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Emily in Paris: Warum wir über die Oben-ohne-Szene sprechen sollten

Foto: freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Netflix
Gegen Ende der Brexit-Übergangszeit im letzten Jahr nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und zog nach Paris. Ein Monat danach erschien die Sendung Emily in Paris auf Netflix. Ich hatte nicht vor, sie mir anzusehen, aber nachdem ich unzählige Nachrichten von Freund:innen erhalten hatte, die mich „Faye in Paris“ nannten, konnte ich nicht anders. Weil ich es unterhaltsam fand, dass das Pariser Leben so anders dargestellt wurde, als es tatsächlich ist, machte ich nicht Halt bei der ersten Staffel. Was aber darauf folgte, ließ mich alles andere als kalt. Zu der übersexualisierten Art und Weise, wie die Franzosen und Französinnen dargestellt wurden, hatte ich ein wenig (ok, eine Menge) mehr zu sagen.
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In der dritten Folge besucht Emily mit ihrer Freundin (bzw. baldigen Feindin) Camille ein marokkanisches Hammam. Zu den beiden gesellen sich Camilles Freundinnen. Die Begrüßung – und damit die gesamte Szene – hebt sich sofort vom Rest der Staffel ab, und zwar ganz einfach deshalb, weil alle französischen Frauen oben ohne sind (die erste Szene dieser Art in der Serie). Ich weiß, dass es nicht unbedingt etwas Radikales ist, seine Brüste in einem Spa zu entblößen, aber als einzige Ausländerin im Raum überrascht es nicht, dass Emily sich dagegen entscheidet.
Beim Eintreten bittet Emily um einen Bademantel und setzt sich unbeholfen zu ihren französische Begleiter:innen, während sich diese im Evakostüm gegenseitig umarmen und ihre Brüste für alle (virtuellen) Zuschauer:innen zur Schau stellen. So wie es aussieht, scheinen die Drehbuchautor:innen der Serie zu glauben, dass solch ein Körperbewusstsein üblich für Französinnen sei. Wenn das aber die Norm in Paris sein soll, warum frustriert mich – jemand, der in Paris lebt und mit echten Französinnen zu tun hat – diese Szene dann so?

Warum muss die erste halbnackte Szene der Serie vier junge Frauen zeigen, die gemeinsam schwitzen?

Ich denke, dass das daran liegt, dass durch diese Szene das Image eines avantgardistischen Paris kreiert und ein nicht-französisches Publikum aus der Fassung gebracht werden soll. Der Preis dafür geht aber viel tiefer. Die Szene versucht eindeutig, eine erbauliche Botschaft darüber zu treffen, dass französische Frauen sich wohl damit fühlen, ihre Brüste zu entblößen. Dennoch fühlte es sich so an, als ob diese Message eine männliche Perspektive widerspiegeln würde. Warum muss die erste halbnackte Szene der Serie vier junge Frauen zeigen, die gemeinsam schwitzen? Mit sinnlicher Beleuchtung im Hintergrund (ein Großteil davon ist rot) hat das Ganze einen unverkennbar objektivierenden Beigeschmack. Und Vergegenständlichung ist für Frauen, die in der Stadt der Lichter leben, ein echtes Problem.
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Ich hatte das bei meiner Ankunft nicht erwartet, aber als ich dann in Paris lebte, war ich gezwungen, mir eine unglaublich dicke Haut zuzulegen, da es ständig zu unaufgeforderten Belästigungen durch Männer auf der Straße kommt, die Frauen anmachen, ihnen sexuelle „Komplimente“ machen, sie grundlos berühren und manchmal sogar verfolgen. Ich musste auf meinem Heimweg unzählige Male meine Route ändern. Das passiert natürlich in vielen Städten, aber nachdem ich zuvor fünf Jahre in London gelebt hatte, überraschte es mich, wie regelmäßig es zu so etwas hier wirklich kommt. Es geschieht täglich (wenn nicht sogar stündlich), und ob es Betroffenen nun bewusst ist oder nicht, ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass das unterbewusst zur eigenen Körperwahrnehmung von Pariserinnen und Pariser und ihrem dementsprechenden Verhalten beiträgt.
Alle meine Freundinnen sind diesem sexualisierten Blick ausgesetzt, und wenn ich sie um Rat frage (denn das ist es, was wir wirklich tun, anstatt gemeinsam halbnackt in Spas abzuhängen), ist die Antwort, die ich erhalte, düster. „Gehe niemals in direkte Konfrontation“, sagt eine. „Richte deinen Blick auf die Straße und nimm keinen Augenkontakt auf“, fügt eine andere hinzu. Sind das dieselben Pariserinnen, die Darren Star (der männliche Schöpfer von Emily in Paris) in der etwas sexuellen Spa-Szene im Kopf hatte? Wenn ja, dann gibt es ein Problem. Denn es ist ja schön und gut, wenn eine Französin in einer reinen Frauenszene frei von Hemmungen aussieht, aber was bedeutet das schon, wenn sie in der Sekunde, in der sie diese Szene verlässt, objektiviert wird?
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Wenn es um die Freiheit der Gleichheit geht, haben die Camilles dieser Welt genauso viel zu tun wie die Emilys. In der Oben-ohne-Szene (bzw. in der Serie) gibt es nicht den geringsten Hinweis darauf, ganz einfach, weil sie Paris aus einer nicht französischen, unweiblichen und, nun ja, unrealistischen Sichtweise zeigt.

Eine meiner Freundinnen, die dieses Problem in Paris genauso frustriert, wies mich auf die zeitgenössische feministische Schriftstellerin Lauren Bastide hin, die letztes Jahr ihr erstes Buch mit dem Titel Présentes veröffentlichte. Darin beschreibt Bastide, wie wenig Autorität Frauen im öffentlichen Raum Frankreichs haben (was sich z.B. auch darin zeigt, dass nur 6 Prozent der Straßen nach ihnen benannt sind). Sie argumentiert, dass der urbane Raum in Paris von sexueller Segregation geprägt ist, was dazu führt, dass Frauen die Stadt eher als einen Ort des Transits als ein Territorium sehen. Ob bekleidet oder unbekleidet, der Körper der französischen Frau ist der Mittelpunkt dieses voyeuristischen Raums, der nicht so frei ist, wie Emily in Paris zu suggerieren versucht.
Natürlich verbringe ich nicht jede Minute in Paris damit, durch die Straßen dieser Stadt zu laufen. Ich lasse mich gerne vom Charme der klassischen Café-Kultur, vor allem im Quartier Pigalle, verzaubern. Dieses Viertel ist seit jeher für seine Sexshops, Erotiktheater und -clubs berühmt, sodass es natürlich niemanden überraschen würde, eine Pariserin à la Emily in Paris dort in Aktion zu sehen. Hier tanzen die Mädchen zwar nicht mit freiem Oberkörper durch die Kneipen, aber sie weisen einen wohlüberlegten und – wie manche Außenstehende vielleicht sagen würden– erotischen – Stil auf: Schwarz von Kopf bis Fuß, Lackschuhe, lange Lederjacken und kleine Accessoires.
Dieser Look entspricht zwar nicht der typischen bretonischen Pariserin mit Trenchcoat und Baskenmütze, die der Algorithmus von Instagram bevorzugt, aber er ist keine Seltenheit in der weiblichen Jugendszene hier. Auch ich habe diesen Stil zum Teil übernommen, weil auf diese Weise versucht wird, den Spieß der Objektivierung umzudrehen. Das ist ein lobenswerter menschlicher Instinkt der Pariserinnen, aber eines möchte ich in diesem Zusammenhang betonen: Das Image von Sexualität, das sie haben, und die Ownership dafür unterscheiden sich voneinander. Und wenn du dir die Oben-ohne-Szene in Emily in Paris ansiehst, wirst du sehen, dass darin fälschlicherweise angenommen wird, dass diese zwei Dinge Hand in Hand gehen.
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s an ein junges, weibliches Publikum richtet, denn 2021 drängt eine große Mehrheit von ihnen auf Respekt, Anerkennung und echte Freiheit auf der gesellschaftlichen Bühne.

Was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass sie im öffentlichen Raum von Paris nicht Hand in Hand gehen. Ich bezweifle, dass diese Tatsache den Autor:innen der Show bewusst war, denn Amerikaner:innen halten Franzosen und Französinnen für sexuell befreit. Hedonismus hat die Pariser Kunstbühne mehr als irgendwo sonst in der Welt geprägt und dazu geführt, dass alle Frauen hier als so emanzipiert gelten wie das „Sex-Symbol“ Brigitte Bardot (auch wenn nur einer ihrer 47 Filme von einer Frau inszeniert wurde). Nichtfranzösische Frauen wie Emily hingegen werden als vorsichtig, zurückhaltend und konservativ dargestellt.
Denk nur mal an Emilys Reaktion auf Godards Jules et Jim im weiteren Verlauf der Serie. Ihre Freund:innen ermutigen sie dazu, eine Ménage-à-trois wie im Film in Betracht zu ziehen, aber Emily weist das beschämt zurück. Ich? Non. Das ist nur etwas für französische Frauen, die sind freier! Das Komische aber ist, dass die Camilles dieser Welt genauso viel zu tun habe wie die Emilys, wenn es um die Freiheit der Gleichheit geht. In der Oben-ohne-Szene (bzw. in der Serie) gibt es nicht den geringsten Hinweis darauf, ganz einfach, weil sie Paris aus einer nicht französischen, unweiblichen und, nun ja, unrealistischen Sichtweise zeigt. Was mich am meisten verblüfft, ist, dass sich Emily in Paris an ein junges, weibliches Publikum richtet, denn 2021 drängt eine große Mehrheit von ihnen auf Respekt, Anerkennung und echte Freiheit auf der gesellschaftlichen Bühne. Bei allem Respekt, vier oben ohne zusammensitzende Frauen in einer Serie zu zeigen, bei der es um den Erfolg von Marketing geht, wird ihre Bemühungen also sicher nicht unterstützen. Anstatt die fehlende Freiheit für Frauen in Frankreich zu ignorieren, sollten die Autor:innen vielleicht darüber nachdenken, ihre Realität in die dritte Staffel einzubauen – nur eine Idee für Emilys nächste Savoir-Kampagne.
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