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Ein offener Brief an alle erwachsenen Frauen, die Akne haben

photographed by Ana Larruy.
Wenn du diesen Artikel liest, hast du wahrscheinlich das, was gemeinhin als "problematische Haut" beschreiben wird – sprich Akne, Pusteln, Mitesser, Pickel, unreine Haut... In jedem Fall ist das ziemlich scheiße, oder?
Geht mir genauso. Ich kann gar nicht sagen, wie gut es sich anfühlt, das hier gerade zu schreiben. Genau wie du verbringe auch ich sehr viel Zeit damit, Lösungen für mein "Problem" zu finden. Ich mache mir sehr oft Sorgen um meine Haut oder rege mich über sie auf. Und das, obwohl ich Feministin bin. Ich bin davon überzeugt, dass Body Positivity unglaublich wichtig ist, damit wir uns von der cis-sexistischen, heteropa­t­ri­ar­cha­len, kapitalistischen Definition von Schönheit befreien können. Trotzdem mache ich mir ständig Gedanken darüber, dass meine Haut als eklig oder unhygienisch wahrgenommen werden könnte. Nach außen hin tue ich meist so, als wäre alles okay. Damit nehme ich mir allerdings selbst die Möglichkeit, einfach mal in die Welt zu schreien (oder in diesem Fall aggressiv in die Tasten zu hauen): Akne ist richtig beschissen!
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Vielleicht hat sich deine Haut über die Jahre hinweg gar nicht groß verändert. Vielleicht hattest du nur ein paar kleine Pickelchen als Teenie und dann wurde deine Haut mit der Zeit einfach wieder besser. Bei mir war letzteres der Fall – bis ich im Erwachsenenalter aus dem Nichts Akne bekam, als hätte mir eine Taube auf den Kopf geschissen, während ich nichts ahnend durch die Gegend spazierte. Sie kam überraschend und sorgte dafür, dass ich mich auf einmal absolut dreckig und unwohl in meiner Haut fühlte.
Als Erwachsene*r Akne zu bekommen, ist ein Schlag ins Gesicht – besonders dann, wenn du froh warst, die Pubertät einigermaßen heil überstanden zu haben. Es fühlt sich dann ein bisschen so an, als müsstest du diese schwierige Zeit noch einmal überstehen. All die Unsicherheiten und all das Schamgefühl, die du vor 10 oder 15 Jahren erlebt hast, kommen wieder hoch. Für viele ist unreine Haut etwas, das nur hormongetriebene Teenager haben. Sie assoziieren sie mit Unreife und Kindlichkeit und das tut weh. Körperlich und seelisch. Und weil wir in einer Welt leben, in der sich viel um Äußerlichkeiten dreht, ist es auch peinlich. Ich glaube das ist etwas, das Menschen mit "guter Haut" nie wirklich verstehen werden. Wir wissen genau, wie Akne bei Erwachsenen aussieht und welchen Eindruck sie bei den Leuten um uns herum auslösen kann – unreif, schmutzig, unprofessionell... Und genau deswegen glauben wir dieses Dinge irgendwann selbst.
Die gesellschaftliche Wahrnehmung von Akne ist einfach abgefuckt. Wenn ein Kosmetikhersteller seine Produkte als aknebekämpfend beschreibt oder Celebritys sagen, ihr Geheimnis für reine Haut wäre, viel Wasser zu trinken, impliziert das, wir würden nicht genug tun. Als ob wir Schuld am Zustand unserer Haut wären. Als ob wir uns im Kampf gegen unreine Haut einfach nicht genügend anstrengen würden. Das ist natürlich Quatsch. Würde der Zustand meiner Haut von meinen Bemühungen abhängen, hätte ich längst Haut wie Jodie Comer.
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Unsere Akne macht uns nicht zu minderwertigen Menschen. Wir sollten uns nicht für unsere Haut schämen müssen. Wir sollten unsere pickeligen Gesichter stolz präsentieren. Wir sollten ungefragte Tipps von Fremden ignorieren. Wir sollten in die Welt hinausschreien: Akne ist beschissen und nervt verdammt noch mal!
In vielen Fällen ist Akne genetisch bedingt, weshalb wir nicht wirklich Kontrolle über sie haben. Und selbst, wenn deine Haut irgendwann "besser" wird, bleibt die Angst, sie könnte wieder kommen, immer bestehen. Ich habe mich früher an jedem Strohhalm festgehalten, der mir Hoffnung auf Besserung gab und ich bin mir sicher, dir ging oder geht es ähnlich. Ich habe tausende Forenbeiträge gelesen, bin von einer Ärztin zur nächsten gegangen und habe alle Cremes, Seren und Medikamente ausprobiert, die erfolgversprechend klangen. Manche Produkte halfen tatsächlich! Aber nur für einen Moment. Und dann kam die Akne wieder zurück und rächte sich. Andere Produkte zeigten von Anfang an keine Wirkung. Null. Trotzdem hatte ich jedes Mal Hoffnung, das Beauty-Produkt, die Pille oder die Lifestyle-Veränderung würde Wunder bewirken. Nur, um am Ende wieder enttäuscht feststellen zu müssen, dass alles umsonst war. (Wobei umsonst leicht untertrieben ist, wenn man bedenkt, wie viel Geld ich schon in meine Haut investiert habe!)
Irgendwann habe ich einen Punkt erreicht, an dem ich eines Nachts auf dem Fußboden meines Schlafzimmers saß und bitterlich weinte. Kennst du diese unkontrollierbaren, herzzerreißenden Heulanfälle? Ich hatte vor zwei Monaten begonnen, ein neues Medikament zu nehmen und es schien nicht mal ein klitzekleines bisschen anzuschlagen. Als mich meine Freundin fragte, was mit mir los sei, wurde mir bewusst, dass es nicht nur um die Unwirksamkeit des Arzneimittels ging. Ich schämte mich dafür, dass ich mir mittlerweile so viele Gedanken wegen meiner Akne machte. Meine Psyche schien langsam fast mehr zu leiden als mein Körper. Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich versuchte, die Tränen mit den Handinnenseiten wieder reinzuschieben, weil ich einfach nicht wegen meiner Haut heulen wollte. Ich entschuldigte mich immer und immer wieder bei meiner Freundin, während ich vor mich hin schluchzte. Es war mir so unglaublich peinlich.
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photographed by Ana Larruy.
Als Erwachsene*r Akne zu haben, ist nie leicht – auch nicht im Jahr 2019, in dem uns täglich zehn Body-Positivity-Posts in unserem Insta-Feed begegnen. Ich habe sehr hart an einer positiven Einstellung zu meiner Haut gearbeitet: Ich habe aufgehört, Foundation zu tragen und meine Aknenarben aus Fotos zu retuschieren. Ich versuche, offen mit meinem Äußeren umzugehen. Das hat schließlich auch bei meinem Körperbild funktioniert, als ich mich meiner Essstörung stellte. Warum sollte es dann also nicht auch bei meiner Akne funktionieren? Und tatsächlich hat es das auch, aber nur bis zu einem bestimmten Grad. Wie du sicher weißt, ist es schwer, immer optimistisch und positiv zu sein – vor allem, wenn die Sache, die dich runterzieht, so unberechenbar ist. Akne kann jederzeit zuschlagen und tiefe rote Narben und Dellen hinterlassen, die auch dann noch da sind, wenn der Schmerz längst weg ist. In einer Zeit, in der wir ständig von #selflove reden, kann Akne immer noch für Schamgefühle sorgen.
Ich habe diesen Artikel nicht geschrieben, weil ich eine Lösung für dich habe. Ich will damit mein Verständnis, meine Solidarität ausdrücken – eine digitale Umarmung sozusagen. Ich kenne deine Haut nicht und du kennst meine nicht. Ich kann dir nicht sagen, wie du dein "Problem" lösen kannst. Aber ich kann dir sagen, dass du nicht allein bist. Du teilst dieselben Gefühle, Gedanken und Unsicherheiten mit mehr Menschen, als dir die Gesellschaft und die sozialen Medien weismachen wollen. Wir sollten uns zusammenschießen und uns gemeinsam der Frustration stellen und uns gegenseitig unterstützen.
Du musst deine Haut nicht immer lieben. Das kann nämlich sehr anstrengend sein. Aber sei dir bewusst, dass Akne zu haben nicht automatisch heißt, das eigene Leben nicht unter Kontrolle zu haben – was auch immer das bedeutet. Sei dir bewusst, dass du kein Loser bist, nur weil du Akne hast. Und du bist auch keiner, weil du versuchst, sie loszuwerden.

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