum. In den darauffolgenden Jahren entwickelte sich dann eine eigenständige Therapiemethode, die durch Aus- oder Weiterbildung, oder aber Bachelor- und Masterstudiengänge erlernt werden kann.
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So funktioniert Kunsttherapie

„Die Idee dahinter ist, Körper, Geist und Seele gleichzeitig zu beschäftigen“, so Dr. Strang über Gestaltungstherapie. „Es geht über die einfache Verbalisierung hinaus der Gefühle hinaus – Patient*innen können auf andere Art und Weise Behandlungsziele erreichen“. In der Kunsttherapie sollen die Patient*innen lernen, sich durch Kunst und Kreativität selbst zu verstehen und sich auszudrücken. Sie können „Dinge kommunizieren, für die sie keine Worte finden“, sagt Dr. Strang.
Kunsttherapie kann genutzt werden, um psychische Probleme wie Essstörungen, Abhängigkeiten, Depressionen und Ängste zu adressieren. Während der Behandlung geben die Therapeut*innen den Patient*innen kreative Aufgaben. Die so entstandene Kunst wird anschließend gemeinsam besprochen und im Hinblick auf die Behandlungsziele aufgearbeitet.
Wenn die klassische Gesprächstherapie nicht so dein Ding ist und du jetzt überlegst, es mit Kunsttherapie zu probieren, solltest du eins jedoch vorab wissen: In der Regel musst du eine ambulante Behandlung selbst bezahlen. Ist sie jedoch Teil deiner Behandlung während eines stationären Klinikaufenthalts, wird sie dementsprechend mit übernommen.

Ausmalen ist mehr als nur eine Achtsamkeitsübung

Kommen wir noch mal zurück zum Ausmalbuch und anderen kreativen Selbstfürsorge-Methoden. Wenn du dich beispielsweise gerade in einer stressigen oder emotionalen Phase deines Lebens befindest, kannst du sie super vorbeugend anwenden. Du brauchst wissenschaftlichen Beweis? Kein Problem. In einer Studie aus dem Jahr 2016 fand Dr. Kaimal fand heraus, dass 45 Minuten kreativer Aktivität bei Dreiviertel der Teilnehmer*innen den Cortisol-Level deutlich senkte. Außerdem kann die kreative Arbeit ein Erfolgsgefühl in dir auslösen und dich stolz auf dich selbst machen – und zwar nicht nur, wenn du supertalentiert bist. „Du kannst auch von den Vorteilen profitieren, auch wenn du nicht künstlerisch begabt bist“, erklärt Dr. Kaimal.
Das Wichtigste ist, eine Aktivität zu finden, die dir Spaß macht, denn nur dann ziehst du es auch langfristig durch und langweilst dich nicht nach drei Wochen. Du kannst zum Beispiel Schmuck selbst machen, Collagen basteln oder eben Bilder ausmalen. „Viele Ausmalbücher, um abzuschalten und zu relaxen“. Das einige Kunst auch nutzen, um mit Schmerz und Verlust umzugehen, zeigt beispielsweise die AIDS Memorial Quilt, so Dr. Strang.
Wenn du jetzt denkst, ausmalen hätte nichts mit Kreativität zu tun, irrst du dich. Tatsächlich musst du dabei ziemlich viele kreative Entscheidungen treffen, wie ob du Wassermalfarbe, Blei-, Bunt- oder Filzstifte benutzt. Manche Leute schneiden die ausgemalten Seiten sogar aus und basteln daraus dreidimensionale Kunstwerke. Deswegen stellt Ausmalen laut Dr. Kaimal eine gute Möglichkeit dar, die seit der Schule etwas eingerosteten künstlerischen Fähigkeiten neu zu beleben. Na dann gönn' deinem MacBook jetzt doch direkt mal eine kleine Pause und fang an zu malen! Dein inneres Kind wird es dir auf jeden Fall danken.

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