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Warum (500) Days of Summer nicht gut gealtert ist

Foto: Watermark/Kobal/Shutterstock.
Vor knapp zehn Jahren habe ich mich nach monatelangem Hin und Her dazu entschlossen, mir einen Pony schneiden zu lassen. Angesichts meiner lockigen Haare war das vielleicht nicht gerade die beste Entscheidung meines Lebens, denn wenn ich mir heute Bilder von damals anschaue, weiß ich jetzt, dass die Frisur definitiv nicht das Richtige für mich war (vielleicht wäre es nur halb so schlimm gewesen, wenn ich den Pony einfach lockig gelassen hätte, aber das ist jetzt auch egal). Die Schuld an dieser absoluten Fehlentscheidung gebe ich dem Film (500) Days of Summer, den ich mir 2009, wie jede*r andere Mensch in meinem Umkreis, angeschaut habe. Immerhin sind Zooey Deschanel und ihr süßer Pony-Traum mit diesem Independent-Film ein fester Teil der Popkultur geworden.
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Seitdem sind zehn Jahre vergangen, aber noch heute hat der Film eine Bewertung von 85 Prozent bei Rotten Tomatoes und wird immer noch als der Liebesfilm für alle Rom-Com-Zyniker*innen gepriesen. Er scheint die lang erwartete Antwort auf alle ekelhaft lieblichen Filmromanzen unserer Generation zu sein. Rund 60 Millionen Dollar hat der Film eingespielt.
Das Drehbuch kommt von Scott Neustadter und Michael H. Weber, die versuchten eine coole Liebesgeschichte zu erzählen, in der auch Trips zu IKEA und The Smiths vorkamen. In dem von Regisseur Marc Webb geleiteten Film geht es um einen hoffnungslosen Romantiker, der sich in eine junge Frau verliebt, die nicht an die Liebe glaubt. Bis heute hat der Film Kultstatus. Er scheint eine Zeitkapsel der späten 2000er Hipsterszene zu sein und sein Soundtrack ist immer noch genial ausgewählt. Und dann war da noch die ungewöhnliche Erzählstruktur, die sich durch die Beziehung der beiden zog.
Schon damals gab es zahlreiche Reaktionen auf den Old-School-Charakter der Geschichte, die ausschließlich die Perspektive von Tom (Joseph Gordon Levitt) darstellt. Summer (Deschanel), deren Name ja eigentlich sogar im Titel vorkommt, ist eher eine Nebenfigur, auf die nur dann aufmerksam gemacht wurde, wenn ihre Taten Toms Leben beeinflussten.
Aber schon im Vorspann war das vorherzusehen. Denn da teilt uns ein äußerst anspruchsvoller Erzähler mit, dass „dies eine Geschichte von einem Jungen ist, der ein Mädchen kennenlernt“. Und wie Recht er doch hatte: Bei (500) Days of Summer geht es eigentlich gar nicht um Summer. Es geht um den Jungen, in diesem Fall Tom, dessen Beziehung zu dem Mädchen, Summer, seinen Weg zur Selbstverwirklichung fördert. Über sie wissen wir nur das, was er uns sagt. Sie ist keine Person. Sie ist eine Idee, eine Fantasie des schrulligen, spontanen, mysteriösen Mädchens seiner Träume. Sie ist ein sogenanntes Manic Pixie Dream Girl.
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Was ist ein Manic Pixie Dream Girl?

Der Begriff wurde das erste Mal von Filmkritiker Nathan Rabin benutzt. Er schrieb ihn in einer Kritik über Kirsten Dunsts Charakter in Elisabethtown. Ein Manic Pixie Dream Girl beschreibt eine Frauenrolle, die quirlig, liebenswürdig, etwas eigenartig ist und eine leicht wilde Frisur hat. Vor allem aber ist sie aus einem bestimmten Grund Teil der Handlung: Sie soll einem Mann dabei helfen, wieder Lebensfreude zu empfinden – ach und er soll sich natürlich irgendwann auch in sie verlieben.
Deschanels Summer Finn ist nicht das erste Manic Pixie Dream Girl in Film und Fernsehen – dieser Titel geht an Natalie Portmans Rolle in Garden State. Sie verweigert die Liebe vollkommen, hat einen gewöhnungsbedürftigen Geschmack in Sachen Kleidung und Musik und traut sich „Penis!“ in eine Menschenmenge zu rufen. Nichtsdestotrotz ist sie sehr attraktiv und wirft gerade genug Rätsel auf, um ihr augenscheinliches Ich nach eigenem (männlichen) Belieben zu ergänzen. Somit ist sie praktisch der Inbegriff einer schrägen Frau, wie sie die Männer kenne und lieben.
Die Tatsache, dass Summer ein typisches Manic Pixie Dream Girl ist, ist nichts Neues. Ebenso wenig wie die Erkenntnis, dass sie nicht die Böse dieser Geschichte ist, obwohl Tom sie so sieht. Letztes Jahr antwortete Joseph Gordon-Levitt auf einen Tweet, in dem die Figur von Zooey Deschanel stark kritisiert wurde mit folgenden Worten: „Schau dir den Film noch einmal an“, schrieb der Schauspieler. „Meistens ist es Toms Schuld. Er wirft ihr Dinge vor, die nicht stimmen. Er hört nicht zu. Er ist egoistisch. Zum Glück entwickelt er sich am Ende aber weiter.“
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Vieles von (500) Days of Summer ist nicht besonders gut gealtert. McKenzie (Geoffrey Arend), Toms und Summers Kollege, macht beispielsweise mehrere Witze über Schwule, die selbst im Jahr 2009 unter die Gürtellinie gingen und als Toms Schwester (Chloe Grace Moretz) andeutet, dass dieser vielleicht die Signale von Summer einfach nur falsch interpretiert, glaubt McKenzie, Summer habe ihre Periode und deshalb Stimmungsschwankungen. Weil bei Frauen bekanntlich immer die Blutung schuld ist.
Aber der schlimmste Teil des Films ist gleich am Anfang im Disclaimer zu sehen, in dem behauptet wird, „jede Ähnlichkeit zu lebenden oder toten Menschen ist rein zufällig“. Gleich danach erscheint aber das: „Vor allem bei dir, Jenny Beckman. Schlampe.“
2009 gab Neustadter in The Daily Mail zu, dass der Film geschrieben wurde, um seine Seele von rachsüchtigen Gefühlen gegenüber einer Ex-Freundin zu befreien, die ihn fallen ließ (ob der oben genannte Name ihr richtiger ist, ist nicht bekannt). „Der fertige Film erzählt alles so, wie es passiert ist“, schrieb er in einem Essay, der mit der britischen Premiere erschien. „Wie peinlich meine kindliche Hingabe auch sein mag und wie distanziert es sie auch aussehen lässt.“ Mit diesen Worten hat Neustadter aber nur die Motive des Films noch rätselhafter gemacht. Tom wird als der hoffnungslose Romantiker dargestellt, der sich in das falsche Mädchen verliebt, während Summers Handlungen als „distanziert“ beschrieben werden. Tatsächlich ist sie das ganz und gar nicht. Im gesamten Film versucht Summer Tom wiederholt zu erklären, dass sie nicht an einer langfristigen Beziehung interessiert ist. Aber anstatt das zu akzeptieren, sieht er es als Herausforderung glaubt sie umstimmen zu müssen. Deshalb wirkt es aus seiner Sicht auch sehr romantisch. Aus Summers Perspektive könnte der Film auch (500) Day of wie erkläre ich dem, zugegeben, niedlichen Typen, dass wir nur Freunde mit gewissen Vorzügen sind?
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Auch wenn Gordon-Levitts Ansichten nicht falsch sind und wir vielleicht auf diese Weise erkennen sollten, dass Toms Einstellung engstirnig ist, zieht der Film uns aber durch die einseitige Darstellung der Geschehnisse zwangsläufige auf seine Seite. Wir sollen sauer sein, weil Summer nicht mehr als Freundschaft Plus will, obwohl sie ihn mit in die Dusche gezerrt hat – was hat sie sich dabei gedacht? Jeder weiß, dass Sex außerhalb des Betts nur was für Paare ist. Wir möchten, dass sie zusammenkommen.
Es reicht leider nicht aus, uns zu sagen, dass Tom der Schuldige ist, es muss auch gezeigt werden. Und (500) Days of Summer hatte einfach kein Interesse daran, denn am Ende überträgt Tom die gleichen Erwartungen und den Idealismus einfach auf eine andere Frau, der symbolisch der Name Autumn, also Herbst, (Minka Kelly) gegeben wurde.
Wie dir bestimmt schon aufgefallen ist, gibt es viele Filme mit einer ähnlichen Story. Regisseur Ari Asters schrieb das Skript zum Horrorfilm Midsommar auch nach einer schmerzhaften Trennung. Und das ist der Punkt: Die Filmkultur ist übersät mit den verletzten Gefühlen cis-männlicher Schöpfer. Allerdings will ich an dieser Stelle anmerken, dass Aster seinen Charakteren eine emotionale Entwicklung zulässt, indem er die Hauptfigur zu einer Frau macht, die trotz eines egoistischen Partners ihren Platz in einer Gemeinschaft findet. Im Gegensatz zu Tom, der einfach von einer Jahreszeit in die nächste springt.
Selbstverständlich möchte ich mit all dem nicht sagen, dass der Film ab jetzt aus deiner Watchlist verbannt gehört. Er ist und bleibt ein wichtiger Meilenstein der heutigen romantischen Komödien und stellt das Prinzip von lebensnahen Liebesgeschichten gelungen dar. Aber er sollte nicht mehr in die Kategorie „Filme, denen man nacheifern sollte“ gehören. Wie der schreckliche Pony, für den ich Jahre gebraucht habe, um ihn komplett loszuwerden, sollte auch (500) Days of Summer lieber in der Vergangenheit verweilen – selbst wenn du hin und wieder ein paar nostalgische Gedanken hegst.

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