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Warum Casper auch heute noch ein toller Film ist

„Kann ich dich behalten?“ – Diese vier Worte, die der menschliche Casper (Devon Sawa) in Kat‘s (Christina Ricci) Haar flüsterte, während sie fest umschlungen zusammen tanzten, lassen mein Herz immer noch höher schlagen.
Casper kam im Juni 1995 heraus und war sofort ein kultureller Meilenstein des Jahrzehnts. Der Film lehrte eine ganze Generation, was es bedeutet zu lieben, zu leben und zu trauern. Ich weiß noch, wie mein Bruder und ich uns gefühlt jeden Samstag den Film als VHS ansahen. Leider erinnere ich mich nicht mehr daran, wann ich ihn das erste Mal angesehen habe, aber als ich ihn vor Kurzem für diesen Artikel nochmal schaute, konnte ich mich noch an so viele Stellen mühelos erinnern. Dieser Film hat sich tief in meiner Erinnerungen gebrannt; so, wie es nur ein paar wenige Filme der Kindheit schaffen.
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Ein Grund, warum mich Casper so sehr geprägt hat, ist Kat. Gerade an der Schwelle zum Erwachsen werden, muss das Mädchen dazu noch damit klarkommen, dass ihre erste große Liebe, ein Geist ist. Und als ob das für einen Teenager nicht schon genug wäre, versucht sie auch noch den Tod ihrer Mutter zu verkraften und einen Vater zu erziehen, der in seiner eigenen Trauer fast erstickt. Erst später habe ich erfahren, dass Casper, obwohl unter der Regie von Brad Silberling (die Serien wie Charmed und Jane the Virgin produzierte), von zwei Frauen geschrieben wurde. Sherri Stoner und Deanna Oliver haben diesem Film zu dem gemacht, was er bis heute noch ist: Ein bedeutender Einfluss unserer Popkultur.
Nichtsdestotrotz waren die ersten Kritiken, der überwiegend männlichen Kritiker*innen, nicht besonders positiv. Joey O'Brien vom Austin Chronicle nannte es ein „passables, wenn auch gedankenloses, Kindertheater.“ Liam Lacey von Toronto's Globe and Mail fand es  „blass, aufgedunsen und einfach genug, um 10 Minuten nach Verlassen des Theaters aus dem Kopf zu verschwinden “ . Und in der Los Angeles Times bemängelte Peter Rainer die Kernbotschaft des Films und schrieb: „Kat's Einsamkeit hat keine emotionale Resonanz.“
Die Handvoll weiblicher Kritikerinnen, die Casper damals bewertet haben, waren aber auch nicht enthusiastischer. Die Handvoll weiblicher Kritikerinnen, die Casper damals bewertet haben, waren nicht aufgeschlossener. Rita Kempley, von der Washington Post sagte, der Film ist „fahler als die Augen eines Toten“. Caryn James von der New York Times meinte, Casper sei zwar für kleine Kinder ansprechend, aber Erwachsene könne der Film nicht unterhalten.
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Da liegt sie aber meiner Meinung nach falsch. Mehr als 20 Jahre später ist Casper (basierend auf der Figur von Seymour Reit und Joe Oriolo, die in den 1950er Jahren von Harvey Comics berühmt wurde) zweifellos noch ein Meisterwerk, das keine Neuverfilmung braucht. Und natürlich gibt es ein paar Szenen, die wir heute als eher cringy empfinden. Ein Mel Gibson-Cameo hier; ein schlechter Witz über Oprahs Liebe zu Kohlenhydraten da und leider sind auch ein paar abfällige Spötteleien über ungeoutete Menschen bei diesem Oldie dabei.
Insgesamt ist er aber ein lustiger und sehr ergreifender Film. Deshalb verdient er es heute, über 20 Jahre später, nochmal genauer unter die Lupe genommen zu werden.
Schon in den Anfangsszenen wird klar, dass dieser Film mehr ist, als ein niedlicher Teenie-Film: Für die Bewohner*innen von Friendship ist Whipstaff Manor als das örtliches Geisterhaus bekannt. Für Carrigan Crittenden (Cathy Moriarty) ist es dagegen eine bröckelnde Erinnerung an ihren toten Vater, den sie über alles verachtete. Als sie das verfluchte Anwesen erbt, will sie alles einfach niederreißen – doch Dibs, ihre Assistentin und Freundin, findet eine Karte, auf der ein verborgener Schatz gekennzeichnet ist. Und der soll in den Tiefen der Villa verborgen sein. Als sie aber hineingehen wollen, um ihn zu holen, werden sie von gleich vier Geistern überrascht. Whipstaff ist die Heimat von Casper (gesprochen von Malachi Pearson und gespielt von Devon Sawa in seiner menschlichen Form), einem jungen Geist, der verzweifelt nach Gesellschaft sucht, und seinen drei Geister-Onkeln, Stretch, Stinky und Fatso (gesprochen von Joe Nipote, Joe Alaskey und Brad Garrett). Wenn sie ihren Schatz haben will, muss Carrigan also einen Spezialisten hinzuziehen.
Da kommt Dr. Harvey (Bill Pullman) mit ins Spiel. Er ist selbsternannter Therapeut der Toten und versucht Geistern dabei zu helfen, ins Jenseits überzugehen. Das ist zumindest sein Job. Tatsächlich aber, möchte er mit seiner verstorbenen Frau in Kontakt kommen und hält an dem kleinen Funken Hoffnung fest, dass der Tod nicht zwangsläufig ein Abschied für immer bedeuten muss. Deshalb ziehen er und seine Teenager-Tocher Kat (Ricci) nach Whipstaff. Und wie es nicht anders zu erwarten war, kommen sie mit ihren Geister-Mitbewohnern richtig gut klar.
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Die früheren Rezensionen von Casper konzentrieren sich auf die Qualität einiger der Performances. Eine Kritik, die (wie ich vermute) daher rührt, dass der Film ein Vorreiter der Computeranimation ist, auch wenn wir die Animation mittlerweile nicht mehr so faszinierend finden.  Als einer der ersten Mainstream-Filme, der neben menschlichen Schauspielern im Wesentlichen Computeranimationen als Hauptfiguren zeigt, war Casper seiner Zeit iein atemberaubender Blockbuster. Und wenn man sich heute mal die steifen CGI-Löwen auf der großen Leinwand mal genauer anschaut, schätzt man die schrille Art von echten Menschen, wie Carrigan Crittenden umso mehr. Alles, was ich als Kind noch gruselig an ihr fand, ist jetzt für mich recht begehrenswert – ihre Vorliebe für Schwarz, ihr Mangel an Empathie, ihre Intoleranz gegenüber Bullshit und ihre Beziehung zu Idle sorgen für eine unverkennbare und zeitlose Komik.
Auch die Kostüme und das Set-Design verdienen großes Lob. Von der Kleidung bis zu Bühnenbild ist alles creepy, aber gleichzeitig elegant gehalten.
Aber was mir erst als Erwachsene wirklich klar wurde, war, dass der Film zwar nach Casper benannt ist, es aber eigentlich um Kat beziehungsweise Christina Ricci geht. Die Einzelgängerin, die sich nach einem geregelten Kleinstädterleben sehnt, wurde von Ricci perfekt umgesetzt. Ihr komödiantisches Timing ist makellos und sie begeistert mit einem schrägen Humor, der über ihr Alter hinausgeht. Aber die emotionalen Momente von Kat sind mitreißend und herzerwärmend.
Besonders der Moment, in dem Dr. Harvey ein Bild seiner verstorbenen Frau unter Kats Sachen findet und Kat es ihm aus den Händen reißt, hat bei mir lange Eindruck hinterlassen. „Mom gehört hierher“, sagt sie. Das zeigt nur zu gut, dass diese beiden noch nicht ganz herausgefunden haben, wie sie gemeinsam trauern können. In Casper findet Kat einen Freund, der sie seltsamerweise versteht. So wie Dr. Harvey das mürrische Trio anfleht, seine Frau für ihn zu kontaktieren, ist Casper ihre Verbindung zur Welt der Toten.
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Der Tod ist schon echt ein heftiges und sehr düsteres Thema für einen Kinderfilm. Und doch schafft es Casper, es kindgerecht aufzuarbeiten. Der menschliche Casper starb, weil er zu lange draußen auf seinem Schlitten gespielt hatte und sein Vater war so untröstlich, dass er seine Ersparnisse ausgab, um eine Maschine zu bauen, die seinen toten Sohn wieder zum Leben erwecken sollte. Ganz schön makaber. Und doch ist die Story so gut erzählt, dass sie nicht wirklich hinterfragt wird.
Vor allem die „Kann ich dich behalten“-Szene bringt Herzen zum Schmelzen. Ein junger Mann, der viel zu früh gestorben ist und so viel Potenzial in sich trägt. Das weiße Spitzenkleid seiner Mutter, das Kat als Kostüm trägt, erinnert an die Hochzeit, die er nie erleben wird.Und während Kat und Casper tanzen lernt Dr. Harvey, von seinen eigenen verzweifelten Hoffnungen und Erwartungen loszulassen. Und James Horner's ergreifend schönes Klavierspiel ruft dazu genau das richtige Maß an Nostalgie hervor.
Fazit: Casper ist eine kraftvolle Einführung in die komplexe Realität des Todes, in der man lernen muss, die Lieben loszulassen – auch wenn wir die Erinnerungen an sie für immer bei uns behalten.

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